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URPG-Log o2/o1-Cpt P'Thall/Cad Yu`She-CO/Sec-12314.1690

Verfasst: Mo 25. Jul 2011, 15:55
von Yu'She
URPG-Log o2/o1-Cpt P'Thall/Cad Yu`She-CO/Sec-12314.1690


Worte:
Yu’She:1.681
Thorn: 1.629

Beteiligte Personen:
SC: Cholain Amh
NSC:
Erwähnte Personen:
SC:
NSC:



*** Starbase 001 – Untere Ebenen – Hangarbereich ***


„Ich weiß, Ensign.“ Mein verengter Blick haftete am schwarzen Handrücken meiner Rechten, auf welchen ein kleiner Emitter eine gerade noch benutzbare LCARS-Eingabeoberfläche projizierte, während die abgerufenen Daten als flaches, kontrastarmes Holo über meiner geballten Faust schwebten. Der Zeigefinger meiner anderen Hand tippte nacheinander meine zu gelben kleinen Buttons umfunktionierten Knöchel an, während ich die Befehle überflog.
„- Dann danke ich vielmals, dass sie mich informieren, bevor ein Haufen entrüsteter Ingenieure während meiner Schicht das Schiff geentert und sich darüber brüskiert haben, dass es noch bemannt ist, Captain.“, tönte Cholains empörte Stimme aus meinem Kommunikator, beinahe ersäuft von Störgeräuschen aus dem Hintergrund.
„Dafür hätte ich keine zwei Minuten Zeit gehabt, von denen mein Kommunikator an der Sicherheitsschleuse anderthalb in einem Plastikkorb verbracht hat, während das Sicherheitspersonal hinterfragte ob ich das bioneurale Gel in meinem Rückgrat nicht doch nur schmuggle, um es auf der Erde als Sprengsatzkomponente zu missbrauchen.“, erklärte ich betont nüchtern.
Eine unterdrückte Amüsiertheitsbezeugung vom anderen Ende der Leitung vermeldete den Erfolg meines Versuchs, Cholain unter Einsatz von zu viel Information ein wenig aufzulockern. „- Sie haben es also auch gerade erst erfahren?“
„Ja. Und ich bin auf dem Weg ins Hauptquartier, um mir eine Erklärung abzuholen.“ Ich beendete die Anwendung und deaktivierte den Mikroprojektor, nachdem ich mich versichert hatte, dass meine Sicherheitsfreigabe mir auch nichts Aussagekräftigeres verschaffte als den Befehl selbst. Die leuchtenden Anzeigen verschwanden von meinem Handschuh, wie auch das Holodisplay aus der Luft, und ich hob meinen Blick gerade rechtzeitig um in einer fließenden Bewegung von dem Expressband zu treten und den nächsten Turbolift anzusteuern, der mich zum Zielhangar bringen würde. „Koordinieren sie den Abzug der Mannschaft, disponieren sie um, und versuchen sie von Homizid abzusehen. Ich melde mich wieder bei ihnen, Cholain.“

Das gesicherte Sternenflottenterminal war geschäftig wie eh und je, mehr noch durch zahlreiche Sicherheitsteams die alle Nase lang Kontrollen durchführten und die Menge beobachteten. Ich konnte froh sein, nicht zu den Offizieren zu gehören, welche der Versuchung nachgegeben hatten bereits in Zivil zu schlüpfen. Eine salutierende Gruppe Sicherheitsleute passierend betrat ich einen Turboliftzugang aus einer langen Reihe identischer Durchgänge, und wählte das 237. Deck, Hangar 14-b… nur um gleich das nächste Rufsignal mit einem Antippen meines Kommunikators und dem Aufrufen meines Handrückendisplays zu würdigen. Das neunte in Folge.

Letztlich konnte ich mich über meine eigene Gelassenheit eigentlich nur wundern.



Einfach alles noch einmal durchgehen.

Ich war so angespannt und nervös, dass ich nicht wusste wohin mit mir. Natürlich war ich viel zu früh auf SB 001 angekommen. Natürlich hatte ich vor, während und nach dem Flug meine Uniform geprüft. Natürlich war mit dem Shuttle alles in Ordnung.

Doch ich prüfte alles noch mal. Nur zur Sicherheit.

Drei Minuten. Dass er pünktlich sein würde stand fest. Natürlich. Es waren also zwei Minuten einundzwanzig. Zwanzig. Neunzehn. Achtzehn.

Hatte ich das PADD mitgenommen? Natürlich. Ich hatte es auf den Copilotensitz gelegt. Immer wieder hinüber geschielt. Der Hangar war voller Leute. Viel los auf der Base, noch mehr auf dem Campus. Über die Köpfe aller hinweg sah ich das Schott.

Zwei Minuten. Eine Minute neunundfünfzig. Achtundfünfzig. Siebenundfünfzig. Ich warf einen Blick durch das Shuttle. Lag kein Müll herum? Natürlich. Woher hätte der auch kommen sollen? Eine Minute dreißig. Kalkulierte zehn Sekunden, vom Schott hier her. Drei um einzusteigen. Sieben für die Abflugfreigabe. Eine Minute fünfzehn. Das Schott würde sich in fünfundfünfzig Sekunden öffnen. Eine Minute dreizehn.

Ich stand auf. Ging nach hinten. Kam wieder vor und holte das PADD. Wartete. Kam wieder vor, denn hinten konnte ich das Schott nicht sehen. Dreißig Sekunden. Mein Blick verharrte. Zehn Sekunden, vielleicht weniger. Ich stellte mich wieder nach hinten. Warum eigentlich im Shuttle? Zehn Sekunden durch den Hangar. Das reichte.

Ich verließ das Shuttle, steuerte das Schott an. Mein Herz schlug bis in meine Ohren hinein, mit Sicherheit wippten meine Fühler im Takt. Fühler. Kontrolle. Er würde es mir ansehen, alles.

Natürlich.




„… verstehe, dass sie einen engen Zeitplan haben, aber wie ich schon sagte: Wir hatten keinerlei Vorwarnfrist. Ich bin nicht an Bord, und kommen sie nicht auf die Idee meinen amtierenden Kommandooffizier zu kontaktieren. Es wird eben dauern, so lange es dauern wird.“

Die anschließende Antwort des leitenden Werftingenieurs ging für mich in einem wissenden, dünnen Halblächeln (welches ich im Folgenden kaum abschütteln können oder wollen würde) und einem Moment der Erkenntnis im Hinblick auf meine bisherige Gelassenheit unter. Ich mochte zuvor keine Zeit gehabt haben, mir aktiv Gedanken darüber zu machen warum genau mich die Aussicht auf einen Besuch auf Sol III mit einer beruhigenden, hintergründigen Vorfreude erfüllt hatte. Blieb nur noch zu sagen, dass ich es wohl irgendwie geahnt hatte.

„Beschweren sie sich bei den verantwortlichen Stellen.“ Ich hatte keine Vorstellung davon, ob diese Entgegnung zu dem passte, was der Mann erwidert hatte, aber das war gerade nicht weiter von Belang- ein kurzes Antippen meines Handrückens beendete die Verbindung, während ich meiner Pilotin entgegentrat.

„Cadet Yu’She.“




Ich hatte es gewusst. Natürlich hatte ich auch die Sekunden gezählt, doch auch ohne Zeitangabe hatte ich gewusst, dass wenn sich das Schott das nächste Mal öffnete, Captain Thorn P’Thall dahinter auftauchen würde.

Korrekter Gruß. Inzwischen wusste ich natürlich wie der richtig auszusehen hatte.

„Captain P’Thall.“, ich trat einen Schritt zurück, konnte den Blick aber nicht abwenden. Was jetzt? Was nun? Begrüßung – abgehakt, was kam danach? Warum war ich wieder hergeschickt worden, hatte darauf bestanden, hatte darum gebeten? „Ihr Shuttle nach San Francisco steht bereit.“, ja! Genau, das Shuttle, ich drehte mich um – es stand noch da.

Meine Finger ließen das PADD in meinen Händen rotieren.

Das PADD!

Ich reichte es ihm. „Vom Hauptquartier, Sir.“




Während mein lächelnder Blick (meinen Mundwinkel hatte ich inzwischen unter Kontrolle) als sie sich umdrehte auf ihrem Hinterkopf blieb, und damit auf dem strengen, aber dadurch nicht weniger auffälligen Zopf, deaktivierte eine unauffällige Geste meiner Linken wie selbstverständlich meinen Kommunikator. Zumindest für die kommende Stunde.

„Danke, Cadet.“ Meine Hand lag bereits an dem PADD, als sie sich damit zu mir umdrehte. Doch mein Blick richtete sich nun auf das Shuttle, den Weg den wir nun vor uns hatten, und meine Rechte berührte richtungsweisend ihr Schulterblatt, nur knapp an besagtem Zopf vorbei. Verblieb dort für einige Augenblicke, noch bis über unsere ersten Schritte hinaus. „Aber das hat Zeit. Sonst hätte man mich zu einer Transporterplattform beordert.“ Mein Tonfall war alles, nur nicht tadelnd- nahm eher Tempo und Steifheit aus dem Takt unseres Wortwechsels. Meinem vorherigen Wink entsprechend setzte sie sich präzise zeitgleich mit mir in Bewegung, musste aber schon ihren zweiten Schritt ein wenig bremsen, als sie merkte dass ich keineswegs ein Marschtempo anschlug.

„Wie läuft deine Ausbildung? Nach allem, was man so hört, hattet ihr einen aufregenden Jungfernflug.“





Maßlos irritiert ging ich neben dem Captain her. Er hatte recht – seine Ankunft auf der Erde schien keineswegs Eile zu haben. Doch die kaum spürbare Berührung, der milde Ton, dieser Blick und vorallem die Anrede brachten mich völlig aus dem Konzept. Die Frage wie ich mich verhalten sollte lag zentnerschwer auf meinen Schultern. Du? Hier? So? Jetzt? Warum? Hätten wir nicht einfach beim Protokoll bleiben können? Dann hätte ich gewusst, was ich zu tun habe. So…nicht.

„Danke.“, ich versuchte meinen Blick irgendwo unterzubringen, wo er möglichst keinen Schaden anrichten würde. „Ich glaube die Dozenten sind zufrieden mit mir.“, den Jungfernflug ließ ich mal außen vor. Ich wusste nicht, wieviel er von den Ereignissen wusste und wie er darauf reagieren würde und – ich hatte ihn schon wieder abgehängt.

Gewaltsam riss ich mich in den Hangar zurück, blieb einen kurzen Moment stehe, bis Thorn wieder aufgeschlossen hatte, glich mich seinem Tempo an.
„Soviel ich weiß hatten Sie auch interessante Missionen, Sir.“, das Sir war rausgerutscht. Mittlerweile wohl aus Gewohnheit und doch sah ich ihn an, eine Reaktion erwartend, die mir sagte ob das nun falsch gewesen war. Plötzlich wünschte ich es wäre alles anders. Er nicht er, ich nicht ich, wir nicht hier und schon gar nicht dorthin unterwegs, weil ein dorthin immer das Ende einer Reise und damit eines Zusammenseins bedeutete.

Mein Versuch meine Unsicherheit zu überspielen, in dem ich lächelte ging wohl schief.




Ich lächelte zurück und senkte meine Augenbraue, ehe mein Blick wieder auf das Shuttle fiel, welches wir gleich erreicht haben würden. Es war weder sonderlich verwunderlich noch irgendwie verstimmend- Ein wenig tat es mir jetzt schon leid, sie durch dieses nahtlose Anknüpfen an unseren letzten Kontakt überfordert zu haben. Ich hätte mir vielleicht nicht einbilden sollen, das einige wenige Momente spontaner Herzlichkeit in der Vergangenheit Monate der Teilnahme an einer gemeinsamen militärischen Hierarchie überdecken würden, was den hinterlassenen Gesamteindruck anging. Das Los der subjektiven Wahrnehmung.

„In der Tat. Wir leben in interessanten Zeiten, nicht wahr?“ Ein wenig war dabei natürlich das Schlüsselwort. Ich war mir sicher, dass sie es im Nachhinein zu schätzen wissen würde, wo ich angeknüpft hatte. Oder zumindest, dass ich das geringere Übel gewählt hatte. Bis dahin beschloss ich, ihr weitestgehend entgegenzukommen, ehe die Empfindung der Verlegenheit den Rest verschwimmen lassen würde. „Es ist jedenfalls schön zu hören, dass ihr die Möglichkeit habt, euch über das interstellare Geschehen auf dem Laufenden zu halten. Alles andere wäre zutiefst fahrlässig.“, bemerkte ich bedeutungsvoll.
Weder mein Tonfall noch mein Ausdruck veränderten sich dabei, auch wenn ich als Zugeständnis an ihre Verschrecktheit bewusst ihrem sehr allgemeinen Themenvorschlag folgte, während ich gleichbleibend ohne Eile auf dem Co-Pilotensitz Platz nahm, und sie den Startvorbereitungen überließ.




Dass meine Erfahrung im Shuttleflug sich auf dutzende Simulationen und nur wenige, tatsächliche Flüge reduzieren lassen konnte, rächte sich nun. Meine Bewegungen waren einfach nicht routiniert genug, der Ablauf hatte sich nicht tief genug in mein Hirn eingebrannt und nun sah Thorn auch noch zu. Ich musste das gut hinbekommen.
„Flugkontrolle, Shuttle 31-8, Beatle, erbitten Startfreigabe.“
„Shuttle 31-8, Startfreigabe erfolgt, begeben Sie sich zu Luftschleuse sieben.“
„Verstanden Flugkontrolle, Luftschleuse sieben.“, kurz sah ich zu Thorn hinüber, blinzelte und lächelte, es hatte alles geklappt bisher. Vorsichtig manövrierte ich das kleine Typ neun Shuttle zur Luftschleuse, während die Beleuchtung uns darauf vorbereitete, dass wir außerhalb der Kammer keine Atmosphäre mehr hatten.

In meinem Kopf formte sich eine Erkenntnis während wir darauf warteten, dass die Flugkontrolle uns die letzte Freigabe erteilte. Thorns Tonfall, seine Wortwahl, das Thema – nichts deutete darauf hin, dass er sich mir gegenüber verhielt, wie er es getan hatte, als er mein Vorgesetzter war. Nun, hier und jetzt, war er ein Captain und ich ein Kadett. Was zuletzt auf dem Campus geschehen war hätte ich niemals als Basis unserer Kommunikation und unseres Umganges miteinander definiert. Doch schien er die professionelle Distanz ebenfalls vermeiden zu wollen. Ich sollte mich trauen. Mich trauen darauf einzugehen. Er hatte es vorgemacht. Ich durfte also und ich würde es mir nie verzeihen, wenn ich die kommende Stunde damit verbringen würde Unverfängliches zu erzwingen.

„Ich habe den Bericht sehr aufmerksam gelesen.“, gestand ich daher, vielleicht etwas ohne Kontext und sah wieder zu ihm rüber. Mein Gefühl, dass dieser Bericht auch ein Stückweit für mich geschrieben war, ließ ich erstmal unerwähnt. „Es klang alles sehr aufregend.“



„Das ist schön zu hören, Yu’She.“ Meinen begleitenden Blick lediglich als wissend zu deklarieren wurde dem Ausdruck darin fast nicht gerecht.

Ich vermied es noch einen langen Augenblick über, sie abzulenken, ehe sie die sich öffnenden Schleusentore passiert hatte, hinter denen weißgeflecktes Blau den schmalen Sichtschirm des Shuttles ausfüllte. Dann erst setzte ich zu einer Antwort an, während ich mich ein wenig mehr in dem ungewohnten Sitz zurücklehnte, einen ihrer Seitenblicke schließlich erwiderte.

„Wenn ich an meinen Aufenthalt auf der Akademie zurückdenke, würde ich nun normalerweise sagen, dass so ziemlich alle Berichte von den Grenzen der Föderation aufregend klingen- Solange man in ihrem Zentrum festsitzt.“ Wieder zuckte mein Mundwinkel. „Aber daran scheint sich inzwischen einiges geändert zu haben.“ Meine Rückkehr zum Thema begleitete ein bestätigendes Nicken, während sich mein Blick wieder auf die langsam rotierende Aussicht vor uns richtete. „Ja, es war… eine Herausforderung. Auch wenn ich dafür keine so blumigen Worte finde wie unsere Wissenschaftler.“ Wie unbefriedigend die Gesamterfahrung für mich persönlich gewesen war, nachdem wir unsere Arbeit vor Ort nicht vollenden hatten können, ließ ich an dieser Stelle aus.

Ich streckte meinen Nacken durch, während die unauffällig abgenommenen Rangpins kommentarlos in der Hosentasche meiner Uniform verschwanden, gerade als sie das Shuttle in die Warteschleife für die prognostizierte, zivile Anflugroute brachte.

Eine Dreiviertelstunde Urlaub eben.





Sobald der Kurs eingegeben war und das Shuttle die Runde um die Base vollendet hatte, war für mich nicht mehr viel zu tun. Dennoch löste ich mich nicht aus der Haltung, die andeutete, dass ich jederzeit damit rechnete es könnte etwas zu tun geben. Ich sollte, doch ich konnte nicht. Wieder wusste ich, was ich tat, so lang ich so tat als täte ich etwas.

Bewusst atmete ich aus und lehnte mich zurück. Warum war das so schwer? Wieder sah ich kurz zu ihm rüber. Ich musste die Chance ergreifen und normal mit ihm reden. Die kommende Flugzeit würde sich demnächst nicht wiederholen.

„Ich hatte noch gar keine Gelegenheit den Status Quo der Akademie zu erfahren. Als wir zurück gekommen sind, habe ich meinen Bericht verfasst und direkt im Anschluss gingen die Vorlesungen wieder los.“, gestand ich, wissentlich das Thema des Jungfernfluges wieder aufgreifend. Selbst wenn er mein Verhalten, sollte es ihm bekannt sein oder er es nun von mir erfahren, nicht billigen, war das besser als schweigend neben ihm zu sitzen.

Darauf hoffend, dass er bereits wusste, was vorgefallen war und mich nicht tadeln würde, holte ich meinen Zopf hervor, damit meine Finger eine neue Beschäftigung hatten.




„Da haben wir etwas gemeinsam.“, entgegnete ich geradezu sanft auf ihre Worte hin, im Bezug auf ihr Unwissen über den Status Quo- Und in meinem Fall noch einiges mehr. „Wir waren wochenlang von den meisten Nachrichtenkanälen abgeschnitten- in einem interstellaren Funkloch. Und nachdem wir wieder am Netz waren, gab es viel Wesentliches aufzuholen.“

Ich warf ihr einen ermutigenden Seitenblick zu. „Ich kenne also die mediale Berichterstattung.“ Und wie viel man darauf geben kann, wissen wir beide nur zu gut, Yu’She. Meine Lippen kräuselten sich für einen Augenblick spöttisch. „Und die bewegt sich zwischen zwei Versionen. Einer, die besagt dass es einen gescheiterten Anschlag auf die Shiva gab, der problemlos vereitelt wurde, wobei Details noch nicht herausgegeben werden weil die Ermittlungen noch laufen. Und einer, die wiederum von einem genialen Übernahmeversucht berichtet, der lediglich von einer Gruppe heldenhaft einfallsreicher und wachsamer Kadetten vereitelt wurde, während das Offizierskader mehr oder minder schlief.“

Mein amüsiert funkelnder Blick richtete sich wieder auf unseren Sichtschirm. „Wenn du mir also meine übrigen vierzig Minuten Urlaub versüßen möchtest, wäre ich zugegebener Maßen sehr neugierig auf einen Augenzeugenbericht.“





Nun konnte ich nicht anders, hob eine Schulter um das Grinsen zu verbergen, das sich in meine Züge stahl. Und doch wusste ich nicht, wo ich anfangen sollte. Oder was ich überhaupt sagen sollte. Mein Bericht enthielt lediglich, wie wir drauf gekommen waren, dass wir allein auf der Shiva waren.
„Soweit ich das beurteilen kann war das Programm ziemlich ausgefuchst.“, versuchte ich es. Doch so ganz passte es nicht, denn ich wusste schon nicht mehr wie ich weiter sprechen sollte. „Es hat es erstaunlich lange geschafft uns zu täuschen. Dass beinahe sämtliche Offiziere durch Hologramme vertauscht worden waren haben wir die ganze Zeit nur schätzen können. Beweise gab es keine.“

Ich erzählte ihm von unserem Ausflug. Niemand hatte mir aufgetragen nichts zu sagen und selbst wenn hätte ich mich nicht darauf verlassen, dass ich es ihm nicht trotzdem erzählt hätte. Aufmerksam behielt ich ihn im Auge um zu erkennen, wenn ich ihn langweilte, doch eigentlich glaubte ich nicht daran, dass ich es erkennen würde.

„Und du hast dich beamen lassen?“, egal welchen Blick er aufgesetzt hatte, ich wollte es gar nicht sehen und mied den Augenkontakt.
„Ich konnte am wenigsten tun. Wenn unsere Theorie falsch gewesen wäre, hätte ich dennoch nichts zur Verbesserung unserer Lage beitragen können.“, obwohl mir Doktor Jengs schon gesagt hatte, dass ich mich korrekt verhalten hatte, klangen meine Worte entschuldigend mit einer Spur Verzweiflung darin, weil mir noch immer kein anderer Lösungsweg eingefallen war.




Ich musterte sie als Reaktion auf den Tonfall ihrer Worte einen Moment lang aus dem Augenwinkel. Diese fast schon resigniert unsichere Note darin war einfach zu schwer zu überhören gewesen, und gehörte vor allem zu den Dingen, welche mich an diesem Thema eigentlich interessierten. Für die trockenen Fakten gab es umfassendere Quellen. Nicht jedoch für einen Einblick in das Innenleben von Cadet Yu’She.

„Deiner Wortwahl zufolge das einzig richtige.“ Normalerweise hatte ich eher die Angewohnheit, Fragen zu formulieren, die wie nüchterne Feststellungen klangen. Hier kam auf einmal eine fragend scheinende Feststellung daher.





Unsicher sah ich nun doch zu ihm rüber. Warum fragte er das so aussagend? Wollte er, dass ich darüber nachdachte? Würde er das nicht anders angehen? War er sich - diesen Gedanken formulierte ich nicht einmal zu ende. Natürlich war er sich sicher.
„Welche Wortwahl würde es denn falsch erscheinen lassen?“, fragte ich vorsichtig und machte mich darauf gefasst, dass er eine Wortwahl aus dem Ärmel schüttelte, die die Gesamtsituation an Bord besser zusammenfasste als es mein ellenlanger Bericht getan hatte.



„Ich wollte darauf hinaus, dass du deine Worte wählst, als wäre es der einzig richtige Schluss. Dein Ton jedoch verrät, dass du noch immer deine Zweifel hast, und es wieder und wieder hinterfragst.“ Der Blick, den ich ihr im Folgenden zuwarf, sagte im wesentlichen nichts anderes als ‘Habe ich Recht?‘ aus.




Ich senkte den Blick, presste die Lippe aufeinander. Die Gedanken, die dahinter standen machten mir mehr Sorgen, als die Frage an sich. Thorns Blick ruhte noch immer auf mir, ich konnte es spüren, also hob ich den meinen und holte tief Luft.
„Ich weiß nicht genau ob ich mich besser fühlen würde, wenn ich eine Alternative gefunden hätte.“, für die wenigen Worte war das viel zu viel Luft gewesen. Vorsichtig musterte ich ihn, wollte sehen, ob er ahnte, worauf ich hinaus wollte und hoffte, dass ich es nicht aussprechen musste.



„Wäre es wirklich wichtig? Du hast die Situation als es soweit war logisch eingeschätzt, das Risiko gegen deine Chancen abgewogen, gehandelt, und gewonnen.“ Ich musste ihren Blick in diesem Moment nicht erwidern, um der unaufdringlich ermutigenden Aussage Gewicht zu verleihen. „Natürlich ist es nie so leicht wie man es klingen lassen kann. Natürlich kannst du dein nagend kritisches Bauchgefühl nicht abstellen. Aber ich hoffe, es kommt bald zu dem Schluss, dass du in dem Moment in dem es darauf ankam eine gute Entscheidung getroffen hast. Und dir der Lauf der Dinge auch noch recht gegeben hat.“

Es war einmal mehr unendlich schwer, nicht ins dozieren abzudriften, und würde mir jemand an Ort und Stelle vorwerfen daran kläglich gescheitert zu sein, hätte ich ihm argumentativ nicht viel entgegenzusetzen.

„Und was kann man sich letztlich mehr wünschen? Höchstens, dass dein Verstand mit der Zeit Vertrauen gegenüber deinen Instinkten fasst.“




Thorn hatte Recht. Mit allem. Natürlich. Ich wusste auch gar nicht mehr, worum ich mir eigentlich Gedanken gemacht hatte, auch wenn er meine Bedenken nicht direkt ausgeräumt hatte. Alles was er sagte ergab Sinn. Lächeln sah ich ihn an, auch wenn ich mich fühlte wie eine Unbeteiligte.

Doch dann kam der Gedanke zurück: Es war eine dumme Idee gewesen. Mir hätte sonstwas passieren können und einzig die Tatsache, dass es nunmal die einzige Lösung gewesen war bot mir eine Möglichkeit mich zu verstecken. Hätte ich anders gehandelt, wenn wir eine andere Möglichkeit gehabt hätten? Was sagte das über mich, wenn ich im Grunde nicht bereit war solche Risiken einzugehen? Ich war bereit gewesen. Doch ich hielt es noch immer für eine dumme Idee. Dass mir jeder darin Recht gab, dass es richtig gewesen war, machte es nicht leichter. Durfte ich in solchen Momenten zweifeln?

Noch einmal musterte ich Thorn. Es erschien mir wie Jahre, seit er gegangen war. Damals war ich mit Ben über den Campus gegangen. Er hatte sich von seiner Mutter verabschiedet.
„Bens Mutter ist aus der Stasis geweckt worden und macht ihre Reha.“, erklärte ich ein wenig Geistesabwesend und wieder ohne viel Kontext.
„Das ist gut zu hören.“