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RubensWolf
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Di 4. Okt 2011, 19:35

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== Deck 07, vor dem Büro des Counselors ==

Ich sah kurz auf die chronographische Anzeige am Wandterminal neben der Tür, seufzte und sah an mir selbst hinunter. Es war mir nicht ganz klar, warum es mir wichtig war, einen anständigen Eindruck zu hinterlassen, der über bloße Dienstfähigkeit hinaus ging. Ich hatte mich zuvor noch kurz in meinem Quartier frisch gemacht, eine ordentliche Dusche samt Rasur genossen, und eine frische, replikatorneue Uniform angelegt. Gerade einmal die Pins an meinem Kragen trug ich nun schon länger, und die Stiefel, die ich an meinen Füßen sah. Die Schuhspitzen waren etwas staubig, und ich schnaufte kurz in Missmut auf, sah mich im nahen Korridor um. Es war niemand in der Nähe, und mir fiel in diesem Moment nichts besseres ein, als die unsauberen Schuhe an der Rückseite der tiefschwarzen Hosenbeine abzuwischen. Auch wenn mich das nun mit staubigen Unterschenkeln dastehen ließ, hoffte ich, einen besseren ersten Eindruck hinterlassen zu können. Ich rückte danach meine Uniformjacke zurecht, prüfte den Sitz des Kragens und der Ärmelenden, bevor ich noch ein letztes Mal tief durchatmete. Anspannung beseelte mich, ließ mich unruhig werden, und es war beinahe das selbe Gefühl wie damals bei den Prüfungen an der Universität. Ich schluckte trocken, versuchte mich zusammenzureißen, und betätigte den Summe der Tür.

Es dauerte nur einen Moment, bevor die grauen Flügel sich zischend öffneten, und der Weg für mich frei war. Von drinnen klang eine freundliche Frauenstimme mit den Worten "Treten Sie ein, Mr. Wolf!", und ich zögerte einen Augenblick. Ich konnte niemanden sehen, der mit mir gesprochen haben könnte, und trat dann dennoch in das kleine Büro ein, sah mich neugierig um. Links war ein kleiner Schreibtisch, mit einer Orchidee darauf, die an der Ecke stand und weiß blühte, während die Rückwand mit einem Regal verbaut war, in dem sich dutzende Kleinode zu einem Mosaik der persönlichen Einflüsse verbanden. Kurz schmunzelte ich, als sich dort in antiker Manier Diplome, Fotographien, und Souvenirs sah, die sich wie in einem bunten Gemälde abwechselten, bevor mein Blick nach rechts glitt, wo eine großzügige Couch von einem schlichten aber eleganten Glastisch und einem einzelnen, gleich bezogenen Stuhl begleitet wurde. Nachdem ich nun im Raum stand, konnte ich auch den Replikator sehen, der sich rechts neben dem Eingang an der Wand befand, und bemerkte die Tür am Ende des Raumes. Gerade eben war mein Blick dort angekommen, als sich die Tür öffnete, und mein Counselor heraus kam.

Ihr freundliches Lächeln war ausgesprochen gewinnend, als sie an mich herantrat, wir uns in etwa auf Augenhöhe begegneten. Die Frau vom Rang eines Lieutenants war etwas länger im Dienst, als man ihrem Rang ansah, machte aber einen freundlichen Eindruck. Sie kam näher auf mich zu, und obwohl ich sie durchaus auf ihre späten Dreißiger schätzte, schien sie um ihr Erscheinungsbild nicht unbemüht. Bis zu den Schultern hingen ihre dunkelblonden Locken, von denen sie sich eine beiläufig aus dem Gesicht und hinter ihr rechtes Ohr strich, an dem ein Ohrring mit einer Art blauem Stein hing, passend zum blauen Kragen ihrer Uniform. Sie war bis auf den letzten Schritt herangekommen, machte eine einladende Geste, und reichte mir dann die Hand, lächelnd, und stellte sich mir vor.





"Schön Sie zu sehen, Mister Wolf. Mein Name ist Gia Lohen, Sie können mich Gia nennen.",
lächelnd blickte ich den Wissenschaftler an, wartete seine Reaktion ab und als er
andeutungsweise nickte und ebenfalls ein kleines Lächeln aufsetzte löste ich meine Hand
aus seinem Griff, um den Schreibtisch umrunden zu können. "Bitte, setzen Sie sich.
Möchten Sie etwas trinken?", allein, dass der Gedanke an Nervosität meinen Geist streifte
ärgerte mich, denn soetwas durfte mir nach so langer Zeit nicht mehr passieren. Alle
Counslors der Britannia und viele andere Offiziere hatten Mister Rubens Wolf, den
Plasmaleitungsschreck unter genauer Beobachtung und meine Arbeit damit ebenfalls. Doch
wie er so vor mir saß, wirkte er wie ein Mensch, dem es wichtig war positiv wahrgenommen
zu werden.





Ich nickt sachte, folgte ihr zum Schreibtisch, und bedankte mich möglichst höflich: "Danke, Miss... Gia, ich möchte nichts." Ich nahm langsam vor ihr Platz, musste mich dabei etwas bücken um den Sessel zu mir zu ziehen, und straffte augenblicklich meine Uniformjacke, bevor ich die Ellenbogen auf den Lehnen absetzte, die Hände dabei vor mir verschränkend. "Danke Ihnen, dass Sie so kurzfristig einen Termin für mich frei machen konnten, Counselor. Sie wissen, es geht unter anderem um meine Diensttauglichkeit.", sagte ich mit einem leichten Lächeln, versuchte möglichst freundlich und ungezwungen zu wirken, ohne echte Ahnung, ob das auch nur annähernd funktionierte, während mein Herz das warme Blut in meinen Adern so stark durch den Körper pumpte, dass es in meinen Ohren rauschte.





Es geht um ein bisschen mehr als das. schoss es mir durch den Kopf und ich nickte
lächelnd.
"Machen Sie sich keine Gedanken, das hat sich alles wunderbar ergeben. Bevor wir anfangen
müssen wir allerdings noch ein wenig Papierkram miteinander bearbeiten, ja?"






Ich wunderte mich, ob sich meine leichte Irritation aus meinen Zügen lesen ließ, doch hatte ich kaum eine andere Wahl, als ihrer Bitte zu entsprechen. Ich musterte kurz die Züge diese Frau, die leichten Lachfalten in ihren Augenwinkeln, und um ihre Mundwinkel, die wohl ständig ein wenig nach einem Lächeln aussahen. "Natürlich, Ma'am. Wie kann ich Ihnen zu Diensten sein?"





Seine Worte und wie er sie sprach ließen mich eine gedankliche Notiz machen. Wenn ich
wollte, dass er sich entspannte, würde ich später die Rangzeichen abnehmen müssen.
Vorerst jedoch nickte ich dankbar und nahm das entsprechende PADD zur Hand.
"Hier steht Sie haben nach Ihrer Amputation die Empfehlung zu Sitzungen mit einem
Counselor erhalten, sie aber nie wahrgenommen. Ist das korrekt?"






Es rang mir ein Schlucken ab, das zu hören, doch entsprach es wohl der Wahrheit. Genau genommen lag mir wenig daran, ständig zum Psychologen zu müssen, schließlich sprach sich wohl auch das auf einem Schiff herum, und es gab genug Leute, die einem das als Schwäche zurechnen würden. Ich nickte knapp und antwortete: "Ja Ma'am, diese Anweisung wurde ausgesprochen. Allerdings, wie Sie sicher wissen, gab es viel zu tun in letzter Zeit." Ich versuchte ein knappes, aber nicht zu selbstgefälliges Lächeln zum Besten zu geben, und konnte nur hoffen, dass die Ausrede ihre Wirkung zeigte.





Grinsend und mit einer angehobenen Augenbraue sah ich Rubens über den Rand des PADDs
hinweg an.
"Aber natürlich.", straften meine Worte jene Geste Lügen. "Hat Counselor Mannings Sie
kontaktiert?"






Unweigerlich kratzte ich mich kurz am Nacken, und gerade als ich ansetzte ihr zu antworten, stockte ich kurz. Mir fiel die ungünstige Qualität der Geste erst auf, als es schon passiert war, und antwortete nach kurzem Schweigen: "Ich fürchte, ich habe meine Nachrichten in letzter Zeit nicht regelmäßig gelesen. Ich kann es Ihnen nicht sagen, Lieutenant. Tut mir Leid..." Ein verlegenes Lächeln begleitete meine Worte, bevor ich mich kurz räusperte, und schon wieder meinte, meine Uniformjacke straffen zu müssen.





Mit beiläufigen Fingerbewegungen gab ich das in das Formular ein und nickte lächelnd.
"Keine Sorge, Mister Wolf. Das ist nichts Neues.", die restlichen Angaben konnte ich mir
aus dem Computer ziehen, daher legte ich das PADD weg und sah Rubens aufmerksam an. Er
verfolgte meine Bewegungen und ich war gespannt wie er darauf reagieren würde. "Wenn Sie
soweit sind, können wir beginnen.", lächelte ich und als er erneut schüchtern nickte,
nahm ich die Pins von meinem Kragen ab und legte sie auf den Schreibtisch, kurz bevor ich
mich erhob.






Meine Augenbraue wanderte wie aus eigenem Antrieb nach oben, und ich blickte mit einer Mischung aus Skepsis, Überraschung, und Verunsicherung zu den Pins auf dem Tisch, sah dann zu der Therapeutin hin, und tat es mir gleich, erhob mich langsam. Erst nach der ersten Schrecksekunde war mir klar, dass wir uns nun zu den Sitzgelegenheiten begeben würden, und ich machte mich auf, den mir zugestandenen Platz einzunehmen. Und hoffte, dass sie sich nicht eben einen Phaser repliziert und mich verdampft, oder mich zu einem Faustkampf herausfordert, außerhalb der Rangordnung.





Mit einer Mischung aus persönlichem Amüsement und professionellem Interesse beobachtete ich Rubens, ohne ihn dabei anzustarren. "Ist Ihnen die Couch recht?"





Ein leichtes Lächeln schlich mir über die Lippen, als ich mir bewusst wurde, dass sie mit viel Erfahrung und Professionalität daran heran ging, mir zu sagen, wo ich mich hinsetzen sollte. Ich antwortete erst garnicht und nahm einfach Platz, kurz bemerkend, wie bequem dieses Polstermöbel war. Ich atmete tief durch, legte mein linkes Bein auf das rechte Knie, und sah sie an, schluckte leicht, und fragte: "Und nun? Ich muss gestehen, Miss... Gia, ich weiß nicht genau, was sie nun von mir erwarten."





"Ich erwarte in erster Linie, dass Sie sich entspannen, Rubens. Ist es in Ordnung, wenn
ich Sie Rubens nenne?", noch bevor er herein gekommen war, hatte ich den akustischen
Mitschnitt dieses Büros aktiviert, sodass ich nun kein PADD brauchte. Das würde ich zwar
auch ohne den Mitschnitt nicht, doch sicher war sicher.







"Natürlich, Ma'am. Entspannen, nun ja. Ich tue mein Bestes... vielleicht wäre ein Kaffee ganz angenehm.", sagte ich grinsend zu ihr, während ich mich in die Rückenlehne der Couch sinken ließ. Doch ich ließ es bald wieder, mich allzu sehr gehen zu lassen, um nicht herablassend zu wirken, und nickte dankend, als sie mir die Tasse aus dem Replikator reichte. Ich löste langsam einen der beiden Zuckerwürfel auf, der mitmaterialisiert wurde, und sah dann zu der Counselor hin.





Das schien schwieriger zu werden als angenommen. Worüber machte sich dieser
verhältnismäßig junge Mensch so viele Gedanken, dass er es nicht hinbekam sich zu
entspannen? Vielleicht darüber, dass er beinahe das halbe Schiff zerstört hätte.
"Sie sind immer noch zu verkrampft.", sagte ich lächelnd und legte den Kopf zur Seite.
"Würde es Ihnen helfen, wenn ich das Licht dimme und beruhigende Musik auflege?", mein
Tonfall war so hoffnungslos überzogen, dass ich mir sicher sein konnte, dass er den Witz
verstand.






Der kaum ernst gemeinte Kommentar rang mir ein Lächeln ab, als ich in meinem Heißgetränk umrührte und knapp den Kopf schüttelte: "Danke Nein, Counselor. Ich denke, wir sollten einfach reden... vielleicht bin ich ja ständig... verkrampft." Ich nahm den ersten Schluck des Kaffees und versuchte, sie danach wieder freundlich anzusehen, bevor ich fragte: "Schließlich gibt es sicher eine Fragen, die Sie mir stellen wollen, habe ich Recht?





Nickend lächelte ich.
"Das ist wahr. Ich habe sogar eine ganze Menge fragen. Zum Beispiel zu dem, was Sie eben
sagten. Sie sind die ganze Zeit verkrampft? Wie kommen Sie darauf?"





Und da hatte sie mich schon gefangen, und ich war in Erklärungsnot. Sollte man ausweichen, es vermeiden, oder direkt darauf antworten? "Nunja Ma'am... wir sind wohl alle etwas angespannt im Moment. Immerhin sind wir im Delta-Quadranten, und allerhand komische Dinge passieren. Aber ja, vielleicht liegts daran... ab und an hab ich das Gefühl, es fällt mir schwer, Anschluss zu finden." Ich fragte mich einen Moment, ob ich zu tief aus dem Nähkästchen geplaudert hatte. Doch das gesprochene Wort kann man nicht zurücknehmen...





"Sie sind erst seit wenigen Monaten Mitglied der Besatzung, nicht?", er nickte und was
eigentlich nicht bestätigt werden musste, bekam seine Bestätigung. Schließlich stand das
alles in seiner Akte, die ich auswendig kannte. "Haben Sie denn schon jemanden kennen
gelernt, den Sie als Freund bezeichnen würden?"






Ein kurzes, verzogenes Grinsen wäre wohl mehr als genug Antwort gewesen, doch ich fügte noch hinzu: "Ich bin zwar schon mit dem Captain am Tisch gesessen, aber das macht einen doch nicht zwangsweise zum Mittelpunkt des Geschehens. Nein, bislang... habe ich keine ausführlichen Kontakte zu anderen Crewmitgliedern geschlossen."





Die Erwähnung des Captains war auffällig. Der junge Freund war also jemand, der sich nach
oben orientierte. Das deutete einerseits Loyalität, andererseits leichte
Manipulierbarkeit durch Autoritätspersonen an. Ich machte mir erneut einen gedanklichen
Vermerk.
"Warum nicht?"






Es war mir nicht anders möglich, als die Schultern zu heben, und kurz zu schnaufen. "Ich weiß nicht. Ich denke ich hatte viel zu tun. Und ich bin nicht besonders gut mit Leuten." Ich sah mich kurz im Raum um, als würde ich nach einer besseren Antwort suchen, die sich da aber nicht finden ließ. "Ist nicht immer einfach, einfach so in eine große, fremde Gruppe zu geraten."





In meinem Kopf formte sich allmählich das Bild eines zuverlässigen, loyalen,
introvertierten, im Grunde sogar schüchternen jungen Mannes, der mit einem Trauma alleine
dagestanden hatte.
"Welche Versuche haben Sie unternommen um jemanden kennen zu lernen?"






Es hatte also nicht lange gedauert, bis das Gespräch mir unangenehm wurde. Ich hatte bereits das Gefühl, ich müsste mich verteidigen, war in Erklärungsnot um zu vermitteln, zu erklären, warum die Dinge so sind, wie sie sind. Dabei wusste ich es selbst nicht. "Ich schätze mal man könnte sagen, gar keine? Ich arbeite in der Gamma-Schicht, und mehr als gelegentlich das Casino zu besuchen, ist mir bisher nicht eingefallen. Der Einstand in der Abteilung war auch nicht gerade rosig, und Sie können sich denken, wer mit dem Kerl befreundet sein will, der eben mal den Haupt-EPS-Verteiler öffnet."





"Sicherlich.", grinste ich und forderte Rubens' Blick ein. "Zum Beispiel der Kerl, der im
Casino ausgetickt ist, weil jemand etwas über seinen Vater gesagt hat. Oder auch die Dame
aus der Wissenschaft, die eine komplette Versuchsreihe durch die Luftschleuse befördert
hat, weil sie der Überzeugung war, dass sie hochansteckende Viren enthielten, die uns
alle in Zombies verwandeln.", ich grinste noch immer, doch Rubens ließ die Schultern
hängen. "Warum haben Sie den Hauptverteiler geöffnet Rubens?", fragte ich dann ruhig und
direkt heraus. Mich interessierte der Grund nicht, sondern wie er damit umging und wie es
ihm dabei gegangen war. Ich wollte ihn nicht in die Ecke drängen, doch immer wieder
meinte ich Trotz aus seinen Augen aufflackern zu sehen.






Schon wieder schnaufte ich, eigentlich eine verächtliche Geste, während sich meine Linke wie von selbst zu einer Faust ballte. "Nun, wie Sie sicherlich bereits wissen, Lieutenant, war ich zu diesem Zeitpunkt nicht ganz Herr meiner Sinne. Warum ich ihn geöffnet habe, kann ich nur vermuten, versuchen es zu rekonstruieren. Ich denke mal, ich wollte mich meiner Prothese entledigen." Es war am ehesten an der Wahrheit dran, die ich selbst nicht kannte.





Sollte ich seine erneute Nennung meines Rangs nun als Zeichen werten, dass er die verbale
Nähe nicht mochte oder dass er zusehends unsicher und aggressiv wurde? In beiden Fällen
würde ich nicht davon abweichen ihn beim Vornamen zu nennen.
"Beschreiben Sie es mir, Rubens. Was ist in Ihnen vorgegangen? Was haben sie gedacht und
empfunden?"






Was hatte ich empfunden, in diesem Moment? Es war schwer, sich zu erinnern, und ich sah hinunter, sah auf die Prothese im schwarzen Handschuh, und dann zu der Frau hin, die mir geduldig gegenüber saß, professionell freundlich aber bestimmt in ihren Fragen. "Ich vermute, ich hätte Erleichterung empfunden, wenn ich Erfolg gehabt hätte. Gedacht hab ich da nicht viel... ich vermute im Nachhinein, ich wollte meine künstliche Hand los werden."





Er wiederholte sich, doch ich glaubte nicht, dass er sich so gar nicht daran erinnerte.
"Was ist das letzte, vor diesem Vorfall, woran Sie sich bewusst erinnern?"






Kurz überlegte ich, runzelte die Stirn, sah durch den Glastisch hinunter auf den Teppichboden, ließ den Blick schweifen, und kam bei den übereinander geschlagenen Beinen der Therapeutin an. Schnell hob ich den Blick und sah sie direkt an, erklärte: "Ich denke ich war gerade in der Astrometrie, war mit der Arbeit beschäftigt... ich machte eine kurze Pause, trank einen Schluck Kaffee, und ich glaube ich... sah auf meine Hand." Ich sah wieder hinunter, musterte die Hand im schwarzen Handschuh, versuchte mich zu erinnern.





"Was empfanden Sie, als Sie Ihre Prothese gesehen haben?"





"Ich.... weiß es nicht mehr. Was ich mir jetzt dabei denke? Verdammt, wie konnte das nur passieren.", sagte ich, bevor ich etwas schmunzelte, und dann seufzend den Kopf schüttelte. Es war mir bereits klar, dass ich mit meiner künstlichen Hand kaum Freundschaft geschlossen hatte, und gerade hatte ich nicht das Gefühl, sehr viel an diesem Gespräch zu gewinnen, doch schließlich ging es um meine Dienstfähigkeit, damit ich endlich wieder etwas zu tun hatte.





Noch immer wich er meinen fragen aus und allmählich gingen mir die Umformulierungen aus,
um eigentlich nur auf eine Frage eine Antwort zu bekommen. Doch ich rührte mich nicht,
mein Lächeln blieb.
"Sie beziehen Sich immer wieder nur auf das Geschehen Rubens. Setzen Sie sich damit
auseinander, was dazu geführt hat. Was empfanden Sie, als Sie Ihre Hand betrachtet haben.
Sehen Sie sie jetzt an. Ist das Gefühl ähnlich? Ist es vielleicht sogar das gleiche? Oder
ist es ein völlig anderes?"






Ich seufzte schwer, fühlte mich in die Ecke getrieben. Was sollte ich ihr sagen? Dass ich immer noch Lust hätte, dieses Ding loszuwerden, wenn ich meine echte Hand bekommen könnte? "Es wäre mir lieber, das wäre niemals passiert. Ich bereue den Verlust meiner linken Hand. Sie können sich denken, dass ich eine gewisse... Abneigung empfinde gegen dieses kybernetische Ding an dem Stumpf, der früher mein Arm war." Vielleicht ließ sie ja ab, wenn man ihr mit deutlicheren, bezeichnenderen Worten erklärte, was ich meinte.





Eine gewisse Abneigung. Das reichte mir nicht. Ich wollte wissen, wie er sich und
seine Hand in all ihrer Ablehnungswürdigkeit sah.
"Werden Sie präziser. Warum empfinden Sie eine gewisse Abneigung?"






"Weil das nicht meine Hand ist. Man wird geboren mit zwei Händen, die wachsen mit einem. Das ist mehr als das nachahmen von Fingerabdrücken in künstlicher Haut, das ist mehr als das anschließen von Mikro-Servomotorik an abgetrennten Nervenende. Und so eine Roboterhand habe ich nur, weil sie einem von der Flotte gegeben wird. Aber wäre ich nicht hier.... hätte ich meine Hand vielleicht noch." Bei den Worten sah ich sie ernst an, auch wenn man nie genau wissen konnte, was gewesen wäre. Doch die Wahrscheinlichkeiten wären ganz andere.





Ich spürte Wut in ihm, spürte Verzweiflung und meine Erfahrung sagte mir, dass er sie
ausleben musste, bevor ich ihn wieder als diensttauglich erklären konnte.
"Wäre es Ihnen lieber keine Hand zu haben?"





"Nein, natürlich nicht... ", sagte ich, bevor ich seufzen musste, meine Schultern nach unten gingen. Was war das denn für eine Frage? "Mir ist klar, ich bin mit diesem Ding wohl für den Rest meines Lebens gestraft... trotzdem wünschte ich mir, das wäre nie passiert."





"Wie genau ist es denn passiert?", ich wurde das Gefühl nicht los, dass diese Wut
irgendwo wurzelte. Bereute er die Handlung, bei der er seine Hand verloren hatte? Glaubte
er seine damalige Besatzung sei es nicht wert gewesen? Oder die Sternenflotte sei es
nicht wert?






"Tja, lange Rede, kurzer Sinn. Ich war leitender Wissenschaftler auf der Phoenix, und habe auf eigene Verantwortung zu viel Energie ins Sensorgitter geleitet. Das hat das EPS-Netz überlastet, ein Mikroleck entstand und eine kleinflächige Plasma-Eruption verdampfte mir die Hand vom Rest des Körpers." Ich machte eine seltsame, ungelenke Geste, mit der ich versuchte, so etwas wie eine Explosion darzustellen, winkte dann aber ab. Es wäre lächerlich gewesen, es noch weiter zu versuchen.






"Warum haben Sie zu viel Plasma ins EPS-Gitter geleitet?", die Detailarmut machte es mir
schwer, er formulierte wie ein geübter Wissenschaftler.






Kurz hob sich meine Augenbraue, bevor ich die Arme verschränkte, und fragte: "Gilt auch hier so etwas wie eine Schweigepflicht, Lieutenant? Oder soll ich den Bericht gleicht selbst weiterleiten?"





"Ich habe eine Schweigepflicht Ihnen gegenüber Rubens. Sie sind mir gegenüber von allen
Schweigepflichten befreit. Nur Sie allein bestimmen, was Sie mir erzählen und was
nicht.", die Antwort kam einen Ticken zu schnell für das geübte Ohr, denn sie war Routine
und er war nicht der erste, der mir von einer Mission erzählte, die im Nachhinein als
geheim deklariert wurde. "Erzählen Sie. Wie kam es dazu?"






"Nun....", begann ich seufzend, bevor ich mich zurücklehnte und sie kurz anblinzelte, bevor ich fortfuhr: "Wir transportierten diplomatische Güter. Und weil unser Sicherheitschef mich darauf ansprach, versuchte ich, während einer zufällig koordinierten Systemdiagnose, mit mehr Energie als üblich, durch die sensordämpfenden Container zu gelangen. Wir wollten wissen, was wir durch die halbe Galaxis fliegen."





Ich zog die Augenbrauen zusammen und schürzte die Lippen. Diplomatische Güter, was
sollte man sich denn darunter vorstellen. Eine zufällig koordinierte
Systemdiagnose
, noch so eine Formulierung. War sie nun zufällig oder war sie
koordiniert?
"Wurde Ihre Neugier befriedigt?", normaler Weise vermied ich es ja-nein-Fragen zu
stellen, doch das war der Kern der Sache. Wenn Rubens glaubte der Einsatz sei den Preis
nicht wert gewesen, würde die Genesung, die er vor sich hatte umso länger dauern.






Ich verzog das Gesicht zu einem schiefen Grinsen, lehnte mich zurück, und nahm einen Schluck von meinem Kaffee. "Wissen Sie, Miss Gia, ich weiß es nicht. Weder hab ich erfahren, was wir transportierten, noch hat es mir jemand danach erzählt." Was für eine Verschwendung, dachte ich mir, als ich die Tasse mit der linken Hand hob, dabei mehr auf den schwarzen Handschuh als auf das Heißgetränk achtend.





Wieder machte ich mir eine gedankliche Notiz. Wie sollte er mit dem Verlust seiner Hand
klarkommen, wenn es offensichtlich keinen Grund gab, aus dem er seine echte verloren
hatte? Ich würde mit seiner Einheit Kontakt aufnehmen müssen und mich erkundigen.
"Wie ist der Rest der Mission verlaufen?"






"Wie schon gesagt... ich weiß es nicht. Ich hatte einen sonderbar komplizierten Schock, wohl auf subzellularer Ebene, und kam erst wieder auf der Erde zu mir, in einer Rehabilitationseinrichtung.", antwortete ich ihr, wieder von meinem Milchkaffee nippend. Ja, langsam schien sie ihren Job zu erledigen, hatte sich eingestimmt, und führte mich womöglich mit meinen eigenen Antworten zu... Lösungen?
"Ich weiß nicht, was passiert ist. Ich war in der Reha, und wurde der Britannia zugeteilt. Der Rest steht in den aktuellen Missionslogbüchern, befürchte ich."





Ich lächelte, schüttelte aber geringfügig den Kopf.
"So etwas steht nicht in Logbüchern, Rubens. Hatten Sie Kontakt zu einem Ihrer Kameraden,
seit Sie hier sind? Zwischen den Zeilen Ihrer Personalakte kann man lesen, dass Sie auf
der Phoenix liiert waren."






Was sollte ich darauf sagen? Treffer, versenkt? Sollte ich in Tränen ausbrechen, oder vor Zorn die Tasse an die Wand werfen? Sollte ich über den Tisch springen und diese Dame windelweichprügeln mit einer metallenen Faust als Waffe, bis sich mir die künstliche Haut von den falschen Knochen schält? Ich wusste nicht mal, wie ich sie nach so einer Frage ansehen sollte, die ich getrost beiseiteschob.
"Nein, ich hatte keinen Kontakt. Und niemand hat mich kontaktiert."





Innerlich verzog ich das Gesicht - diese Frage saß offensichtlich. Und es tat mir beinahe
Leid, dass ich weiter machen musste. Aber nur innerlich.
"Sie scheinen wütend darüber zu sein. Warum? Hätten Sie erwartet, dass sich jemand bei
Ihnen meldet, Rubens?"






"Eine Vulkanierin hätte mir diese Frage nicht gestellt. Ich denke es gilt als Zeichen des guten Willens, sich nach dem Partner zu erkundigen. Besonders, wenn der als Notfalltransport auf die Erde geschickt wird, weil er seine Hand verloren hat. Oder halten Sie diesen Gedanken für nicht nachvollziehbar, Ma'am?" Oh ja, ich wurde patzig, versuchte mich dabei aber noch möglichst höflich und sachlich auszudrücken. Als könnte ich damit eine erfahrene Therapeutin täuschen...





"Was ich für nachvollziehbar halte oder nicht spielt keine Rolle, Rubens.", ich sah ihn
weiter an und unterließ das Lächeln, auch wenn es meiner Stimmung noch immer gerecht
würde. Doch es wirkte beschwichtigend und das wollte ich gerade nicht. Ich wollte ihn
nicht beschwichtigen.
"Erzählen Sie mir von Ihrer Beziehung.", forderte ich ihn auf und hoffte, dass er mir
diesmal mehr als nur einen Satz liefern würde.






"Drama. Das fällt mir als Erstes dazu ein. Sie war zwar älter als ich, eine Kollegin aus der Abteilung, aber es gab unzählige Verwicklungen... ihre Mutter dachte, sie wäre tot, kam dann durch Zufall auf die Phoenix, meine Freundin erfuhr, dass ihr Vater sie jahrelang beschattete, und noch dazu ein rechtes Ekel ist. Es ging mehr um diese Dinge als um... naja alles andere.", holte ich aus, seufzte, und sah in die leere Tasse, als ich mich bedienen wollte. Ich stellte sie missmutig ab, ließ mich wieder in die Polsterung der Lehne sinken.





Ohne zu fragen nahm ich seine Tasse, erhob mich und begab mich zum Replikator, um sie
erneut zu füllen. "Ist es denn schade um die Beziehung?", fragte ich von drüben, ließ ihn
dabei nicht von den Augen, sondern stand mit der Hüfte an die Wand gelehnt neben dem
Replikator.






"Es ist anders, wenn man jemanden treffen kann, nachdem man einen harten Tag hatte. Oder wenn jemand so tut, als würde es ihn interessieren, ob man gerade ein paar harte Wochen hinter sich hat. Und es hat auch andere Vorteile.", kommentierte ich, ungeduldig darauf wartend, dass der Replikator seinen Dienst vollendete.





Mit der dampfenden Tasse in der Hand kehrte ich zu meinem Stuhl zurück und legte die
Beine übereinander.
"Wie Sie das beschreiben klingt das sehr nüchtern. War sie das denn? Die Beziehung?"






"Danke, sehr zuvorkommend", entgegnete ich ihr zuerst, nickte dabei höflich, und bereitete mir den Kaffee so auf, dass er mir munden würde. "Nun, nicht nüchtern, das wäre komplett fehlgegriffen. Aber... rastlos. Als würde eine Anweisung nach der anderen eintrudeln, fünf Minuten vor Schichtende."





"Sie haben sich unter Druck gesetzt gefühlt?"





"Nein. Nur ständig am Arbeiten ohne dafür etwas zu bekommen.", antwortete ich ihr. Doch sofort danach wusste ich, so sollte ich es nicht stehen lassen, und fügte hinzu: "Nicht, dass ich ausgenutzt wurde. Aber ich hatte das Gefühl, in dem ganzen Zirkus nur Statist zu sein, als dass ich die Beziehung zu meiner Freundin hätte genießen können."





Mir gingen seine Worte durch den Kopf. Sie waren nüchtern, sachlich, Großteils frei von
emotionalen Wertungen, inhaltlich knapp und zusammengefasst, er verglich seine Beziehung
mit seiner Arbeit, behandelte dieses Gespräch wie eine Untersuchung. Dazu seine soziale
Isolation - er konnte sich hier nicht heimisch fühlen.
"Was unternehmen Sie, wenn Sie nach Ihrer Schicht abspannen wollen, Rubens?"






Theatralisch verstellte ich meine Stimme, versuchte gespieltes Erstaunen zum Ausdruck zu bringen, gepaart mit einem süffisanten Grinsen: "Abspannen? Ich gehe ins Casino und esse etwas, gehe früher zur Schicht und schlafe so viel ich kann. Ein bisschen kommt man sich dabei zwar wie eine Arbeiterameise vor, aber dazu sind wir schließlich hier." Das Lächeln verließ etwas mein Gesicht, als ich auf den Kaffee hinunter starrte, noch etwas über meine letzten, spontan zusammengezimmerten Worte nachdachte. Und darüber, dass in diesem Satz schon wieder etwas an Erkenntnis, und ein Ansatz für eine Lösung meiner Probleme verborgen sein konnte.






Ein wenig tadelnd schüttelte ich den Kopf und lächelte dann wieder.
"Ich sag Ihnen etwas, Rubens: Ihre Dienstfähigkeit sehe ich augenblicklich nicht
gefährdet. Nach den Berichten waren Sie einem unbekannten Einfluss von außen ausgesetzt,
was Sie zu dieser Wahnsinnstat getrieben hat. Dass Sie sich nicht daran erinnern können
bestätigt den Eindruck nur, dass Sie es nicht wirklich aus freien Stücken getan haben,
oder gar eine Entschuldigung dafür finden. Selbst wenn Sie sich dazu entschieden hätten
das halbe Schiff in die Luft zu jagen, scheint Ihr Bewusstsein durch eine Amnesie
verhindern zu wollen, dass Sie sich damit auseinander setzen können. Das spricht
ebenfalls dafür, dass es nicht Ihrem Wesen entspricht destruktive Verhaltensweisen an den
Tag zu legen.", ich beobachtete ihn genau und sah die Erleichterung in seinen Augen.
"Aber-", ich betonte das Wort überdeutlich und forderte seinen Blick ein. "-Sie isolieren
sich zu stark. Die letzten Monate waren nicht einfach für Sie und Sie weigern sich Ihrer
sozialbedürftigen Natur nachzukommen. Das wird früher oder später dazu führen, dass wir
uns hier wieder sehen."
"Welche Konsequenzen hat das?", es war die erste Frage, die er stellte. Ich verbuchte es
als Reaktion auf die Beantwortung der einzigen Frage, die er mit in dieses Gespräch
gebracht hatte.
"Das hat die Konsequenz, dass wir uns auf regelmäßiger Basis wieder sehen werden. Und
dass Sie eine Hausaufgabe von mir bekommen.", sein Gesichtsausdruck schien gequält und
beinahe ängstlich. "Sie werden Freunde suchen.", nun erhob ich mich, holte von meinem
Schreibtisch ein PADD und durchsuchte das Register nach der Freizeitbeschäftigung, die
ich im Sinn hatte. "Spielen Sie Gin, Rubens?"






"Ich habe es bisher noch nicht gelernt." antwortete ich ihr wahrheitsgemäß. Bei uns waren mehr die Kartenspiele verbreitet, die einstmals ihren fernen Ursprung in Frankreich hatten.
"Gamma-Schicht...", sagte sie nur, während sie ihr PADD kurz bediente, etwas zu suchen schien. "Ah, da haben wir es ja. Es gibt eine Gin-Runde, die sich Donnerstags trifft, eineinhalb Stunden nach dem Ende Ihrer Schicht. Und Sie werden Teilnehmen. Und wir sehen uns in einer Woche wieder, dann können Sie mir ja erzählen, wie es war."
Sie sagte das mit dem Tonfall einer Feststellung, und ihr freundliches, aber gerade unwillkommenes Grinsen trieb mir lange ungebrauchte Schimpfworte in den Sinn. Aber ich tat es ab, seufzte, und nickt nur, den Blick kurz senkend. "Und wo trifft sich die Gin-Runde, Ma'am?"
"Holodeck 4."
Cad Rubens Wolf hat das Hirn an den Toren der Akademie abgegeben...
Vi veri universum vivus vici.
Bild

"Oh du lieber Augustin!"
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