Brit – o2/o6 – Rick Santiago/LtCmdr Amh – Zvi/XO –13080.2048

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Yu'She
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Sa 3. Dez 2011, 20:30

Brit – Logs o2/o6 – Rick Santiago/LtCmdr Amh – Zvi/XO – 13080.2048


Personen: .-.


Worte:
Rick: 1.698
Cholain: 2.445



~ Symphonie ~
-leerer Frachtraum-



Mit versteinerter Miene sah ich Rick an. Weder Barocha noch ihr schweinsäugiger Kollege konnten so dumm sein, den ersten Offizier eines Sternenflottenkreuzers zu entführen und zu glauben, dass sie mit dem Schiff noch immer als Händler in den Deltaquadranten fliegen könnten. Da Rick meine Frage verneint hatte, hatte diese ganze Geschichte auch nichts mit der Pure Federation zu tun.

Ein weiterer Stromschlag fuhr durch meine Schläfen und ich biss die Zähne zusammen, so heftig ich konnte, glaubte jedes einzelne Volt zu spüren, jeden Nerv, der sich aufbäumte und eine Welle an Schmerzreizen weiterleitete, die sich in einer erneuten Ohnmacht entluden.

Der erste Gedanke nach dem Erwachen galt Rick. Er sollte die Bugs, die er ins System der Symphony gebaut hatte entfernen. Waren es Bugs? Ich kannte mich zu wenig aus, um es unterscheiden zu können, doch er hatte etwas mit dem System gemacht. Je länger er durchhielt, je länger ich Barocha dazu brachte mich zu grillen, desto höher wurde die Wahrscheinlichkeit, dass Seaihr etwas unternahm, dass Thorn sich mit einer drittklassigen Lüge nicht hatte abspeisen lassen, dass irgendjemand nach uns suchte und das Schiff verfolgte.

Und das würde schnell geschehen müssen, denn die beiden hatten nicht vor mit der Symphony in den Deltaquadranten zu reisen. Dass sie planten sich des Schiffes, wahrscheinlich seines Captains, aber ziemlich sicher auch uns, zu entledigen, stand doch schon längst fest.

„Ihr habt das Limit erreicht, Freunde.“, krächzte ich, beanspruchte die Aufmerksamkeit von beiden, damit sie sich nicht mit Rick beschäftigten. Barocha lachte und ließ mich ihre Stärke spüren, in dem sie ihre Hand so stark in meine Schulter krallte, dass ich stöhnend zur Seite weichen wollte, aber nicht konnte, weil sie mich festhielt.
„So?“, fragte der Schwarzhaarige. Er musterte mich, von oben bis unten, verzog dann skeptisch die Lippen. Sogar ihre Form, die geschwungene Linie in seinem gepflegten, schwarzen Bart, war mir zuwider. „Du machst mir nicht den Eindruck als wärst du schon gar.“, erklärte er, bedeutete Barocha aufzuhören, was den Schmerz in meiner Schulter zu einem dumpfen Nachhall verklingen ließ.
„Es könnte aber beim nächsten Mal schon der Fall sein.“, entgegnete ich so militant ich konnte. Ich musste aufpassen, dass sie nicht auf die Idee kamen, diesen Weg gegen einen deutlich effizienteren einzutauschen. Ich wollte ihnen beiden nur klar machen, dass ich das nächste Mal sterben könnte, nur noch einmal, ein einziges Mal. Mit meinem weniger festen und reizenden Blick, als mir lieb gewesen wäre, formulierte ich die Worte im Geist. Nur noch einmal – ist das nicht Drohung genug?




Einmaleins.

Es war nicht mehr als das verfluchte Failsafe-Einmaleins, das ich mit den Bordsystemen durchgegangen war. Stundenlang. Klar, Rick. All diese Löcher in diversen, essenziellen Systemen- Notentlüftungs-Subroutinen, Plasmafluss-Sperren, Notabschaltungs.Subsystemen? Sicher nur schlampige Softwarewartung. Ein Schelm, wer böses dabei denkt. Ein Kunstgriff obenauf nach einem harten Tag des permanenten Gefühls überlegener Genervtheit- Ein autonomes Backupscript das alle Backupprogramme wieder auf Kurs bringen würde, sollte irgendjemand wieder schlampig damit umgehen, eine Sicherung für die Sicherungen- und schon war die Sache gegessen gewesen, und die Angeberei groß und laut.

Und jetzt nannten sie es einen Bug. Scheiß Banausen. Dabei war es mein Job gewesen. Das System auf Vordermann bringen- und durchschauen, dass da was nicht stimmt, und dass alle Zeichen auf baldige Sabotage deuten. Einen davon hatte ich gemacht. Den falschen. Tolle Leistung, du Aussteiger. Hattest sicher eine glänzende weitere Karriere vor dir. Ich hätte lachen können, bis ich endlich hyperventiliere und wegknicke. Aber das war nicht der Plan gewesen.

Einmaleins. Sicher eine gute Überlebensstrategie. Ich versuchte, den rasend zentrifugierten Gedankenbrei in meinem pochenden, blutigen Schädel damit abzulenken, während Cholains Blick meinen fest im Griff hatte, wie verdammt nochmal immer.

„Ich bin bereit, es zu riskieren.“, hallte mir durch den Schädel, und ich brauchte einen Augenblick um zu schalten wer gesprochen hatte, dass es kein Blindtext gewesen war und nicht Cholain, und wer gerade mit schlecht gespielter Seelenruhe das Folterwerkzeug adjustierte.

Ich röchelte etwas hervor, selbst nicht sicher was genau, aber laut, und brachte das Einmaleins mit einem Mal nicht mehr hin.





Ich konnte nicht verstehen, was Rick sagte, aber das spielte auch keine Rolle. Er musste durchhalten, also zuckte mein Blick von ihm zu dem anderen, dem, der die Fragen stellte. Mein Magen verkrampfte sich, als ich ohne zu zögern die Schulter kreiste, sie bis zu meinem Ohr hob und die Lippen verzog.
„Verdammt, Süße.“, maulte ich, „Noch ein bisschen mehr Druck und ich wäre den Knoten, der mich seit Wochen stört endlich los geworden.“, mit einem entschuldigenden Blick hob ich den Kopf und sah Barocha an. „Gräm dich nicht. Daran haben sich schon Leute, die ihr Handwerk verstehen die Zähne ausgebissen.“, das Zwinkern brachte ihre Selbstkontrolle zu Fall und ihre Hand legte sich drohend um meine Schulter, meinen Nacken, zwei ihrer Finger bohrten sich so schmerzhaft in meine Kopfhaut, dass ich die Augen zupresste und stoßweise durch den Mund atmete.




„Ist sie nicht tapfer? Sieh‘ hin, du verpasst ja die Show.“

Noch ehe ich fertig ausgespuckt hatte riss die Eisenklammer von Hand um meinen Unterkiefer meinen Blick zurück zu der Walküre, die Cholain im Griff hatte. Grapschte entschlossen an meinen zugepressten Augen herum, bis ich nicht mehr anders konnte als die Szene zu fixieren, wie diese Barocha von ihr abließ, sie mit einem abschließenden Schlag vornüber sacken ließ, um wieder nach dem eigentlichen Folterwerkzeug zu greifen.

„Yeah. Dumm nur, dass wir sie eigentlich nicht brauchen.“, spuckte die Frau aus, justierte seelenruhig an dem Gerät herum, und legte an.

Ich würgte etwas vage Verneinendes hervor, blinzelte panisch, erntete dafür nun ein „Nein WAS?“ von Baxton. Dann ging ein Ruck durch meine Kopfhaut, als er mir den Schädel zurückriss, damit ich ihn ansah.
„Wie. Umgehen. Wir. Deinen Bug.“
Ich blinzelte, leckte mir über die Lippen. Es dauerte ihm einen Moment zu lange, und schon ruckte sein Blick zu seiner Kollegin herum, um ihr das Zeichen zu geben.

Ich krächzte den Beginn einer Kapitulation.





Wie Barocha die beiden Plättchen an meinen Schläfen anbrachte spürte ich nur wie durch eine Schicht zähflüssigen Klebers hindurch. Das kalte Metall berührte meine Haut nicht. Nicht meine. Das sofort einsetzende Kribbeln war gar nicht in meinem Kopf, ließ meine Augäpfel rückseitig jucken, dass ich wünschte ich bekäme eine Gabel in die Finger um mich kratzen zu können. Nicht meine. Es schien alles ein bisschen weiter weg, ein bisschen distanzierter als es kurz zuvor noch gewesen war. Wie sich die Ohrmuschel ein Stück schließt, wenn man lange laute Musik hört und alles wie durch Watte gesprochen klingt, fühlte es sich nun genauso an. Indirekt.

Ricks Stimme ließ mich schwerfällig den Blick heben.
„Bug, Bug, Bug.“, nuschelte ich und erzählte mir selbst einen Witz um schief grinsen zu können. Gelang nicht. Ich versuchte es dennoch. Wie ein Huhn. „Bug, Bug, Bug.“, äffte ich ihn nach. „Weißt du überhaupt was das ist? Ein Bug?“, Barocha legte ihre schwere Hand auf meine Schulter und drückte, wesentlich sanfter, beinahe zart. Nur eine Warnung. Ich sah den Schweinsäugigen an. „Ich weiß es auch nicht. Nur mal eine Theorie: Ihr bringt mich um. Dann foltert ihr ihn. Und er sagt es euch. Wo der Bug ist, wie ihr ihn umgehen könnt. Und dann bringt ihr ihn um. Glaubt ihr wirklich, dass es so laufen wird?“, ich spuckte aus, das Blut schmeckte metallisch und war unangenehm warm in meinem Mund. „Bug, Bug, Bug.“, äffte ich wieder seinen Ton nach, sah dabei Rick an, wollte den Kopf schütteln, doch der Kerl deutete nur ein Nicken an und Barochas Griff wurde so heftig, dass ich befürchtete sie riss einfach ein Stück aus mir heraus.

Ricks Stimme klang wieder zwischen meine Gedanken, die sich nur darum drehten, dass sie aufhören sollte. Dass ich es nicht mehr aushielt, dass ich alles tun würde, damit sie aufhörte und dem Vorwurf, dass es so einfach nicht sein konnte! Nicht sein dürfte!

Dann ließ der Schmerz wieder nach und der Kerl stand an einer Konsole, als ich die Augen öffnete.
Aus einem Ruf, aus einer Bitte, die mehr Unglauben darüber enthielt, dass es zu spät war, wurde ein Murmeln und ein verschlucktes Gurgeln. „Nein.“




Den Administrator-Systemzugang. Meinen Account. Löschen. Inklusive aller Änderungen. Inklusive aller verlinkter Subroutinen. Alle weg… Alles beim Alten. Eure Ursprungskonfig. Zugriffscode Omega-Sieben-Eins-Eins-T-G-California. Den Administrator-Systemzugang. Meinen Account. Löschen. Inklusive aller Änderungen. Inklusive aller verlinkter… Die röchelnde Endlosschleife spielte sich wieder und wieder in meinem brummenden, leergefegten, pochenden Schädel ab, der nun an mein Brustbein gesackt war. Fadenweise gefärbter, metallisch schmeckender Speichel verteilte sich über meinen Overall, nun da mich Baxton losgelassen hatte, um die Eingabe vorzunehmen. Ich wich Cholains Blick kopfschüttelnd aus, bekam meinen Mund nicht zugeklappt, versuchte durchzuatmen. Ich weiß, Miststück. Ich weiß dass sie kaum Hand an mich gelegt haben. Ein paar Schläge, ein bisschen Würgen, ein bisschen Blut. Ein Speederabsturz. Ein bisschen Wasser. Ein bisschen Ertrinken. Ein bisschen Gefahr. Ein bisschen Schmerz. Ein paar Explosionen. Ein bisschen, oh Gott, Cholain. Ich hoffe du kommst nochmal auf die Beine um uns hier rauszuholen. Ich kann dich nicht einmal ansehen.

„Was zum…“ Baxton schlug auf das Eingabepanel, fuhr herum. Barocha wurde hellhörig. „Kommandoautorisierung für jedweden Systemtzugriff? WAS?“

Noch ehe sie sich Cholain zuwenden konnte, röchelte ich wieder um mein Leben. Um ihres. Um unseres.
„Ausgeloggt,… du Genie. Alle Crewzugänge laufen über… Technik. Verlinkte Subroutinen. Bis auf den Kommandantenaccount.“, hustete ich mit größtmöglicher Selbstverständlichkeit hervor, die man so in sein Keuchen legen konnte, während man um Luft rang, als wäre es Allgemeinwissensvermittlung.
„St. James.“, knurrte Barocha.






Innerlich lachte ich auf. Sehr gut, Rick.

Nick hatte mit der ganzen Geschichte gar nichts zu tun, wurde mir in diesem Moment klar. Rick hatte es bereits gewusst, oder gepokert – spielte keine Rolle, denn er hatte gewonnen. Jetzt hatten sich die beiden Blitzmerker selbst aus dem System katapultiert und nur der Captain konnte das wieder fixen.

Innerlich gröhlte ich vor Lachen.

Äußerlich hing ich auf dem Stuhl und biss die Zähne zusammen. Jetzt zu spotten würde uns nur schneller umbringen. Sie mussten Nick herschaffen, wenn sie ihn nicht schon längst getötet hatten, aber für so dämlich hielt ich sie nicht.
„Baxton.“, brummte das Fass hinter mir und ihr Kollege, dem ich endlich einen Namen zuweisen konnte, ignorierte sie, würgte Rick nur noch mehr. Es fiel mir so schwer wie selten etwas sitzen zu bleiben und lediglich die Lippe einzuziehen und zu hoffen, dass sie schnell genug eingriff, bevor er ihn umbrachte. Sie tat es und ich war ihr dankbar. Dem Training und der Vorbereitung entsprechend verwarf ich dieses Gefühl sofort wieder. Stockholm bekam keine Chance.
„Verflucht, Baxton!“, sie riss ihn an der Schulter herum, weg von Rick, der hustete und würgte. „Lass den Scheiß!“, sie sah auf Rick nieder und versetzte ihm einen Tritt, der seinen Stuhl gefährlich wanken ließ. „Wenn er so einen Mist nochmal macht und du ihn vorher umbringst, sind wir erledigt.“, motzte sie und Baxton wandt sich ab, atmete durch, fuhr sich durch die Haare.
„Hol St. James her.“, ordnete er an, Barocha nickte und verließ den Raum. Skeptisch verfolgte ich seine Bewegungen, nahm hin, dass er Rick noch mal eine verpasste. Er atmete noch einmal durch, stützte die Hände in die Seite und sah zwischen uns hin und her.
„Das wird euch noch Leid tun.“, verkündete er und ich beherrschte mich soweit, nicht zu zeigen, dass ich Angst um Rick hatte. Ich hatte ihre Aufmerksamkeit nicht lang genug auf mich lenken können. Aber das war nun egal. Baxton kam auf mich zu, ging vor mir in die Hocke. Mein Magen verkrampfte sich, als ich das Grinsen in seinen Augen sah. „Weißt du was, Feuerlöckchen?“, ich hob eine Augenbraue. Provozier ihn nicht. Vorsichtig schüttelte ich den Kopf. „Du wirst uns helfen.“, wieder hob ich eine Augenbraue. „Über unseren Plan brauche ich dir ja nichts mehr zu erzählen, nicht wahr?“, ich antwortete ihm nicht. Mit etwas Glück kannte ich die groben Eckdaten ihres Vorhabens. Mit etwas weniger hatte ich gerade so eine Ahnung davon. Sollte er glauben, was er wollte. „Ihr habt uns ganz schön Ärger gemacht, das könntet ihr wieder gut machen, wisst ihr?“, warum stellte der Kerl eigentlich so viele Fragen? Warum sagte er nicht einfach, was er wollte und legte dann los? Es war doch….ach, egal. „Du als Kommandooffizierin kennst doch bestimmt die Transporterfrequenzen, nicht?“, das war so blöd, dass ich beinahe wieder lachen musste.
„Du willst die Frequenzen von mir haben, damit die Föderation euren schicken Virus selbst in den Deltaquadranten schleust?“, vergewisserte ich mich leise und heiser.
„Nicht nur hübsch, sondern auch ausgesprochen klug.“, er drehte sich zu Rick um. „Du verschwendest deine Zeit mit ihm, Schätzchen.“, mein Blick folgte seinem kurz.
„Denkst du du bist mehr Mann als er?“, fragte ich ihn direkt. Dann kam die Erleuchtung, auf die ich gewartet hatte. Noch einmal sah ich zu Rick hinüber, zwang etwas Abschätzendes hinein. Obwohl es die unverletzte Schulter war, schmerzte das Heben ungemein. „Keine Herausforderung.“, ich lehnte mich zu ihm vor. „Mal im Vertrauen: Das zwischen uns ist schon eine ganze Weile her und manche Angewohnheiten lassen sich schwer ablegen. Er bringt’s schon lange nicht mehr, wie ich es brauche.“, es ekelte mich an, doch ich legte eine anzügliche Herausforderung in jede Bewegung und mied es nun, Rick anzusehen. Spring drauf an. Bitte, spring drauf an.




„Du saublöde Kuh.“, brachte ich heraus bevor unser letzter Bewacher etwas darauf erwidern konnte, ohne dass meine Stimme allzu sehr einklappte, auch wenn ich dafür konzentriert eine ganz bestimmte Sektion eines ganz bestimmten Bodengitters fokussieren musste, um die Rotation der Umgebung zumindest halbwegs auszublenden. „Hälst es… echt keine scheiß Sekunde aus, mal nicht im… Mittelpunkt zu stehen?“ Ich spuckte auf das Deck. „Scheiß darauf was die planen und scheiß auf deinen Heldenkomplex, vielleicht will ich einfach noch ein paar Minuten Leben ohne dass mir und dir die Scheiße aus dem Leib… geprügelt wird. …Mal dran gedacht?“ Du saublöde Kuh. Ich habs uns aus den Händen genommen. Lass‘ doch einfach mal. Lass es doch einmal genug sein. Hör‘ auf diese ganze Scheiße so hanebüchen überzukompensieren. Hör. Auf. Gut, dass das Denken und Reden und Atmen und Fühlen weh tat. Mit einem Mal hatte ich einen Riesenhaufen Mitteilungen an sie im Kopf, und keine davon war warm oder schön oder weich. „Wie wärs also wenn… ihr hässlichen Entlein einfach so tut als wäre ich nicht hier?“, röchelte ich hervor. „Mach-doch-was-du…“

„Netter Versuch.“ Mein Blick wurde wieder hochgerissen, mitsamt dem Rest meines Schädels, und landete irgendwo an der Decke, zum Glück nicht mitsamt meines Schädels. Ich hatte nicht einmal bemerkt, dass Baxton zu mir marschiert war, obwohl ich nun direkt seine Kampfstiefelspitzen anstarrte. „Aber nicht gut genug.“, verkündete er weiter. „Hast du nicht auch das Know-How? Du warst doch auch mal Offizier, Santiago?“ Fauliges Grinsen, fauliger Atem, alles direkt in mein Gesicht.

„Klar, zuletzt bei der Pure, und nur weil er kurz davor war vor dem Kriegsgericht zu landen. ‘Ne echte Gewissensentscheidung von Mister Standfest Mc-Ich-verrate-die-Feds-weil-ich-meine-Hormone-nicht-im-Griff…“ weiter kam sie nicht. Ich hätte nie vermutet dass ich dazu die nötige Energie besaß, aber offensichtlich hatte ich mich unterschätzt, denn ich riss mich aus dem Nacken heraus geradezu von dem Griff in meinen Haaren los, nur um sie zu unterbrechen.
„Du verdammte Schlampe, DU warst das Zünglein an der Waage, also bleib‘ bei der Wahrheit und nenn‘ mich DAFÜR einen Idioten! Aber tu nicht so als wäre ICH hier der…“

Faust-At-Gesicht-Dot-Wumms. Mein eben noch frisch befreiter, brennender Schädel sackte zur Seite, und die Welt wich wohliger Schwärze, ehe der Typ seinen Fehler bemerkte.





Es war als hätte Baxton nicht Rick k.o. geschlagen sondern mich gleich mit. Mir wurde schlechter als die ganze Zeit zuvor zusammen genommen, als ich ihn bewusstlos in den Fesseln hängen sah. Dass er so nichts mehr sagen konnte und auch nichts mehr mit ansehen musste, war ein schwacher Trost. Eigentlich gar keiner.

Baxton kam auf mich zu. Sein Blick hatte etwas Analytisches angenommen. Er musterte mich, die ich bemüht war so gleichgültig wie möglich drein zu blicken. Ja – das siehst du ganz richtig. Ich habe lediglich Angst um mich selbst und vor den Schmerzen. Glaub es ruhig. Er schien es zu glauben, denn er lächelte, wand sich kurz ab kehrte mit etwas zurück, das ich bewusst nicht ansah.
„Kommen wir zurück zum Wesentlichen.“, erklärte Baxton und ich rutschte auf meinem Stuhl hin und her, machte mich auf das bereit, was da kommen mochte. Ihm zu geben was er wollte, damit die Föderation schuldig war, tausende infiziert und abgezockt werden konnten, das kam überhaupt nicht in Frage. Die beiden stellen und verhaften war nebensächlich, aber eher würde ich zusehen, wie sie Rick die Eingeweide aus dem Leib rissen und mir jeden Fingernagel einzeln ausreißen lassen, bevor ich das zuließe. Kurz sah ich zu Rick hinüber. Dass er bewusstlos war räumte mir zumindest den Freiraum ein, schreien zu dürfen.

Und ich schrie. Und ich heulte. Und mein Körper stellte die Nervenbahnen in meinen linken Arm ab. Baxton schien erste Erfahrungen gemacht zu haben, denn er erkannte es, weil ich mich nicht genug unter Kontrolle hatte um auch zu schreien, als es gar nicht mehr wehtat. Er wechselte den Arm. Und ich begann zu schreien.

Wie ein Zusammenschnitt des Lebens des Protagonisten kurz vor seinem heroischen Filmtod erlebte ich, was passiert war. Dann schob ich es beiseite. Barocha musste jeden Augenblick auftauchen und ich wusste nicht, wie tief ich Baxton ins Traumland versetzt hatte. Doch ich konnte mich nicht rühren. Ich zitterte. Überall. Meine Beine waren wacklig, wollten sich nicht bewegen. Dann dachte ich wieder an Rick. Drehte mich um. Er war noch immer bewusstlos. Genau wie Baxton. Der Stuhl, auf dem ich gesessen hatte, wies eine deutliche Beule auf. Etwa in Baxtons Kopfform. Ich stellte ihn ab. Dann ging ich zu Rick. Löste seine Fesseln. Nicht, weil es das erste war, woran ich gedacht hatte. Sondern weil ich sie brauchte. Für Baxton.
„Rick.“, ich hielt seinen Kopf einen Moment. Doch er war völlig weggetreten. Vorsichtig legte ich ihn in meine Halsbeuge und kraulte ihm den Nacken. „Entschuldige.“, flüsterte ich, ehe ich mich wieder Baxton widmete, ihm die Fesseln anlegte. Als das getan war, nach einer Waffe Ausschau hielt. Ein Rohr, ein Phaser, ein Granatwerfer, ein Disruptor, vier Pferde, ein Fass Säure – ich fand die lose Abdeckung eines Wartungsschachts.

Muss reichen.




Der Prozess des Aufwachens war ein quälend langsamer, und für meinen Geschmack trotzdem noch zu abrupter. In meinem Schädel steckte ein gefühltes Axtblatt, die Umgebung war blendend grell, mein Mund staubtrocken und mehlig-metallisch. Das Atmen fiel leichter als zuletzt, vor allem leichter als zu ertragen dass St. James‘ Hackfresse das erste war, was sich in meiner gequirlten, weichgezeichneten Sicht herauszubilden begann.

„… du noch?“ Es klang flach und läutend. Wie eine Glocke unter Wasser. Ich versuchte mich an einem Nicken, mein Kopf sackte dabei jedoch nur zur Seite. Etwas Vertrautes, Humpelndes kam in Sicht, wurde langsam größer. Mir wurde schlecht. Das Schiff vibrierte mir bis in die Knochen. Es hatte eben beschleunigt. Ich bekam ein rot angelaufenes Augenpaar fixiert, während ich Halt suchte um mich auf der Pritsche ein wenig hochzuziehen. Die Zeit renkte sich wieder in einen wahrnehmbaren Rahmen ein, versuchte sich an Linearität. St. James musste inzwischen gegangen sein.

„… Hey. Hey, bleib liegen. Es ist alles gut.“

In meiner Wahrnehmung passierte mit einem Mal alles ganz schnell. Auch wenn mir irgendwie klar war dass ich von außen wie besoffen agierte, ihre Hand kaum traf als ich sie beiseitezuwischen versuchte, noch ehe sie mich zurück auf die Pritsche drücken konnte, und unkoordiniert ausspuckte.

„Gar nichts ist gut. Warum…“ Ich unterdrückte meinen Würgereiz, wischte mir die Augen zusammenkneifend mit dem schmierigen Ärmel den Mund ab. „… warum feierst du nicht die erneute Weltrettung woanders.“, schnaubte ich bemüht, blickte von unten herab zu ihr auf, kniff wieder die Augen zusammen. „Du scheiß Heldin. Wie eh und je. Immer… das Selbe.“

„Iss‘ ein Snackers, Rick. Wir haben schon schlimmeres durchgestanden, hm?“ Das Lächeln war noch nicht ganz aus ihrer Stimme gewichen, auch wenn sie erschöpft klang, und mit einem Mal nachdenklicher.
Nicht. Genug. Sie stellte irgend etwas schwappendes auf der kleinen Tischfläche neben der Pritsche ab. Ich hingegen… „Herrgott- JA! Genau das! Und das ist nichts GUTES, okay?!“ Erst meine eigene Stimme, dann das Klirren, als ich immerhin so halb erwischte was sie da eben gelassen hatte, brachten meinen Kopf fast zur Explosion, und ich drückte mir noch die Hände an die Schläfen als ich schon längst weiterwütete. „Jedes Mal wenn du in meinem scheiß Leben auftauchst geht alles den Bach ‘runter, und dann verschwindest du wieder und lässt mich damit allein, um erst wieder aufzutauchen wenn ichs verdaut habe! Wieder und wieder und wieder und… Warum…“ Ich ließ meinen Kopf kampflos wieder auf das Kissen zurücksinken. „… warum isst du nicht einfach ein scheiß Snackers. Auf deinem shiny Flaggschiff. Und bleibst dort. Scheiße auch.“, fluchte ich die Decke an.




Wie betäubt saß ich auf der Kante seiner Koje. Was sagte er da? Warum sagte er das? Woher kam das auf einmal?
Ich schüttelte sacht den Kopf. Das war der Schock. Er stand unter Schock, ganz sicher. Das meinte er nicht so.
„Beruhige dich, Rick.“, versuchte ich ihn zu besänftigen, doch wieder wehrte er mich fahrig ab.
„Scheiße, ich will mich aber nicht beruhigen, Herrgott!“, er versuchte sich aufzurichten und ich ließ ihn gewähren. „Du begreifst das nicht, oder? Jedesmal, wenn du auftauchst, ist mein Leben hinterher ein Trümmerhaufen! Und jedesmal werden es weniger Trümmer! Du platzt in mein Leben und ruinierst es! Und anschließend verschwindest du! Ich sitze dann allein da und kann zusehen, wie ich klar komme!“, einen Moment lang sah er mich schweigend an und seine Augen huschten wütend zwischen meinen hin und her. „Geh. Geh einfach. Geh und lass mich in Ruhe.“, er klang kalt und distanziert. Kalt und ernst. Und endgültig.

Traurig nickte ich.
„Ok.“, meine Stimme war weg. Nicht wegen der Schreie von zuvor, sondern weil ich eigentlich nichts mehr zu sagen hatte. Langsam erhob ich mich, verließ den kleinen Raum. An der Tür sah ich nochmal zurück. Er braucht nur Ruhe. Muss wieder zur Besinnung kommen. Das ist alles. Das wird schon wieder. Der Kloß in meiner Kehle wurde immer dicker und ich fühlte heiße Tränen in den Augen.


Als ich auf der Brücke ankam, war davon nichts mehr zu merken.
„Wie geht’s ihm?“
„Er braucht dringend eine Dusche.“, erklärte ich Nick zwinkernd und sah auf die Navigationsanzeigen. „Wie lange noch?“
„20 Minuten.“, er war nachdenklich. Er grübelte, ich sah es ihm an, aber daran hatte ich nun wirklich kein Interesse. „Man, das hätte ich nie gedacht.“, begann er und ich nickte nur. Gab ihm alle erdenklichen Signale es gut sein zu lassen. „Die beiden hätten mein Schiff zerstört! Ich dachte immer ich bin ein guter Menschenkenner-“, ich hob die Hand und unterbrach ihn.
„Hey, auf der Base haben sie sicherlich einen hervorragenden Seelenklempner, der sich das liebend gern anhört, aber verschon mich damit, ja?“, ich drehte mich zur Kommunikationseinheit um, doch die Zugriffe waren noch gesichert. „Kannst du das freischalten? Ich muss mein Schiff kontaktieren.“
„Klar. Sicher doch.“, erwiderte Nick leise und vor den Kopf gestoßen. Er war kein Mitglied meiner Crew, er war kein Freund und wie es ihm ging war mir gerade jetzt scheiß egal.
„Danke.“, ich suchte nach der richtigen Verbindung und blendete ihn aus.

~ 20 Minuten später ~

„Sie werden Ihre Berichte bei der Hangarsicherheit abgeben, Commander, belgeiten Sie uns bitte.“, beendete der Sicherheitsoffizier seine Ansprache und als wir nickten, dabei zusahen, wie Baxton und Barocha abgeführt wurden, drehte er sich um und ging. Nick direkt hinter her. Ich drehte mich zu Rick, der auch los gehen wollte. Er hatte die ganze Zeit geschwiegen.
„Rick.“, ich forderte seinen Blick ein. „Es…es tut mir Leid.“




Geprügelter Hund. Es war kaum anders zu umschreiben.

Ein Seesack. Nicht mehr, als ich mir selbst in meinem Zustand locker hätte über die Schulter werfen können, was ich auch prompt getan hatte. Dieses Mal hatte es nicht einmal für mehr als einen Seesack voller Leben, Pläne und Ziele gereicht, ehe Hurricane Aveon mal wieder durch mein Leben gefegt war, also wieder von vorne. Ich hatte es so unglaublich satt. War es fair? Nein, diesmal nicht. Wieder ein scheiß Neuanfang, wieder von vorne, zum X-ten Mal, und diesmal gab ich mich nicht für diese Frage her. Nicht einmal klammheimlich. War das hier denn fair? Ich sah die Sicherheitsleute die uns entgegenkamen. Fair war tot und ich war zur Trauerfeier des Tages einfach nur scheißwütend.

Wütend genug um nur ganz, ganz kurz ihren geprügelten Blick aufzufangen, ehe der Boden wieder interessanter, fairer fand. „Scheiße. Ja, mir auch.“, spuckte ich aus, und mein Tonfall ließ keinen Zweifel daran dass wir hier von völlig verschiedenen Dingen sprachen, und mein Blick war schnell genug weg um ja nicht erkennen zu lassen dass es weh tat.

Und dann wandte ich mich ab und marschierte mal wieder Sicherheitsleuten der Föderation entgegen. Natürlich tat ich das. Scheißnaiv, anzunehmen, dass ich nicht wenigstens einige Tage lang mehrfach befragt, und einige Wochen- bis die Anklagen standen und die Spreu vom Weizen getrennt sein würde- auf Föderationseinrichtungen beschränkt und reisevisumfrei bleiben würde. Wenn es so glimpflich laufen würde. Wenn sich nicht wieder irgendein dämlicher Windhund in meine Vorgeschichte verbeißen und Gespenstern nachjagen würde.

„Folgen sie uns bitte, Mister Santiago.“ Wieder und wieder.

Es reichte.
Y

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