Strnd III – Team Säulen – Cpt P`Thall/Ens Yu`She – CO/Sec – 13173.0133
Personen: Team Säulen
Worte:
Thorn: 1.305
Yu`She: 1.108
~ Handwerkssäule ~
Die anderen diskutierten noch, wie wir uns am besten tarnen konnten, wie wir am glaubhaftesten unser Auftauchen und unsere Wolle erklären konnten, während ich schon wieder aus dem Fenster sah. Ich konnte nicht sehen was in den Stockwerken unter uns geschah, doch sollten wir hier überrascht werden, wären einige Erklärungen schon ausgeschlossen. Was ich hörte beruhigte mich. Der Großteil der Gruppe schien abgeneigt uns kahl zu scheren. Wie mir schien nicht nur aus pragmatischen Gründen. Speziell Tur Kara und Alexis schienen entschlossen bewollt zu bleiben, wenn es irgendwie ging.
Ich hatte mir sowohl die Argumente von Enji, der am lautesten befürwortete uns zu scheren, als auch jene von Grant und Tur Kara, die dagegen waren, angehört. Auf der einen Seite würde es uns wesentlich leichter fallen, in der Menge unauffällig zu bleiben, wenn wir oberflächenansäßig wirkten- und wären wahrscheinlich weniger Fragen und Entdeckungsrisiken ausgesetzt. Desweiteren würden wir nicht mehr so entsetzlich schwitzen, wenn wir uns glattschoren und eincremten. Sicher nicht das letzte, was Commander Enji in dieser Diskussion antrieb.
Andererseits war das Scheren so gut wie irreversibel- Eine Rückkehr zur Britannia und eine weitere langwierige medizinische Prozedur wären nötig, um das Wollkleid widerherzustellen- und uns vermutlich die einzige Möglichkeit wieder zu öffnen, unter die Oberfläche zu gelangen und uns dann in der Oberschicht von Säulen zu bewegen. Ferner konnte es durchaus sein dass wir als Unterweltler weniger hinterfragt und angesprochen wurden, selbst wenn wir uns an der Oberfläche eher ungeschickt bewegten. Und letztens konnte das Scheren leicht nachgeholt werden, wenn es sich doch noch als nötig herausstellen sollte.
„- Wir könnten uns trennen. In eine geschorene und eine ungeschorene Gruppe.“, warf Zemus schließlich ein, wurde aber sogleich mit einem vernichtenden Blick seitens T‘Rish abgewürgt. Ich hob beschwichtigend die Hand, nickte dem Commander aber zu.
„Nein- Noch nicht, jedenfalls. Noch wissen wir zu wenig über diesen Ort.“ Ich fixierte Tur Kara, traf schließlich die Entscheidung, weil sich die Diskussion offenbar festgefahren hatte. „Wir bleiben bis auf weiteres ungeschoren. Tur Kara, wir brauchen diesen Sippennamen, ehe wir aufbrechen. Was so rasch wie möglich geschehen soll. Kelav, bereiten sie den Abmarsch vor.“
Mit diesen Worten wandte ich mich ab.
Vor mir auf der Straße wurde es derweilen immer dichter und gedrängter. Das Ziel all dieser Bewegung schien die Tempelsäule zu sein. Die ersten Strander beschritten die Hängebrücken. Plötzlich kam etwas hektischere Bewegung in das Bild.
„Sir.“, ich konnte den Blick noch nicht abwenden. Der Lift tat sich wieder auf und erneut erschienen die bewollten Strander aus dem Untergrund. Sie waren bewaffnet und schienen eine Art Formation einzunehmen. „Es gibt erneute Aktivität am Lift.“, erklärte ich und spürte Thorns Anwesenheit neben mir.
Auf ihre Worte hin trat ich neben Yu’She, zückte mein Sichtgerät. In der Tat, da tat sich etwas. Sechs Strander-Sicherheitskräfte traten von der Liftplattform, umstellten sie, und warteten darauf, dass sie sich wieder herunterfahren würde- aber das Schott blieb offen. Kurz darauf transportierte die Einrichtung eine weitere Gruppe nach oben, diesmal zahlenmäßig locker doppelt so groß.
„- Die wirken ja geradezu… festlich.“
Ich nickte, ohne das Sichtgerät abzuwenden, registrierte bei einem kurzen Rundumblick eine weitere solche Gruppe- diesmal fast zwanzig, die von Sicherheitsleuten eskortiert scheinbar zum Lift zurückkehrten. Besagte Bewaffnete wirkten eher gelangweilt. Die Ablösung? Eine weitere Touristengruppe? Meine Hand legte sich kurz an Yu‘Shes bewollte Schulter, begleitet von einem knappen „Neun Uhr, sieben Klicks.“, um ihren Blick dorthin zu lenken. „Was denken sie?“
Als die Justierung ein klares Bild lieferte zogen sich meine Augenbrauen zusammen. Mit einem kurzen Blick zur Seite verfolgte ich ihren etwaigen Weg zurück.
„Eine Prozession.“, vermutete ich. „Die Aktivitäten in der Tempelsäule lassen darauf schließen, dass wir zu einer religiösen Zusammenkunft angekommen sind.“, ich beobachtete weiter, wie die Strander ihren Weg vom Lift zur Tempelsäule antraten und kniff die Augen zusammen. Die Strander der Oberfläche scharten sich um die lange Schlange und es wurde laut. Es wirkte als wollten sie handeln. Sie bestürmten die bewollten Prozessionsteilnehmer richtig gehend. Ich senkte das Fernglas und sah zu Thorn.
„Könnte das unsere Möglichkeit sein?“
„Vielleicht. Aber definitiv unsere einzige Chance, uns unter irgendeine Gruppe zu mischen. Und nebenbei sind sie dorthin unterwegs wo wir hinwollen.“ Wir tauschten einen kurzen Blick aus, und ich registrierte die Zustimmung in ihrem mit einem flüchtig-schiefen Lächeln, ehe ich sie anwies die restliche Gruppe zu informieren. Zielsicher suchte ich inzwischen Tur Kara im Schatten der Säulen zur Straße hin auf, ging neben ihm in die Hocke, und nahm ihm seinen Bericht hinsichtlich seiner Fortschritte bei der Decodierung der Sprache und dem Finden eines Sippennamens ab.
Zwanzig Minuten später hatten wir, die Sippe der (vorläufig sogenannten, bis uns etwas besseres ein- oder auffiel) Stolzhufe, den beschwerlichen Weg durch die Hitze der Hängebrücken, Gassen und Treppen angetreten, da Liftanlagen scheinbar ein Luxus waren den nur noch die reichsten Händler für den Warentransport monopolisierten, und die Gebühren entsprechend unerschwinglich waren. Der Sippenname ‚Stolzhufe‘ machte mich also zu einem unheimlich tief ausgesprochenen Stolzhuf, und Yu’She zu einem fast schon gefiepsten Stolzhuf, während der Rest der Truppe irgendwo dazwischen lag. Tur Kara verbrachte immer noch jeden Moment, den wir unter Strandern verbrachten- und wir versuchen diese zu seinem Leidwesen möglichst selten zu halten- damit, unauffällig mit seinem Translator-Empfänger die Nuancen abzuhorchen. Je tiefer wir kamen, desto öfter gerieten wir bei aller Vorsicht dennoch in den Zustorm zur Handelssäule, da die Vormittags-Gebetsperiode scheinbar vorbei war, und die Händler bald ihre Stände öffnen würden. Das war gut für die Feineinstellung unserer Translatoren, aber schlecht für unsere Unauffälligkeit auf dem Weg nach unten, da uns die geschorenen Oberflächler abwechselnd mit Argwohn und Distanz beobachteten, oder mit Handelsangeboten überfielen.
Ich hatte mich dezent beschleunigten Schrittes an Yu’Shes Seite an die Spitze der Gruppe begeben, da sie uns führte- Sie hatte sich mit ihrem Sichtgerät den Weg zum Lift, wo wir uns hoffentlich an eine der Pilgergruppen würden heften können, am intensivsten studiert, und führte uns zielsicher abwärts.
„- Stolzhuf. Stolzhuf.“, flüsterte sie so hoch, dass es heiser klang, vor sich hin- Ganz auf den Weg konzentriert, damit wir uns weder verliefen, noch mit dem Hauptstrom der zureisenden Handelsinteressierten kollidierten, wo es sich vermeiden ließ. Dass wir Wolle hatten war verdächtig genug, dass wir uns völlig gegen den Strom bewegten musste da nicht auch noch übertrieben an die Wand gemalt werden. „- Stolzh…“ Sie zuckte zusammen, als sie mich schließlich bemerkte, und senkte verlegen den Kopf.
„Stolzhuf.“, brummte ich leise vor mich hin, während ich mich neben ihr ausschreitend auf den Weg vor uns konzentrierte. Wiederholte, dann noch einmal. Warf ihr einen ermutigenden Blick zu. „Übung macht den Meister, Stolzhuf.“, erklärte ich behutsam, mit besonderer Betonung auf meinen halbgaren Versuch, ihren Decknamen angemessen hell und hoch auszusprechen.
Der Versuch mit seinem Bass meinen hohen Namen zu sprechen ließ mich kichern und sofort fühlte ich mich wieder unbehaglich. Ich konnte doch nicht kichern! Wir waren im Einsatz! Im Dienst! Er war der Captain!
Hilflos suchte mein Blick wieder den Weg; halbgar wehrte ich Versuche mir etwas zu verkaufen ab, in dem ich wie die anderen, die aufdringlichen Verkäufer mit dem Ellbogen fortschob. Wir waren auf der dritten Ebene. Wenn diese Säule erbaut war wie die anderen, würden wir hier die Richtung der Spirale ändern müssen, die uns bisher hinab geführt hatte. Der Stranderstrom war hier von Wirbeln durchzogen und das Durchkommen war deutlich schwerer. Als ich mich umdrehte sah ich nur noch Thorns Hörner und verharrte. Mein Blick zuckte über die geschorenen Rücken und Fronten, die sich an mir vorbei schoben. Irgendwann erkannte ich ihn, er blickte ebenfalls nach hinten – wir hatten doch hoffentlich niemanden verloren?
Mir kam eine Idee, die dafür sorgen würde, dass wir dieses Risiko verringern konnten, doch ich traute mich nicht, auch wenn unsere Tarnung als Sippe so eine Verhaltensweise nur noch stärken würde. Ich atmete durch. Luna war extremer gewesen. Dann machte ich einen Schritt auf Thorn zu, drückte meinen Arm durch die Leute hindurch und tastete nach seinem Huf. „Stolzhuf“, grummelte ich betont tief – so tief es ging.
Ich blinzelte irritiert als ich das bemühte Brummen von hinten hörte, schaltete jedoch eine Sekunde später, verlangsamte meinen entschlossenen Gang durch die Menge, drehte mich halb um- was mich bisher immer stromlinienförmiger gegenüber dem Zustrom gemacht hatte, jetzt aber nicht mehr so viel nutzte. Mit etwas Mühe bekam ich Yu’Shes Handhufe zu fassen, rempelte seitlich einen aufdringlichen Passanten beiseite, untermalte die Geste mit einem verengten Funkeln der dafür eindeutig nicht gemachten Stranderaugen.
„Wenn das so weitergeht, verlieren wir uns noch, Wolle hin Wolle her.“, murrte ich, hielt nach Öffnungen in der Menge Ausschau, fand eine Säule die merklich umgangen wurde, und deren Fuß von einem Sims umgeben war, von dem aus einer von uns Ausschau nach dem nächsten Abgang würde halten können. Während ich einen der wolligen Arme schützend um Yu’She legte damit sie nicht von der Menge weggerissen wurde, eine Geste die mir in der Rolle ihres Sippenältesten gegenüber der Sippenjüngsten nicht weiter unpassend schien, fixierte ich schnell die anderen, winkte sie zu der Insel im Stranderstrom, ehe ich mich selbst in Bewegung setzte.
„Sind wir noch richtig?“, fragte das Alexis-Schaf und ich nickte, als wir uns alle um die eine, halbwegs freie Säule gesammelt hatten.
„Wir sind bisher links herum hinunter gegangen. Hier ändert sich die Richtung. Darum ist es so gedrängt.“, sprach ich über den Lärm der Schafmassen hinweg. „Es sind noch drei Stockwerke, bis wir das Bodenniveau erreichen.“
„Patschehufe!“, dröhnte Thorns dunkle Stimme durch das Getose um uns herum hindurch. Er nickte mir zu, reichte mir seine Linke, die Rechte gab er nach hinten weiter – ich führte also weiterhin.
Als wir endlich das Erdgeschoss erreicht hatten, hatte das Gedränge nach gelassen, doch die erlösende Brise durch den Austritt aus dem Gebäude blieb aus- die Sonne war so hoch gestiegen, dass die Luft in den Straßen stand. Gezielt führte ich unseren Gänsemarsch in eine Seitenstraße, in die nur ein wenig benutzter Nebenausgang des nächststehenden Gebäudes mündete.
In unserer hohlen Gasse angekommen hatten wir endlich Gelegenheit zu einer Verschnaufpause. Der Weg nach unten hatte länger gedauert als erwartet, und es erforderte ein paar strenge Blicke seitens T’Rish und meiner Wenigkeit, einige der Teammitglieder daran zu hindern, sich allzu großzügig an ihren Wasserschläuchen zu bedienen.
„- Wie weit ist es von hier aus bis zum Untergrundlift?“, fragte Alexis, die als eine der ersten wieder zu Atemluft und Verstand gekommen war.
„- Etwa 500 Meter nach Nordosten.“, erklärte Yu’She, nahm an der gegenüberliegenden Wand andeutungsweise Haltung an- Gewohnheiten die wir uns allmählich abgewöhnen sollten, was sie kurz darauf sichtlich selbst bemerkte, und sich erst straffte, dann mit bemühter Entspanntheit an die Wand lehnte.
„- Wir könnten nach all diesem Gedränge eine Pause von der Hitze brauchen.“, warf Enji gequält grinsend ein, sah sich nach Zustimmung um. „- Ich denke da an eine Herberge, Schatten, Klimatisierung, gekühltes Wasser…“
„Keine Zeit zu rasten.“, murrte ich knapp, sah mich zwischen den Anwesenden um. „Vielleicht gibt es eine Art Zeitfenster, in welchem diese Pilgerfahrten durchgeführt werden. Vielleicht finden sie auch nur an bestimmten Tagen statt. Wir können uns keine Verzögerungen leisten.“ Die Ansage sorgte für lange Gesichter. So wie mir klar war, dass erschöpfte Schafe Fehler machten, und dass nicht jeder so durchtrainiert wie Yu‘She oder T‘Rish war- So einleuchtend war leider auch meine Argumentation.
„Sie haben den Captain gehört.“, drängte Kelav, nickte in die Runde. „Es ist fast geschafft- In Kürze werden wir in einer abgeschirmten Reisegruppe unterwegs sein, die aus wohlhabenden und bequemen Verhältnissen stammt, und sicher jede Menge Pausen einlegt. Bis dahin, bleiben sie konzentriert!“
Mit einem knappen Nicken untermauerte ich diese Ansage, ehe wir uns nach einem jeweils letzten Schluck aus unseren Wasserschläuchen wieder auf den Weg machten, wobei Yu’She nun die Nachhut bildete, da die Straße den Weg diktierte.
Hier auf der „offenen“ Straße ging es gemächlicher zu. Es war noch immer voll, doch das Gedränge war nicht so heftig. Hier glich es einem ruhigen Schieben. Da wir uns in eine Strömung eingefunden hatten, die genau auf den Platz zu hielt, zu dem wir wollten, konnte wir uns ein wenig treiben lassen.
Urplötzlich packte mich jemand am Arm.
„He-“, ich wollte protestieren, doch der Strander hinter mir überragte mich glatt um zwei Köpfe. Er trug eine Art Uniform, ich erkannte ein Abzeichen an seiner abgewetzten, fleckigen Weste.
„Was treibst du hier?“, blökte er mich an und ich sah mich nach Thorn um, streckte den Arm nach ihnen aus, doch Enji, der vor mir gegangen war, verschwand eben in der Menge. „Wie üblich. Keine Ausreden, du weißt, dass du hier nichts zu suchen hast. Abmarsch.“, ich hatte keine Ahnung, was der Kerl von mir wollte, doch er schleifte mich mit. Ich traute mich nicht etwas zu sagen – Tur Kara hatte uns die Umgangsformen noch nicht erklärt. Wie sollte ich ihn ansprechen? Du? Sie? Gab es da eine Unterscheidung? Würde ich ihn am Schluss eine alte Lady nennen? Zwecklos versuchte ich mich seinem Griff zu entwinden, doch es half alles nichts. Er zerrte mich einfach hinter sich her, bis wir zu einem Areal kamen, das sich unkleidsam zwischen zwei Gebäude duckte, ein niedriger, länglicher Bau. Es war eingezäunt und da waren viele andere Strander drin, bewollt wie unbewollt.
„Rein mit dir. Und wenn ich dich noch mal erwische, gibt’s einen Schandbrief.“, verständnislos starrte ich ihn an und rieb mir den Oberarm, als er mir das Tor vor der Nase zu knallte. Erst versuchte ich noch es einfach wieder aufzumachen, doch er schien damit zu rechnen, drehte sich um und drohte mir wohl…er hatte keinen Zeigefinger, doch der erhobene Huf hatte etwa die gleiche Wirkung.
Ratlos sah ich mich um. Die anderen standen in Gruppen zusammen. Unterhielten sich. Manche hatten Medien in der Hand. Ich konnte nicht sehen, woraus sie bestanden. Es waren keine Seiten, aber PADDs waren es auch nicht. Ein Signal ertönte, das die anderen veranlasste sich vor dem großen, dunklen Tor in zwei Reihen aufzustellen. Als die Schlange irgendwann bei mir war ging ich einfach einen Schritt zurück. Was war das? Ein Schlachthaus? Dann würden die sich sicherlich mehr aufregen. Dann öffnete sich das Tor und die erste Reihe ging hindurch, die rechte, von mir aus gesehen und verschwand im Inneren des niedrigen Gebäudes. Ganz vorne stand ein Strander und hielt die andere Schlange zurück. Als sein Blick mich traf stemmte er die Hand in die Seite, worauf hin ich schloss, dass es sich um eine Frau handelte.
„He du! Nun komm schon! Brauchst du eine Extraeinladung?! Beeil dich, hopp, ein bisschen schneller!“, schrie sie und da niemand mehr außer mir hier herum stand, gab ich der Forderung nach.
Wo war ich hier gelandet?