STRND III – Log 30 – LtCmdr Cholain Amh – XO – SD:13299.2385
Personen: AT Nomaden, speziell: Cr Ciana, CrRec Lon Drax, Ensign McMusseln
Worte: 904
~Wüste~
-Nomadenlager, Zelt-
Ein stilles, einsames Atmen. Schwerfällig, im Brustbereich blockiert, stoßweise, schmerzhaft. Kein Hyperventilieren, aber nicht gesund. Nicht wie es sein sollte. Eine Bewegung. Sie sollte von einem Stöhnen begleitet sein. Er ist doch so schwer verletzt. Kaum bei Bewusstsein. Wie bewegt er sich überhaupt? Noch eine Bewegung, das Rascheln von Kleidung, das Knirschen von Sand. Wieso Sand? In dem Lagerraum ist kein Sand. Meine Hufe sind an die Stuhlbeine gefesselt. ~ Ich komme los, stürze auf ihn zu, aber mit den Hufen kann ich seine Fesseln nicht lösen. Leise Gesprächsfetzen, es juckt mich am Rücken, der verschleierte Blick zeigt Stoff. Wieso Stoff? Es ist ein Raumschiff, wieso sind die Wände aus Stoff? Wieder ein Rascheln, eine kurze, frische Brise…ein Schott geht auf, ich spüre brennenden, zerreißenden Schmerz im Rücken.
Der Blick zeigt das Außenteam. Bis auf die Wachen schlafend. Die Zeltwand – Stoff. Das Jucken im Rücken, der Sand, das Knirschen. Obwohl ich völlig gesund war bekam ich kaum Luft.
Pflichtgefühl und Stolz reichten nicht aus um in dieser Nacht Schlaf zu finden. Das halbwache Dahindämmern wurde jäh unterbrochen, als sich irgendjemand neben mir bewegte und mich mit einem ordentlichen Schuss Adrenalin in den Adern aus den halb geträumten, halb erinnerten Bildern hochschrecken ließ. Ciana und Lon Drax, die gerade Wache hielten, sahen mich verständnislos an, doch ich winkte ab, erhob mich um das Zelt zu verlassen. Die Enge, die Stickigkeit - es war mir für den Moment zu viel. Das Gefühl eingesperrt zu sein ließ sich mit aller Vernunft nicht abschütteln und die Bilder einer nicht lang genug zurück liegenden Vergangenheit drückten mit aller Gewalt in mein Bewusstsein. Zusammen mit dem Schmerz, dem physischen und dem seelischen.
"Weitermachen.", flüsterte ich tonlos, als ich die beiden mit den anderen zurück ließ und durch den verhängten Ausgang ins Freie trat. Draußen stand ich einen Augenblick, atmete tief und spürte wie Mariss meinen Geist streifte, doch ich drängte sie fort. Gerade wollte ich allein sein, die kalte Luft war angenehm, das Fell ausnahmsweise nicht lästig, sondern wärmend und weich. Die Strander schienen keine Probleme mit dem Schlafen zu haben, obwohl sie sich vor einem Krieg befanden, dessen Ausmaße ihnen unmöglich klar sein konnten. Vielleicht schliefen sie gerade wegen ihrer Unwissenheit so gut.
Ohne mich weiter umzublicken, ging ich davon, auf einen nahe gelegenen Haufen Steine zu, die im klaren Mondlicht silberweiß leuchteten. Meine Hufspuren ließen klirrende Kontraste im Sand zurück, die ebenmäßige, ruhige Sandfläche war unterbrochen von kalt beschienenen Höhen und im Schatten liegenden Tiefen. Bis auf wenige Geräusche vom Lager her, war es völlig lautlos. Nicht einmal der Wind, den ich an den Nüstern und Ohren spürte, machte ein Geräusch. Den Blick in die Ferne gerichtet atmete ich gegen den Widerstand meiner Brust, der das Gefühl freien Atmens unbekannt zu sein schien. Mit den hufförmigen Fingern betastete ich meine Seite, wo die gebrochenen Rippen längst verheilt waren, legte sie an die Wange und die Schläfen, doch da war nichts mehr. Schon vor der chirurgischen Anpassung hatten die Mediziner dafür gesorgt, dass da nichts zurück bleiben würde. Pering hatte dafür gesorgt. Auf seine charmante, liebenswürdige Art. Mein Blick suchte kurz unser Zelt, in dem er schlief, zusammen mit dem ganzen Rest der meschuggenen Crew. Es war nur pragmatisch und im Grunde auch ein Kompliment des Captains, doch der Eindruck mit den Idioten abgeschoben worden zu sein drängte sich subtil in mein Empfinden. Aber es ließ mich grinsen. Ja, die Idioten. Die die man möglichst fern hält von allem Ärger. Die Underdogs und Randgänger. Leute wie Pering. Leute wie Mariss. Leute wie ich. Es war schon ganz richtig so.
Wieder atmete ich tief und wieder wehrte sich meine Brust dagegen, als versuchte ich Wasser zu inhalieren. Meine Bewegungen waren fahrig, unkoordiniert. Das scheußliche Gefühl einer Panikattacke überkam mich, der einsetzende, kalte Schweiß und der Schwindel waren untrügerische Boten. Mit geschlossenen Augen zwang ich mich auf den Rücken, versuchte nicht das Zittern zu unterdrücken, ließ mit den Armen von meinem Oberkörper ab und breitete sie seitlich aus, zählte beim Ausatmen bis fünf, ehe ich wieder einatmete und mein Herz zwang sich dem Rhythmus der Atmung anzupassen. Mein Magen krampfte sich zusammen und der Kloß in meiner Kehle machte mir das Atmen schwer, die Selbstbeherrschung einfach nur da zu liegen und die Nase in den Nachthimmel zu recken, nicht zu hyperventilieren, schwand mit jedem Moment. Die Spannung in meinem Inneren wurde immer stärker, Bilder von Blut und Fesseln, Geschmäcker von Blut und Schweiß, Gerüche nach Metall und ranzigem Körperfett, das unbestimmte, aber omnipräsente Gefühl des verlassen Seins – es trommelte sich alles auf mich ein, verkam zu einem unerträglichen, übermächtigen Chaos und ich drehte mich zur Seite, steckte mir den Zipfel meiner Weste in den Mund um das Wimmern zu dämpfen.
Als ich die Augen wieder öffnete ging mein Atem ruhiger und ich hatte jedes Zeitgefühl verloren. Es war noch immer Nacht und dennoch konnten Stunden vergangen sein. Der Gedanke, dass mich ein Strander schelten würde, weil ich mit meinem Geheule Wasser verbraucht hatte, ließ mich den Kopf schütteln und die Hände an die Stirn legen. Eher noch, als dass mir auffiel, dass ich keine Haare hatte und auch keine Finger, die ich darin vergraben könnte, entging mir die Gestalt im peripheren Blickfeld nicht. Die Hufe am Kopf blieb ich liegen, schloss die Augen wieder.
„Wie lang stehen Sie schon da?“