Wüste – Log31/9 - Cmdr Amh/Ens McMullen – XO/TEC - 13300.0151
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Der Streit zwischen Mariss und mir dauerte jetzt schon an, seit wir bei Gutohr, dem blinden Wasseraufbereitungsschaf, gewesen waren. Natürlich war es nicht meine Art, sich gegen höhergestellte Offiziere zu stellen, aber normalerweise hatte ich mit meiner Meinung auch ein paar gewisse Freiräume. Und meine Meinung beruhte hierbei auf den technischen Möglichkeiten, die ich in meinem Vorstellungsvermögen hatte. Ich konnte mir einfach nicht erklären wie die Nomaden-Strander das Wasserproblem gelöst hatten. Und Mariss konnte das auch nicht. Und das fuchste sie. Und deswegen hatte sie wohl auch so schlechte Laune.
„Wir sollten eine Nacht drüber schlafen.“, bemerkte ich und machte mich ohne ein weiteres Wort direkt auf in das Zelt, um mich hinzulegen. Dass ich dabei die Schimpftirade verpasste, war mir in diesem Moment ziemlich egal. Ich wollte ein wenig Ruhe.
Schlafen konnte ich trotzdem nicht wirklich. Immer wieder wachte ich auf. Ein mal durch ein leises Schluchzen und schweres, hektisches Atmen von außen. Mein erster Gedanke 'Was für ein wildes Tier ist das?' wurde durch 'Ist das gefährlich?' zu 'Ist das überhaupt ein Tier?' weitergeführt. Aber nein, das klang recht menschlich. Oder eine Mischung aus Strander und Mensch. Da kamen nicht viele Leute in Frage und so richtete ich mich auf, um mich umzuschauen und durchzuzählen. Goral, Mariss, Pering, Forester... Amh fehlte. Aber das konnte nicht Amh sein. Niemals. Vielleicht wurde sie gefoltert. Ich überlegte jemanden aufzuwecken, entschied mich dann aus einem Instinkt heraus dagegen und schlich mich aus dem Zelt, um niemanden aufzuwecken und nachzuschauen. Den beiden Wachen gab ich nur ein Zeichen, dass ich gleich zurück sein würde.
Draußen konnte ich noch langsam verlöschende Glut entdecken und ein paar schlafende Strander, die wohl noch ein wenig gezecht hatten oder was auch immer. Vielleicht waren sie auch nur tot oder zu müde gewesen, um in ihre Zelte zu gehen.
Ich hatte also kaum mehr Orientierung als das Licht des Mondscheins und das leise Schluchzen. „Also los.“, sagte ich mir leise, bevor ich den ersten Schritt tat. Ein paar Schritte und ich konnte deutlich hören, dass ich näher kam. „Autsch!“ Ich fluchte leise, als ich gegen einen etwas größeren und scharfkantigen Stein getreten war. Doch die Person, die da vorne zusammengekauert saß oder lag, schien mich nicht bemerkt zu haben, also kam ich leise näher. Es war tatsächlich Amh. Commander Amh, die nie eine Schwäche offenbaren wollte lag direkt vor mir, zusammengekauert, auf der Seite und schluchzte. Innerlich rannte ich rückwärts im Kreis, hatte die Arme in die Luft geworfen und schrie ganz laut 'PANIK!!!' Aber das wäre etwas taktlos gewesen, das jetzt in die Tat umzusetzen. Ich überlegte krampfhaft nach einer anderen Lösung des Problems, bis sie mich zu bemerken schien.
„Wie lang stehen Sie schon da?“, fragte sie.
„Ich...äh...“ Okay, schlechter Anfang. „Noch nicht sehr lange. Geht es Ihnen gut?“ Dumme Frage... Der Blick, den ich erntete, bestätigte meinen Gedanken, also statt auf eine Antwort zu warten, setzte ich mich neben meine Vorgesetzte.
„Können Sie nicht schlafen, Deren?“ Welche Probleme mochten ihn wohl wach halten? Böse Monster? Kurz streifte der Gedanke an Scham mein Bewusstsein, aber er verschwand genauso schnell, wie er gekommen war.
Ich überlegte kurz. Meine Probleme schienen nichts im Vergleich mit den ihren zu sein. Aber ich entschied mich doch, die Wahrheit zu sagen, vielleicht konnte ich ihr ja mit einem kleinen Gespräch helfen. Ich war nie gut in sowas gewesen.
„Mein böses Monster heute Nacht? Die Wasseraufbereitung der Strander. Ich werde noch irre.“ Ich musste ihr ja nicht erzählen, dass ich wegen ihr wach geworden war... „Aber das kriegen wir schon hin. Immerhin haben die Strander es auch geschafft, das alles zu entwickeln.“ So viel Optimismus von mir? „Sie scheinen andere Gründe für Schlaflosigkeit zu haben.“ 'Soll ich sie in den Arm nehmen? Übertrieben? Ja!' „Wollen Sie mir ein bisschen erzählen, oder eher alleine sein?“ Erlaubte ich mir gerade zu viel? Aber irgendwie hatte ich gerade Mitleid und den Drang wie ein Kaninchen einfach davon zu hoppeln gleichzeitig.
Über uns waren Myriaden von Sternen zu sehen, was sich durch die fehlenden Emissionen leicht erklären ließ. Die Strander hatten nichts, was diesen klaren Blick trüben würde. Ich musste lächeln.
„Ihr Blick ist getrübt“, seine Irritation ließ mich breiter lächeln. „Die Strander haben sie zu einer prä-industriellen Zivilisation zurück entwickelt. Es gibt hier oben weder Elektrizität, noch Elektronik“, ich sah ihn direkt an, blieb allerdings liegen, wand nur den Kopf. „Der Fortschritt trübt Ihren Blick.“
Zuerst war ich verwirrt, dann verstand ich langsam. Ich war alle Technologie so gewöhnt gewesen und durch den letzten Wissensstand der Strander so geblendet gewesen, dass ich die einfache, primitivere Betrachtungsweise nie in Betracht gezogen hatte. Ich dachte kurz über mein kleines Problem nach. „Natürlich...“, murmelte ich. „Sie nutzen die Luftfeuchtigkeit zum Teil. Kondensation...“ Mein Hirn arbeitete auf Volltouren, bis mein Blick wieder zur Seite glitt, wo Amh weiterhin lag und in die Sterne schaute und mir einfiel, dass ich nicht der Einzige war, der heute Nacht ein Problem mit dem Schlafen hatte.
„So leicht bin ich abzulenken?“, fragte ich laut. Sie drehte sich um und schaute mich nur fragend an. Jedenfalls nahm ich das an, mit dem strahlenden Mondlicht und der Stranderverkleidung, welche mir das Erkennen von Mimik sowieso sehr erschwerte.
„Sie haben mir nicht von Ihrem bösen Monster erzählt. Was hält Sie wach?“ Ob es eher Neugier, die Sorge um die Missionsleitung oder einfach nur die Sorge um einen Kameraden war, konnte ich nicht sagen. Vielleicht alles drei zusammen. Ihr Blick glitt wieder zu den Sternen, wo auch irgendwo die Britannia dazwischen herumschwirrte, und ihr Blick wurde fester und ich glaubte auch ein kleines Anzeichen von Schmerz zu erkennen. Mein Blick folgte dem Ihren. „Sie müssen mir nichts erzählen, aber zumindest das sollten Sie mir sagen.“, sagte ich, leicht resignierend. Es war vielleicht ein taktischer Rückzug, aber mein Körper rührte sich nicht. „Es würde Ihnen vielleicht gut tun.“, fügte ich hinzu.
Überlegend zog ich das Kinn zur Brust ohne dabei den Blick von den kleinen, unendlich weit entfernten Lichtpunkten zu nehmen.
„Es gibt Dinge, die durch Reden nicht besser werden, Deren“, erklärte ich geheimnisvoll. „Abseits gesonderter Umstände habe ich Liebeskummer.“ Für einen Moment ließ ich das so in der Nachtluft stehen, ließ den Wind mit den Worten spielen. Doch er trieb sie nicht fort. „So einfach kann eine Erklärung manchmal sein.“ Lächelnd, die Spur des Schmerzes nicht verbergend sah ich zu dem jungen Techniker hinüber. Beinahe entschuldigend hob ich eine Schulter, spürte wie ein wenig mehr Sand in meinem Fell versickerte. „Schauen Sie nicht so ungläubig. Allen Gerüchten zum Trotz habe ich ein Privatleben“
Ich schüttelte den Kopf und merkte eben erst, dass ich gestarrt hatte. Das war so ziemlich das Letzte gewesen, mit dem ich gerechnet hatte. „Liebeskummer?“ Damit blickte ich zum sandigen Boden, auf dem die von Sand und Wind geformten Steine lagen. Solche Themen waren mir schon immer ein wenig unangenehm gewesen, trotzdem sagte ich noch: „Hm...ich verstehe...“ und versuchte dabei philosophisch und verständnisvoll zugleich zu klingen.
„Das glaube ich nicht.“, kam die plötzliche und schroffe Antwort, eindeutig schneller als ich erwartet hatte.
„Da steckt noch mehr dahinter, oder?“
In mir keimte schon wieder dieser Druck, ich spürte den Kloß im Hals. Mit viel Mühe atmete ich gleichmäßig kontrolliert ein und aus. Der sandige Untergrund bot überhaupt keinen Halt und doch lag ich fest und unbewegt.
„Natürlich“, presste ich hervor. „Es steckt immer ‚mehr‘ dahinter. Und doch bleibt es im Wesentlichen das, was es ist. Er ist weg, er will mich nicht wieder sehen, war lange Teil meines Lebens, meiner Familie, meiner Arbeit. Jetzt nicht mehr. Jetzt ist er es nicht mehr. Nichts von alle dem.“ Wieder ließ ich die Worte so stehen. Doch diesmal trieben sie fort. Es war befreiend keinen Nachhall zu hören, kein Echo zu vernehmen. Dann zwang ich mir ein Grinsen ab. „Und den Rest erzähle ich Ihnen, wenn ich darauf vertrauen kann, dass Sie es nicht verwenden um mich wegen emotionaler Kompromittierung des Kommandos zu entheben.“ Nur halb ein Scherz, aber ganz wie einer vorgetragen.
„Ach, wissen Sie...ich wollte schon immer ein Kommando haben.“, sagte ich todernst. Dann begann ich zu grinsen und auch eine Commander Amh konnte sich da nicht ganz entziehen. Was ihr Versprechen anging, so nahm ich an, dass sie es mir nie erzählen würde. Jetzt, wo ein Teil ihres Schmerzes ausgesprochen war, hatte sie wieder Stärke erlangt. Hoffentlich genug, um das alles hier erfolgreich abzuschließen. Seit wann war ich eigentlich Counselor geworden?
„Und wie geht es jetzt weiter?“, fragte ich noch, obwohl ich wusste, dass wir zuerst den Anbruch des neuen Tages abwarten mussten, bevor irgendetwas unternommen werden konnte.
Ja…da war es wieder. Pflichtbewusstsein. Ich richtete mich auf. Pause beendet. Weiter geht’s. Ohne zu zögern und als Antwort auf seine Frage tippte ich den Kommunikator an.
„Green.“
„Green, wir brauchen einen Sandsturm im Areal der Nomaden. Konsultieren Sie die Technik, wen Sie sich mit ins Boot holen, morgen früh will ich den Huf vor Augen nicht mehr sehen können.“
„Für…wie lange, Ma’am?“, fragte Green unsicher.
„Tage. Wenn Sie können, eine Woche. Sehen Sie zu, was Sie aus der Britannia rausholen können. Wir müssen erst herausfinden was hier vor sich geht, bevor dieser Krieg ausbrechen darf.“
„Verstanden.“
„Amh Ende“, ich sah Deren an. „Das erschwert unsere Arbeit beträchtlich hier draußen. Wir müssen darauf hoffen, dass das Team um den Captain mehr herausfindet. Uns sind hier die Hufe gebunden.“