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--- Korridor ---
Natürlich hatte Valeris meine Rechtfertigungen nicht gelten lassen. So kam es, dass ich mir einen fünfminütigen Vortrag über den artgerechten Umgang mit technologischem Equipment, kombiniert mit einem Essay über die schlechte Versorgungslage hier draußen, anhören musste. Fünf Minuten konnten unter gewissen Umständen allgemein schon sehr lang sein (unter ganz anderen Umständen dafür äußerst kurz, zumindest nach dem Eindruck der Frauen). Wenn man dann aber wie dieses Exemplar der Gattung Frau ohne Punkt und Komma redete, wurden aus fünf Minuten die gefühlte Ewigkeit.
Ich griff mir zum wiederholten Male seit meinem Rückweg zur Krankenstation an den Nacken, um zu prüfen, ob meine Nackenmuskulatur durch das ganze Nicken meinerseits nicht doch Schaden genommen hatte. Wobei, das hätte mir ja womöglich eine Massage durch Harley eingebracht. Diese Vorstellung brachte mich dazu, etwas fester zu reiben. Solange, bis es schmerzte.
--- Krankenstation ---
Ich hatte Glück, Harley war frei. Zwar nicht obenrum, aber halt nicht belegt. Wobei ich das in gewisser Weise durchaus gern geändert hätte. Also beides.
„Hey Honigkuchenpferdchen!“ hauchte ich sie an und bekam als Antwort einen nach oben gezogenen Mundwinkel. „Hast du Zeit für einen Freund?“
Sie verschränkte die Arme vor der Brust. Für mich unverständlich, ich hatte da doch gar nicht hingeschaut. Okay, nicht mehr, seit ich sie vor fünf Sekunden begrüßt hatte. „Was ist denn, Freundchen?“
„Du könntest dich für meine 1A-Behandlung letztens revanchieren und mir bei dieser Verstauchung helfen“, jammerte ich leise vorwurfsvoll und rieb wieder meinen Nacken.
Blind griff Harley nach ihrem Tricorder. „Wie hast du das denn geschafft?“ Es war keine Sorge, die da in ihrer Stimme mitschwang. Eher Spott.
„Bin zusammengestaucht worden.“ Ich streckte den Zeigefinger der anderen Hand nach oben. „Unschuldigerweise, wie ich hinzufügen möchte.“
Sie nickte, während sie mich mit dem kleinen Scanner in der Hand scannte. „Natürlich!“ Irgendwie klang das zynisch. Wieso nur glaubte mir eigentlich nie jemand?
„Jedenfalls hab ich schon mal eine Selbstdiagnose gestellt und denke, die beste Therapie ist eine Massage.“ Ich begann sie anzugrinsen. „Und es würde den Heilungsprozess natürlich beschleunigen, wenn die Therapie in einer Badewanne mit heißem Wasser und viel Schaum stattfindet.“ Jetzt strahlte ich sie vielsagend an.
Harley fummelte den Salzstreuer, wie der Scanner nur liebevoll genannt wurde, in die Haltevorrichtung des Tricorders zurück, und während sie sich die Anzeigen durchlas, begann sie zu lächeln. „Das klingt verlockend“, säuselte sie.
Wie bitte? Hatte ich mich gerade verhört? Oder träumte ich nur? Nein, wenn das ein Traum wäre, hätte ich mich vorher nicht zusammenstauchen lassen. Außerdem hätte Harley dann zusätzlich vorgeschlagen, dass ihre Schwester mitplanschen kommt. Also musste sie das gerade wirklich gesagt haben. „Ehm…“ blubberte es aus mir heraus, während ein leichtes Gänsehautgefühl über meinen Rücken zog.
Sie hingegen drehte sich einfach weg. „Jacques, übernimm hier mal“, winkte sie jemanden heran. Während ich immer noch irgendetwas Unverständliches vor mir herbrabbelte, kam der Angesprochene angetrottet. „Distorsion des Vertebra cervicalis III und IV. Kümmer sich darum, ich muss weg.“
[*Bällchen für Fidel… komm nicht auf dumme Gedanken

--- Frachter ---
Ich schaute mich um. Der Korridor war grau, kalt, ausladend, langweilig. Seit ich diesen Lieutenant auf die Krankenstation hatte beamen lassen – was wenigstens den positiven Effekt hatte, dass Advent seinen Platz eingenommen hatte – kam ich mir nutzlos vor.
„Ihr schaut euch in den vorderen Frachtbereichen um, Eduin und ich fangen von hinten an.“ Das hatte sie doch absichtlich so formuliert. „Los geht’s!“
„Ähm…“ versuchte ich auf mich aufmerksam zu machen, als sich die beiden Trupps schon in Bewegung setzen wollten. „Was soll ich tun?“
„Hast du keine Verletzten, um die du dich kümmern musst?“
Ich schaute mich um. Alle Gelbhemden standen, ihre Uniformen zeigten keine roten Verfärbungen. Ihre Beine und Arme offenbarten keine offenen Brüche. Sie atmeten, sahen mich eindringlich oder mitleidig – je nachdem – an. Alles in Allem: „Nein.“
„Dann schau dich um, vielleicht findest du ja was Spannendes, oder was zum Spielen. Oder Schokolade.“ Hatte ich doch schon. Das klang nämlich nach der perfekten Beschreibung von Advent.
Doch irgendwie hatte ich den Eindruck, sie wollte mich loswerden. Das und die Vorstellung, hier allein in diesem grauen, kalten, ausladenden und langweiligen Korridor zu hocken, war mir unbehaglich. „Kann ich nicht mit dir mitkommen?“
„Ich wüsste nicht, wieso“, konterte Advent.
Ich blickte zu dem Secler, der sich als Alton identifiziert hatte. Seine Schramme war verheilt, nicht einmal eine Spur davon war noch zu sehen. Das hatte ich wieder ausgezeichnet gemacht, nur fehlte mir jetzt jegliche Verhandlungsbasis. Aber das wusste Advent ja nicht. „Ich muss seine Vitalzeichen überprüfen. Vielleicht eine verzögerte Gehirnerschütterung.“ Okay, das war unwahrscheinlich, schließlich sprach ich hier von einem Secler und dessen Gehirn in einem Satz.
Advent seufzte. „Also schön, komm mit. Aber du hältst dich an das, was ich dir sage.“ Das war ein Vorschlag, mit dem ich mich durchaus abfinden konnte. Noch besser wäre es natürlich gegangen, wenn sie da in einem schwarzen Lackkostüm mit Peitsche gestanden hätte, aber ich hatte ja ein ausgeprägtes Vorstellungsvermögen.
--- etwas später ---
Wir feierten den Tag der Wiedervereinigung. Nicht die Art Wiedervereinigung, die ich gerne mit Advent und/oder Harley gefeiert hätte – okay, wir hatten bis jetzt nicht einmal die Vereinigung gefeiert – aber die vier Secler hatten sich wieder getroffen. Ich war die ganze Zeit brav geblieben, hatte mich stets an Advents Fersen geheftet, um ihr auch ja nicht im Weg zu stehen. Okay, das begünstigte natürlich mein Auf-Advents-Arsch-Glotzen, aber sie wollte es ja so… oder so ungefähr. Jedenfalls sah ich mich nicht nackt auf dem Promenadendeck hängen.
Das mochte aber auch daran liegen, dass wir uns von eben diesem Ort plötzlich entfernten: Wir hatten abgelegt. Dabei hatte ich gar keinen Flugschein gelöst.
„Pontucci, Sie passen auf diesen Wahnsinnigen hier auf! Wir gehen rauf auf die Brücke“, kommandierte Advent mit einem Stimmchen, das man ihr so gar nicht zutraute – obwohl, den passenden Resonanzkörper hatte sie ja doch irgendwie.
In Ermangelung an Alternativen latschte ich einfach mal hinterher. Da mein Blick nun auch wieder auf ihrem Hintern haften blieb – irgendwie konnte ich mich daran nicht sattsehen – bekam ich nicht wirklich mit, wie sie beinahe mit ihrem hübschen Köpfchen gegen die sich nicht öffnende Tür schlug.
Die Truppe kam zum Stillstand. Advent trat einen Schritt zurück, dann wieder nach vorne, diesmal berechnend, dass die Tür womöglich nicht aufging. Tat sie auch nicht. Sie probierte es mit Plan B und fuchtelte mit den Händen über ihrem Kopf, um einen möglichen Bewegungssensor zu aktivieren. Doch auch das blieb ohne Erfolg.
Der Secler, der mich während der Behandlung von Buske schon weggeschubst hatte, legte erneut sein rüpelhaftes Verhalten an den Tag und räumte mich wieder aus dem Weg. „Lassen Sie mich mal machen! Ich hab hier den passenden Türöffner.“ Er warf ein kleines Kästchen munter hoch, um es direkt wieder aufzufangen.
„Zurück ins Glied, Pi!“ herrschte ihn sein Vorgesetzter an, wurde aber gleich von Advent zurückgepfiffen: „Warten Sie, Chief. Wir haben jetzt keine Zeit für Spielchen mit der Tür.“ Sie wandte sich an den Grobian: „Pi, es reicht, wenn wir durch das Loch durch passen.“ Mit einem kurzen Seitenblick zu mir, fügte sie hinzu: „Wir alle.“ Ja, okay, ich war nicht so durchtrainiert wie die Secler hier, dafür hatte ich mehr Hirn. „Ich will nicht, dass die Elanarer nachher einen neuen Innenarchitekten brauchen, verstanden?“
Der Angesprochene nickte, allerdings hatte ich das Gefühl, dass das Gerede seiner Chefin ins eine Ohr rein ging und beim anderen Ohr wieder raus. Okay, es war ja auch nichts dazwischen, was es hätte aufhalten können.
Advent trat unauffällig zu mir. „Kannst du rausfinden, ob der regelmäßig seine Medikamente genommen hat?“
Ich sah Advent mit einer Mischung aus Panik und Irritation an. „Was für Medikamente???“
[Bällchen, oder wohl eher Bömbchen für Richi
