Personen: Harley, Mercury
Wörter: 1120
--- Krankenstation ---
Ein blonder Wirbelwind rauschte an mir vorbei, tiefgraue Gewitterwolken darüber, die jederzeit ausbrechen konnten. Eins war klar, ich wollte eigentlich nicht in der Nähe sein, wenn sie sich entluden. Andererseits war die Vorstellung, Harley im Regen stehen zu sehen, irgendwie anregend.
Ich seufzte. Und ging hinter ihr her. Es war schon frustrierend, dass mein Zweit-Großhirn so die Kontrolle über mich übernehmen konnte.
Ich erreichte das Büro, in dem sich Harley verschanzt hatte, nahm mir aber vor, im Türrahmen stehenzubleiben. So war ich hoffentlich außerhalb der Reichweite einer Entladung, aber nah genug, um zusehen zu können, wie sie feucht… nass wurde.
Okay, ich sollte mich irren. Ich hatte gerade Position bezogen und mich gegen den Türrahmen gelehnt, als keine 20cm neben mir ein Padd krachend an der Wand einschlug. Ich konnte mich irren, aber ich hatte das Gefühl, es verharrte dort wie eine Comic-Figur etliche Sekunden, ehe es langsam zu Boden rutschte.
Ich sah zu Harley, die gerade nach weiterem Wurfmaterial Ausschau hielt, auf ihrem Schreibtisch aber nicht fündig wurde. Allgemein war ihr Tisch sehr aufgeräumt. Okay, das mochte daran liegen, dass sie vor ihrer Wurfattacke wohl erst einmal den großen Wischer gemacht hatte, denn diverse Gegenstände lagen bereits bunt verstreut auf dem Boden. Das Padd hatte danach zu urteilen das Pech gehabt, dem Wischer zwar zu entkommen, dafür aber nicht dem Werfer.
„Gefällt mir, wie du das Büro umstrukturierst. Es passt zu dir.“ Das Wort „chaotisch“ wollte ich verbal nicht äußern, schließlich bestand immer noch die Gefahr, dass Harley ein weiteres Wurfgeschoss fand – und ich wusste ja, dass ich nur schwer zu verfehlen war.
Sie funkelte mich giftig an. „Ich mach diesen Typen zur Frau!“ keifte sie.
Ich musste nicht lange überlegen, wen sie meinen konnte. Zumal sie mir vor einer halben Stunde gesteckt hatte, dass sie Stern zur Rede stellen würde. Harley hatte derweil ihren Tisch umrundet und hob ein weiteres Padd auf. Zeit für mich auf roten Alarm zu gehen, anderenfalls würde sich gleich Eindringlingsalarm auslösen. Mit einem coolen Spruch wollte ich sie ablenken: „Du implantierst ihm Brüste?“
Das war wenigstens soweit erfolgreich, dass sie den Arm mit dem Wurfgeschoss wieder locker herunterhängen ließ. „Ich dachte eher daran, ihm etwas zu amputieren.“ Dass sie damit keine Hand meinte, war klar. Eher den Spielgefährte der Hand.
„Soll ich dich gleich fragen, was er gesagt hat, oder soll ich dich erst auf nen Drink einladen?“ Wie ich Harley kannte, würde sie sich für zweitens entscheiden, aber es war immer besser, erst zu fragen, erst recht in ihrer derzeitigen Verfassung.
--- Krankenstation, halbe Stunde später ---
Wir hatten die Krankenstation wieder erreicht. Der Alkohol hatte seine beruhigende Wirkung auf Harley übertragen. Allerdings war es wohl nicht genug, um sie zum Reden zu bringen (in Bezug auf Kirilenkova) oder gar ins Bett zu bringen (in Bezug auf mich). Aber die Gewitterwolken hatten sich verzogen, ein wenig lugte sogar die Sonne hervor und brachte ihr Haar zum Leuchten.
„Danke für den Drink“, meinte ich, als wir die große Eingangstür mit dem eingravierten Äskulapstab erreichten.
Sie blieb abrupt stehen und guckte mich an: „Ich dachte, du hättest mich eingeladen!?“
Ich schaute zu Boden. „Oh… richtig… okay, das MacLarens sollten wir dann wohl besser nicht mehr besuchen.“
Sie nickte. „Wie gut, dass das Promenadendeck voll mit Bars ist.“
Die Türhälften schoben sich dröhnend beiseite und urplötzlich hatte ich das Gefühl, dass es mich fröstelte. Eine Eiseskälte schlug mir förmlich ins Gesicht.
Offenbar hatte auch Harley diesen Eindruck, denn mit einem Mal beschleunigte sie ihren Schritt und fragte ohne Umschweife: „Was ist passiert?“
Hathaway drehte sich um. Sein Gesicht war aschfahl, kleine Schweißperlen standen auf seiner Stirn. Bei seinem Anblick erschauderte ich noch mehr. „Es… es gab einen Unfall auf dem Jem’Hadar-Schiff.“ Okay, das war noch nicht weiter tragisch. Jedenfalls nicht tragisch genug, um zu stottern. „Zwei unserer Leute sind dabei umgekommen.“
Hier lebten zig Tausende Personen, und jeden Tag starben welche von ihnen, das war der Lauf der Dinge. Die meisten kannte man ja nicht einmal. Insofern war klar, dass es jetzt jemand sein musste, den viele kannten. Kirilenkova vielleicht?
„Wer?“ Anscheinend war Harley zu demselben Schluss gekommen, denn ihre Stimme klang brüchig.
„Ensign Bray“, fing Hathaway an. Okay, den Namen kannte ich schon mal nicht, „und Lieutenant Commander Valeris.“ Den Namen kannte ich!
Nach einer kurzer Schockstarre redete Mercury weiter: „Commodore ch’Thane hat eine vollständige Untersuchung angeordnet.“
„Ich verstehe“, murmelte Harley seufzend. „Wo habt ihr sie hingebracht?“
„Raum 1 und 2.“
Sie schaute zu mir. „Du übernimmst Bray.“ Ich nickte.
--- Autopsieraum 2 ---
Steriles, kaltes Licht erhellte den Raum, als ich ihn betrat. Es war eisig kühl und ebenso eisig ruhig. Langsam zog ich den Kittel an, der direkt neben der Eingangstür hing. Dann ging ich zur Mitte des Raumes. Normalerweise war ich für solche Tätigkeiten nicht zuständig, doch jetzt wollte man anscheinend jemand mit Erfahrung für diesen Job. Ob ich dafür die richtige Person war, hätte ich bezweifelt, aber wer war ich, dass ich mich gegen die Entscheidung der Führung stellte?
Er lag aufgebahrt auf dem Tisch. Nackt, nur ein kleines Tuch verdeckte seinen unteren Bereich. Neben ihm stand der Tisch mit diversen Utensilien, die ich im Laufe der Autopsie benötigte. Der Rippenspreizer, die Knochensäge, Zangen in allen Größen und Formen, um nur einige zu nennen. Jeder Hobby-Handwerker wäre neidisch geworden.
„Computer, starte Aufzeichnung der Autopsie von Ensign Thomas Bray, letzte Dienststelle: Techniker an Bord der Starbase G-001 New Hope. Mensch, männlich, weiß, Größe 1,85m, Gewicht 80,6kg“, fing ich mit den Grunddaten an, die ich von dem Padd ablas, das ich zuvor ergriffen hatte. Dieses legte ich nun wieder zurück auf den Tisch und sprach weiter: „Äußerlich sind folgende Verletzungen festzustellen: Klaffende Wunde am oberen Abdomen. Die Struktur der umgebenden Brandspuren lässt auf einen Treffer aus direkter Nähe schließen. Außerdem gibt es mehrere Hämatome am linken und rechten Unterarm, die womöglich von einem Kampf herrühren.“ Ich griff nach einer Pinzette und stocherte damit an den Fingern rum. „Unter den Fingernägeln befinden sich Hautfetzen.“ Ich zupfte ein Stück heraus und hielt es vor das Licht. „Gräuliche Färbung.“ Man musste kein Genie sein, um zu erahnen, dass es von einem Jem’Hadar war. Aber derartige vorverurteilende Vermutungen durfte ich hier nicht äußern. Ich griff nach einer Petrischale, legte den Hautfetzen hinein und versiegelte sie. „Die Rückstände werde ich der wissenschaftlichen Abteilung zur Bestimmung der DNA übergeben.“ Ich kontrollierte den Rest des Körpers. „Sonst gibt es keine weiteren sichtbaren, äußeren Verletzungen.“
Ich griff nach einem Laserskalpell, das bei Weitem nicht so fein war, wie das, was man als Mediziner sonst so benutzte. Aber das war auch nicht mehr nötig, der Patient würde sich über eine hässliche Narbe nicht mehr beschweren. „Ich beginne nun mit der Öffnung des Brustkorbs mittels Y-Schnitts.“
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Wedge Antilles

When the Fail is so strong, one Facepalm is not enough.

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