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--- Krankenstation ---
Okay, er hatte genug Flecken gemacht. Mit einem schelmischen Grinsen packte ich ihn weg. Deckel noch drauf und schon wurde der durchsichtige Probebehälter mit dem Blob ins Regal gestellt. Für den Fall, dass ich noch einmal Langeweile bekommen sollte, konnte ich ihn ja wieder rausholen.
Als ich den Behälter so wegstellte, fiel mir eine Kiste auf, die hinter diversen Dosen mit Cremes und Bechern mit Medikamenten versteckt war. Ich kramte die davor postierten Gegenstände beiseite, so dass ich einen freien Blick auf den Karton bekam. Interessanterweise waren Initialen draufgekritzelt: H.K.
Na, damit konnte doch nur unsere durchlauchtigste Chefin gemeint sein, und nicht etwa „Hundert Kompressen“. Damit war mein Interesse geweckt. Hektisch sah ich mich um, ob jemand anwesend war.
Okay, was dachte ich eigentlich, wo ich war? Ich war auf der Krankenstation, natürlich war jemand anwesend – im Zweifelsfall Doe.
Okay, was dachte ich eigentlich, wer ich war? Ich war ich, natürlich würde mich keiner beobachten, erst recht keine der heißen Krankenschwestern. Und selbst wenn mich jemand sah, ich holte doch nur ein Paket aus dem Regal, daran war schließlich nichts Verwerfliches. Ich musste nur unauffällig tun.
Flugs griff ich nach dem Paket, stieß dabei eine Dose herunter, deren Inhalt – viele blaue Pillen – sich auf dem Fußboden verteilte. So viel zum unauffällig verhalten. Ich schob die Pillen mit meinem Fuß zusammen und anschließend kollektiv unter das Regal. Dann widmete ich mich wieder dem Paket, holte es aus dem Regal, hielt es so vor mich, dass die Initialen nicht mehr zu sehen waren und ging in einen freien Behandlungsraum, wo ich seinen Inhalt inspizieren wollte.
--- nach der Mittagspause ---
„Wieso grinst‘n so?“ fragte Harley endlich, nachdem ich nun schon geschlagene fünf Minuten um sie herum getänzelt war. Egal, wie gut sie mich kannte und ignorieren gelernt hatte, irgendwann musste sie das doch nerven.
„Ich hab etwas gefunden!“ jauchzte ich.
„Mit dem Blob jemandem mit deinem Intelligenzquotienten?“ konterte Harley.
Verwirrt zog ich die Stirn kraus. „Hä?“
Harley grinste abfällig. „Das muss ich ja wohl nicht mehr weiter kommentieren.“
Ich schüttelte den Kopf. Nicht, um ihre Aussage zu verneinen, sondern um meine Gedanken zu sortieren. „Etwas, das dir gehört.“
Jetzt zog sie die Stirn kraus, wenn auch nur ganz kurz, schließlich gab sowas Falten. „Da du mich vor zwei Stunden noch nicht darauf angesprochen hast, kann es nicht meine Unschuld sein, die hab ich Lichtjahre von hier entfernt verloren.“
Ich legte den Kopf schief. „Nein, aber behalt die Geschichte, ich würde darauf später gerne nochmal zurückkommen… Es stand da vorne im Regal, gut versteckt hinter diversen Ampullen, Reagenzgläsern, Petrischalen und Cocktail-Gläsern.“
Okay, sie wusste, was ich meinte. Das verriet mir die Röte, die plötzlich in ihr Gesicht schoss. „Da stand mein Name drauf!“ echauffierte sie sich.
Ich hob verteidigend die Hände vor meine Brust: „Tat er nicht. Da stand nur H.K… Und ich dachte, das hieße ‚Hundert Kompressen‘.“
„Ja klar.“ Okay, ich gewann den Eindruck, sie glaubte mir das nicht. Dazu passte auch das Schnauben und das Augen Zusammenkneifen. „Jetzt muss ich mir ein neues Geburtstagsgeschenk für dich ausdenken.“
Ich riss die Augen auf. „W… Wa… Was soll ich denn mit einem… Ich hab einen!“
„Ja“, gab sie widerwillig zu. Ich wusste, sie hatte damals geguckt – ob nun freiwillig oder nicht, war mir egal, denn schließlich hatte sie geguckt. Und offenbar in Erinnerung behalten: „Aber du willst deinen doch nicht etwa damit vergleichen? Da stinkst du ab! Das Ding ist griffig, gerade und vor allem gigantisch.“
Ich wusste nicht, ob ich beleidigt oder angeregt sein sollte. Ich entschied mich nach kurzem Überlegen für letzteres: „Du hast ihn ausprobiert?“
Sie stemmte die Hände in die Hüften: „Ich bin Arzt, ich kenn mich damit auch ohne Praxistest aus.“
Das mochte ja sein, war aber auch kein Nein auf meine Frage.
Bevor ich nachhaken konnte, wurden wir auf einen neuen Patienten aufmerksam gemacht. Wobei ich mehr auf seine Begleitung aufmerksam wurde. Die kleine süße Technikerin, die ihre Abdrücke auf meinen Kronjuwelen hinterlassen hatte – allerdings gehörten diese Abdrücke zu ihrer Faust, was gar nicht süß war.
Dabei zog auch der Patient durchaus seine Blicke auf sich: Von seiner gelben Techniker-Uniform trug er nur das Oberteil, sein Unterkörper war etwas unbeholfen in eine Decke gewickelt. Aus der Decke heraus ragte ein kybernetischer Arm, dessen oberes Ende Odria in der Hand hielt. Es war nicht schwer zu erraten, wo das andere Ende, also die Hand, des kybernetischen Arms steckte.
Mit einem Prusten ging Harley auf das Technikerpärchen zu. „Wollen Sie mir erzählen, was passiert ist, oder soll ich von dem Offensichtlichen ausgehen?“
Der Patient wand sich ein wenig. Ob nun aus Scham oder Schmerzen oder beidem, wusste nur er. „Ich… Ich bin gefallen.“
Okay, das wäre zu offensichtlich gewesen. Sah meine Chefin genauso. „Oh, verstehe“, meinte sie abfällig. „Mit Ihrem Teil voran?“
Er wand sich wieder. „Können Sie mich von dem Ding befreien?“
Ich schaute Odria an – ganz konzentriert fixierte ich dabei ihre großen… Augen: „Wäre das nicht eigentlich eine Aufgabe für Sie?“
„Ich hab getan, was ich tun konnte: Es abgeschaltet! Immerhin ist sie so programmiert, einen Schraubenschlüssel zu benutzen.“
Okay, ich wollte es mir nicht vorstellen, aber irgendwie tat ich es doch. Zwangsläufig zog ich eine Schmerz geplagte Grimasse.
„Na gut, bringen Sie ihn in den Behandlungsraum da vorne“, befahl Harley und zeigte in die entsprechende Richtung. „Ty, hol schon mal die große Säge.“
Im Glitzern in ihren Augen spiegelte sich die Furcht des Technikers wider…