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Personen: Painter, Kirilenkowa (beide NPC), Yavapai
=/\= New Hope - Deck 360 - Büro des SCIS =/\=
Nach der Befragung von Petty Officer Painter, die länger gedauert hatte als ich es nach den Vorabinformationen geschätzt hatte, waren einige Fragen bereits geklärt. So konnte ich zum Beispiel die Anschuldigungen des Selbstmordkommandos zu den Akten legen, da selbst die Aussagen dieses angeblichen Opfers nicht in eine solche Richtung führen konnten. Obwohl sich der Unteroffizier alle Mühe gegeben hatte, die Kommandantin der USS Prophecy als irgendwie übergeschnappt oder kriminell dumm darzustellen, stellten ihre Handlungen nämlich selbst dann keine strafbare Handlung dar, wenn sie korrekt waren. Die Regeln der Kriegsführung verbaten einen direkten Angriff dieser Art nur dann, wenn es sich dabei um einen unautorisierten Erstschlag handelte, doch hatte der Captain eines Schiffes die Entscheidungsgewalt über derlei taktische Manöver, wenn die Schlacht im Weltraum bereits tobte. Selbst wenn wir Ermittler, die so gerne als Schreibtischhengste beleidigt wurden, also tatsächlich die Tendenz dazu hatten, solche Situationen etwas zu steril und einfach zu betrachten, so konnte man doch keinen Vorwurf aus diesen Schilderungen konstruieren.
Auch die angebliche Aussichtslosigkeit des Unterfangens spielte dabei keine große Rolle, da man laut Militärrecht einem Kommandanten nur dann einen Vorwurf über den Tod seiner Untergebenen machen konnte, wenn er ihn grob fahrlässig herbeigeführt hatte. Die gängige Rechtsprechung an den Kriegsgerichten, die ja allesamt von hochrangigen ehemaligen Soldaten durchgeführt wurden, zeigte aber überdeutlich, dass ein solcher Umstand unter Feuer beinahe nie angenommen wurde. Im Gegenteil schützten die Gerichte Kommandanten, die Fehlentscheidungen mit Verlusten an Menschenleben getroffen hatten, aus dem Wissen heraus, damit anderen Anführern die Sicherheit zu geben, im Kampf nicht über das spätere Verfahren nachdenken zu müssen. Wenn man es genau nahm, war in der Ausbildung überhaupt nur ein einziger Fall aufgetaucht, in der sich die Geschworenen tatsächlich gegen den Commander eines kleinen Schiffes gewendet hatte, und dieser hatte seine Leute mit dem Tod durch seine Hand bedroht, wenn diese nicht ins offene Sperrfeuer des Gegners liefen. Und selbst diese Entscheidung war, wie man in den Hallen der University of Alpha Centauri insgeheim munkelte, nicht einstimmig ausgefallen.
Einer anderen Art von Bestrafung wurden diese Männer und Frauen aber natürlich trotzdem zugeführt, da sich die Beförderungskommission und die hohen Tiere hinter den Planstellen nicht an Urteile oder Tatsachen halten mussten. Ein Captain, der derartig schlechte Entscheidungen traf und damit für den Tod von mehreren Crewmitgliedern direkt verantwortlich war, auch wenn diese im rechtlichen Sinne durch Feindeshand gefallen waren, bekam mit Sicherheit so schnell kein bedeutendes Kommando mehr, wenn ihm nicht ohnehin die ehrenhafte Entlassung angeboten wurde. Dass manche diese Maßnahme als unzureichend im Sinne des Gleichgewichts mit den verlorenen Leben fanden, führte zu einer der größten rechtlichen Kontoversen, die schon seit Jahrzehnten in der Föderation ausgiebig diskutiert wurde. Bisher aber hatten sich immer die Militärs durchgesetzt, die strategische Entscheidungsfreiheit ihrer Kommandeure über alles stellten.
In Kirilenkowas Fall jedoch blieb noch ein zweiter Punkt zu behandeln, der - so paradox das in Anbetracht der Sachlage auch klingen mochte - schwerer für sie wiegen konnte, wenn er sich als wahr herausstellte. Nach Schilderung des Petty Officers hatte sie ihm nämlich bereits vor dem missglückten Enterversuch mit einer gezielten Attacke seinen Phaser entwunden, der dabei losgegangen war und einen Brückenoffizier verletzt hatte. Abgesehen von den disziplinarischen Konsequenzen, die in diesem Fall von der Flotte durchzuführen war, erfüllte dies auch den Tatbestand der zweifachen Körperverletzung: Einerseits an Painter und anderseits an dem betäubten Techniker. Letztere Tat war im Zweifelsfall natürlich nicht geplant gewesen und daher als Fahrlässigkeit anzusehen, nichtsdestotrotz aber das Ergebnis ihrer gefährlichen Handlung.
Zwei große Fragen aber waren im Hinblick auf diese Vorwürfe noch zu klären: Erstens musste ich natürlich Beweise und Aussagen sammeln, die zur Stützung der Schilderung des Sicherheitsmannes beitrugen. Denn auch wenn ich nun wusste, dass der Angriff nicht grundlos erfolgt war, sondern als Reaktion auf den auch nicht ganz sauberen Befehl ihrer Sicherheitschefin, sie nötigenfalls mit Gewalt von der Brücke zu bringen, so war der Angriff immer noch geschehen, nachdem der Petty Officer bereits versichert hatte, von diesem Befehl Abstand zu nehmen und sich der Meinung von Kirilenkowa anzuschließen. Er hatte es lediglich gewagt, die Sinnhaftigkeit der taktischen Maßnahme zu hinterfragen und damit die Feindseligkeit ausgelöst. Doch darauf hatte ich momentan nur sein Wort und das von Lieutenant Commander Walker, die durch besagten Befehl nicht gerade eine unparteiische Zeugin abgab. Es war daher dringend notwendig, andere Zeugen zu befragen und sobald als möglich mit der Beschuldigten selbst zu reden.
Zweitens aber fragte sich auch, ob der momentane Geisteszustand des Captains sich nicht möglicherweise schon vor der Behandlung durch die Kazon manifestiert hatte und sich durch deren Folter nur rapide verschlechtert hatte. Ob die wirren Handlungen der Kommandantin überhaupt in das Schema der Krankheit passten, wegen der sie nun auf der Krankenstation behandelt wurde, wusste ich als medizinisch unbedarfte Laiin natürlich nicht. Die Möglichkeit bestand aber immerhin und gefährdete dadurch natürlich meine Untersuchung. Wenn sich nämlich herausstellte, dass Kirilenkowa bereits seit Beginn des Gefechtes oder gar noch länger nicht handlungsfähig gewesen war, konnte der Major vom JAS Corps seine Anklage getrost vergessen. Geisteskranke wurden in der Föderation nicht eingesperrt, sondern einer geeigneten Behandlung zugeführt - das war einer der wichtigen, moralischen Unterschiede, die wir zu vielen unserer befreundeten und verfeindeten Reiche hatten.
Direkt in die medizinische Abteilung für seelisch Erkrankte zu marschieren und nach diesen Dingen zu fragen, kam aber nicht in Frage, da die meisten der dort behandelnden Ärzte keine Freigabe für die Mission hatten, um die es im Gespräch gehen würde. Theoretisch ließ sich ein solches Szenario aber kaum besprechen, weswegen ich mir wohl oder übel einen Termin bei der CMO geben lassen musste. Diese war zwar mit Sicherheit beschäftigt und hatte überhaupt keine Lust in den ersten Tagen auf ihrem neuen Posten gleich eine solch delikate Sache angehen zu müssen, aber leider konnte ich ihr dieses Gespräch nicht ersparen. Ohne noch mehr Zeit zu verlieren, kontaktierte ich daher ihre Adjutantin und machte mein Anliegen klar. Die junge Frau am anderen Ende des Gesprächs versprach, sich wieder zu melden und beendete das Gespräch so abrupt und unhöflich, dass ich den Eindruck von großem Stress auf der Krankenstation bekam. Hoffentlich musste ich nicht zu lange warten.