Personen: Kiri, ein Med
Thema: Partielle Einschränkung hoffentlich nur temporärer Art
Wörter: 1.122
„Arg…ahhhh…….uhhh……..ahhh…….hhhhhhhh“
Ich hatte es geschafft, meine Beine über den Rand meines Bettes zu legen und mich hinzusetzen. Jeder einzelne Muskel meines Körpers schmerzte und ich konnte mich nicht daran erinnern, die Bestandteile meiner physischen Existenz jemals derart deutlich gespürt zu haben. Mit einem gewissen Grauen realisierte ich, dass der Weg von meinem Schlafzimmer in die Nasszelle ganz schön weit war und ich überlegte, ob ich mich nicht doch wieder hinlegen sollte. Doch auch der Weg des Oberkörpers zurück in die Kissen schien anstrengend. Ich stütze meine Hände neben meinem Hintern ab und versuchte letzteren mit Hilfe der ersteren entgegen der Schwerkraft nach oben zu hieven.
„Meine Güte“, entfuhr es mir, als ich – nach einer geschätzten Ewigkeit - schließlich stand. Ich schrafelte zu meinem Komm-Terminal und öffnete, die für mich einzig mögliche, Verbindung.
Mandy erschien auf dem Display.
„Guten Morgen“, krächzte ich und sie zog verwirrt eine Augenbraue in die Höhe.
„Geht es dir nicht gut? Du siehst furchtbar aus“, erwiderte sie.
„Irgendetwas stimmt nicht mit den Schwerkraftgeneratoren, zuständig für mein Quartier“, sagte ich und versuchte meinen Rücken zu entspannen, während ich Mandy zusah, wie sie auf ihrer Station arbeitete.
„Du bist der erste, der sich beschwert“, erklärte sie und ihre Finger huschten über die Tasten. „Aber ich kann nichts finden.“
Ich schüttelte den Kopf. Selbst das fiel schwer.
„Ich werde das überprüfen und weiterleiten“, sagte sie schließlich und bevor ich antworten konnte, hatte sie die Verbindung getrennt.
Ich kam gerade richtig, um Kirilenkowa aus ihrem Quartier kommen zu sehen und ihr nachsetzen zu können, den lästigen Muskelkater im Gepäck.
„Warten Sie“, rief ich ihn nach, als mir auffiel, dass, würde sie ihr derzeitiges Tempo beibehalten, ich sie kaum vor dem Turbolift würde erreichen können. Sie blieb tatsächlich stehen und wartete. Nicht aber, ohne sich einen Kommentar zu verkneifen.
„Sie kommen aus der Übung“, grinste sie.
„Sie haben recht.“ Ich schnappte nach Luft, konnte kaum glaube, dass mich schnelleres Gehen derart anstrengen konnte. „Ich glaube, irgendetwas stimmt nicht mit den Einstellungen der Schwerkraftgeneratoren.“
„Glauben Sie mir, Mr. Sturm. Mit denen ist alles in Ordnung.“ Sie sah mich an. „Nachdem Sie heute Morgen schon eine entsprechende Meldung gemacht haben, hat eine ausführliche Überprüfung ergeben, dass alle Systeme innerhalb normaler Parameter laufen.“ Sie setzte diesen gespielt mitleidigen Blick auf, als sie fortfuhr: „Vielleicht sollten Sie die Krankenstation aufsuchen. Nur diesmal nicht, um Interviews zu führen, sondern um sich einmal ausgiebig untersuchen zu lassen.“
Ich atmete tief durch. „Sie wissen doch selbst wie das ist. Einmal dort – der gesamte Tag im Eimer.“
„Eine sehr erstrebenswerte Vorstellung“, kommentierte sie gehässig. „Finden Sie nicht?“
Ich beschloss, dass Thema zu umgehen, als ich mein Padd in die Hand nahm und mir alle Mühe gab, äußerst beschäftigt zu tun.
„Es ist einiges passiert in den letzten paar Stunden.“
Kein Kommentar von ihr.
„Hat man Sie bereits offiziell aus der Krankenstation entlassen und diensttauglich erklärt?“
„Ja.“
„Haben Sie die Nacht schon in ihrem Quartier verbracht?“
Ein Seitenblick traf mich, bevor sie antwortet. „Ich wüsste zwar nicht, was Sie das angeht, aber ‚nein’.“
„Was waren die Gründe für die Überlastung im Labor?“
Wieder kein Kommentar.
„Sind die Schäden bereits repariert?“, versuchte ich die nächste Frage.
Noch immer kein Kommentar.
„Wie geht die Projektreihe vorwärts?“
Sie blieb so ruckartig stehen, dass es mir erst nach einigen Schritten auffiel, dass sie nicht mehr neben mir stand. Ich drehte mich um und sah sie an. Sie hatte die Hände in den Hüften abgestützt und starrte auffordernd in meine Richtung. Aufgrund ihrer derzeit neuen Frisur und der noch immer für mich sichtbaren Kunsthaut wirkte sie schon auf gewisse Weise bedrohlich.
„Im Gegensatz zu Ihnen bereitet es mir keinerlei Vergnügen, dass Sie mir ständig auf der Pelle hocken“, begann sie. „Ich habe mich daran gewöhnt, dass Sie mich auf Schritt und Tritt verfolgen, denn leider kann ich nichts dagegen tun. Aber ich werde bestimmt nicht IHRE Arbeit machen. Einige Herrschaften hier haben offenbar das Gefühl, man müsste Ihnen Zugang zu Informationen geben, die nicht für Zivilisten bestimmt sind. Meinetwegen. Dann nutzen Sie diese aber auch und lassen Sie mich mit Fragen in Ruhe, deren Antworten sie wunderbar selbst recherchieren können.“
Offenbar wartete sie auf eine Antwort, denn sie stand einfach nur reglos da. Nur fiel mir nichts Passendes ein. Als sie das realisierte, nahmen ihre Arme wieder die übliche Position an der Seite ihres Körpers ein und sie stolzierte, ohne mich eines weiteren Blickes zu würdigen, an mir vorbei und setzte ihren Weg – mit mir im Schlepptau - fort.
Was war nur mit mir los? Ich fand es extrem schwer, mich zu konzentrieren und so sehr ich mich auch bemühte, ich konnte keinen Grund dafür finden, dass ich derart neben mir stand. Soweit ich mich erinnerte, hatte ich in der Nacht zuvor weder ein ausschweifendes Besäufnis gehabt (was die mangelnde Konzentrationsfähigkeit erklären würde), noch war ich an einer Schlägerei beteiligt (oder gar Schuld?) gewesen (was die Muskelschmerzen erklären würde).
Da ich nichtsdestotrotz fest entschlossen war, auch in dieser scheinbar ausweglosen Situation Madam Kirilenkowa zu verwirren, gab ich ihr das, wovon ich glaubte, dass sie es am wenigsten erwartete: „Ich glaube, ich nehme Ihren Vorschlag an und gehe in die Krankenstation. Wenn Sie mich bitte entschuldigen würden?“
Ihre Antwort gefiel mir nicht wirklich. „Mit dem größten Vergnügen.“
==A== Krankenstation ==A==
„Mhmm……mhmmmmm…..mhmmmmm….“
„Vielleicht könnten Sie mir auch sagen, was Ihr ‚Mhmmm’ zu bedeuten hat?“, raunzte ich den Arzt an. „Oder unterhalten Sie sich nur mit Frauen?“ Mir war schon zu Ohren gekommen, dass einige männliche Medizinmänner dieser Station ein besonderes (und zugegeben sehr sonderbares) Verhältnis zu Angehörigen des schönen Geschlechts hatten. Ob ich nun mit einem solchen zu tun hatte, konnte ich nicht sagen. Das einzige, was mir bisher aufgefallen war, dass er nicht wirklich mit mir redete.
Er starrte mich an und ließ seinen Trikorder sinken.
„Sie sind zu mir gekommen. Also wollen SIE etwas von MIR“, nölte er und bereitete damit seinem chronisch schlecht gelaunten Berufsstamm alle Ehre. „An Ihrer Stelle wäre ich dann ein wenig vorsichtiger mit dem, was Ihren Kopf durch das Loch unter der Nase verlässt, nachdem es vorher die Stimmbäder beansprucht hat.“
„Danke für die Klarstellung“, erwiderte ich. „Ich habe keine Probleme mit meinem Magen, ich habe…“
„Arthrose“, sagte er und drehte sich weg.
„Was?“ Sonderbarerweise brachte ich nicht mehr heraus.
„Arthrosis alcaptonurica. Eine vermehrte Ablagerung von Homogentisinsäure in Gelenken bei vorbestehender Alkaptonurie.“
„WAS?“, wiederholte ich wohldurchdacht.
„Nichts“, antwortete er genervt und drückte mir ein Hyperspray an den Hals. „Da haben Sie erstmal etwas gegen die Schmerzen. Obwohl Sie das nicht verdienen. Und jetzt werden wir noch einige Test durchführen, um auf den Grund dieses Problems zu kommen.“
Bildete ich mir das ein oder grinste er mich tatsächlich leicht unveschämt an. „Ich hoffe, Sie haben heute nichts weiter vor?“
Ich hasste die Krankenstation!