Thema: in Würde altern?!
Personen: Odria, Sopek
Wörter: 693
„Außerdem würde ich schriftlichen Protest einlegen, wenn man sie der Station verweisen würde“, grinste ich sie an. Ich genoss das Essen. Mir gegenüber saß eine attraktive junge Frau. Ihre Hilflosigkeit (gespielt oder echt, das konnte ich nicht sagen) weckte in mir den männlichen Beschützerinstinkt und ihre noch sehr sichtbare Jugend ließ mich gleich mehrere Jahrzehnte jünger fühlen.
„Falls es Ihnen hilft“, ich lehne mich über den Tisch näher an sie heran und griff nach der Hand, die nicht gerade äußerst verkrampft den Löffel umklammert hielt. „Mich kann hier auf der Station auch keiner besonders gut leiden. Muss wohl an meinem Beruf liegen. Nichtsdestotrotz sind die Leute hier wundervolle Menschen. Geben Sie ihnen einfach eine Chance Sie kennenzulernen.“ Mein Blick auf meine Finger, die ihre umschlossen hielten und das erste Mal bemerkte ich bewusst, wie alt meine Haut aussah. Sie wirkte wie altes Leder und ich hoffte, ich bildete mir die Altersflecken nur ein. Mit einer ruckartigen Bewegung holte ich meine humanoiden Tentakel wieder in meine Sphäre und versteckte sie unter dem Tisch. Was tat ich hier eigentlich? Wenn das mit mir so weiterging, würde ich in weniger als 10 Tagen tot sein und ich hatte nichts besseres zu tun, als eine Frischrekrutin anzubaggern? Ich war nie der ‚lebe jeden Tag deines Lebens, als wäre es dein letzter’-Typ. Ich mochte mein Leben. Hatte es bisher immer gemocht. Wurde ich auf meine ‚alten Tage’ etwa sentimental?
Ich sah die Technikerin schon von Weitem und war tief im Inneren sogar dankbar dafür, dass Odria mich nun gezwungenermaßen verlassen würde. Irgendwie war ich nicht mehr in der Lage, mich auf einen Flirt zu konzentrieren, geschweige denn charmant zu sein.
Kaum war Odria mit ihrer Cheffin entschwunden, streckte ich mich. Das lange Sitzen (es waren gerade einmal 20 Minuten) hatte mich verspannt. Meine Schultern schmerzten und ich suchte Erleichterung, in dem ich mehrmals den Kopf hin und her bewegte. Es half nichts. Langsam und bedächtig erhob ich mich und schlurfte Richtung Ausgang.
„Mister Sopek!“, rief ich schon von weitem (weil ich nicht wollte, dass er sich nicht weiter von mir entfernte. Jeder Schritt zu viel war anstrengend). Das Gehör des Vulkaniers schien ausgezeichnet zu funktionieren, denn er blieb stehen, wandte sich um und zog – genau wie erwartet – eine Augenbraue in die Höhe.
„Mister Sturm“, begrüßte er mich und deutete ein Nicken an.
„Mister Sopek“, hechelte ich und hielt kurz einen Finger in die Höhe in der stummen Bitte, mir eine Sekunde Zeit zum Luftholen einzuräumen. Er nutzte diese Pause, um mich offenbar eingehender zu betrachten.
„Ich hoffe, ich trete Ihnen nicht zu nahe“, begann er vorsichtig. „Aber darf man fragen, was der Hintergrund Ihres derzeitigen Erscheinungsbildes ist?“
„Keine geheimen Ermittlungen. Soviel kann ich Ihnen sagen“, erwiderte ich. „Es ist keine freiwillige Entscheidung, so rumzulaufen.“
„Möchten Sie damit andeuten, dass Ihr schwermütiger Schritt, Ihre Falten und alle anderen sehr offensichtlichen Alterserscheinungen nicht beabsichtigt sind?“
„Ähh….ja.“
„Faszinierend. Ich nehme an, Sie haben auf der Krankenstation schon entsprechende Untersuchungen vornehmen lassen.“ Irgendwie klang das mehr nach einer Feststellung als nach einer Frage.
„Ja.“, antwortete ich erneut.
„Irgendwelche Resultate?“
Ich musste grinsen. „Egal, was die anderen behaupten, Vulkanier haben einen göttlichen Sinn für Humor.“
„Möchten Sie mich beleidigen?“
„Nein.“ Ich wischte seinen Kommentar mit einer Handgeste beiseite und versuchte mich zu sammeln. „Ich brauche Ihre Hilfe.“
Mit steifen Fingern kramte ich ein Padd aus meinen Rucksack und reichte es ihm.
„Es gibt Hinweise, dass der Unfall im Labor und das Feuer auf Deck 150 in einem Zusammenhang stehen.“
Er nahm das Padd entgegen, warf einen kurzen Blick darauf und sah mich wieder an.
„Darf ich Sie bitten, dass Sie sich das einmal ansehen?“
„Ich möchte Sie darauf hinweisen“, fuhr er in monotoner Tonlage fort, „dass, sollten sich Anhaltspunkte ergeben, die eine Sabotage oder eine anderweitige Fremdeinwirkung im Zusammenhang mit den jüngsten Ereignisse der Station nahe legen oder als möglich erscheinen, ich dies zunächst mit den zuständigen Führungsoffizieren besprechen werde.“
Ich hob die Hände in einer Geste der Ergebung und lächelte erneut.
„Ich bitte darum, Mr. Sopek. Ich nehme an, Ihren Ausführungen würde man mehr Gehör schenken, als meinen. Selbst wenn ich erwähnen würde, dass Sie die erbetene Überprüfung vorgenommen haben.“
Er nickte.