Personen: Sturm
Thema: Selbstfindung und Selbstverlust
Wörter: 671
Die Station war eindeutig zu groß. Oder ich war eindeutig zu alt. Jeder Schritt war plötzlich so anstrengend und schmerzhaft geworden, dass es eine Last war, Kirilenkowa die gesamte Zeit hinterherzulaufen und so verbrachte ich den Großteil meiner Zeit in meinem Quartier. Hatten sich meine Schmerzen zunächst eher wie Muskelkater angefühlt, musste es jetzt eine ausgewachsene Wildkatze sein. Ich konnte mich nicht mehr bücken, ich konnte mich nicht mehr drehen und wenden, meine Finger hatten ihre Flexibilität verloren und somit war sogar das Bedienen des Padds wie Mikadospielen mit Fausthandschuhen. Musste wohl die Gischt sein. Ich schüttelte bedächtig langsam den Kopf (musste ich doch bei jeder hektischen Bewegung ein Schleudertrauma befürchten) und legte ihn schließlich auf meine, auf der Tischplatte verschränkten Arme. Es fiel mir nicht leicht, es mir selbst einzugestehen, aber ich war deprimiert. Selbst eine Scheidung und eine Versetzung an den Nates des Universiums hatten mich niemals dazu gebracht, dass ich so empfunden hatte. Selbst der Kick des Neuen, der mich in jeder schlimmen Situation stets das Gute hatte sehen lassen, war verschwunden. Ich fühlte mich hilflos, einsam, so grausam verlassen. Was genau konnte ich vorweisen? Wen würde es kümmern, wenn ich jetzt hier heute im Alter von nicht einmal 30 Jahren in meinem Quartier an Altersschwäche starb? Ich hatte mir immer eingebildet, wenn ich dann mal alt sein würde, wäre ich in der Lage auf ein erfülltes, spannendes Leben zurückblicken zu können, meinen Kindern und Enkelkindern erfüllte und spannende Geschichten erzählen zu können und die Welt einfach nur zu lieben, für dass, was sie mir ermöglicht hatte. Heute hasste ich sie. Ich fühlte mich betrogen, diese Welt hatte mir die Zukunft genommen…
Ich seufzte, hob schwermütig den Kopf und sah auf den Stapel Padds, der neben mir auf dem Schreibtisch lag. Unter ihnen waren die Schadensberichte der vergangenen 48 Stunden, die ich eigentlich hatte sortieren und auswerten wollen (und da gab es tatsächlich eine Menge). Auch meine Ausdauer dahingehend ließ neuerdings zu wünschen übrig. Ich war kaum noch in der Lage mich für länger als 10 Minuten konzentrieren zu können und auch das trug nicht unbedingt zu einer Stimmungsbesserung bei. Wütend schob ich die Stapel vom Tisch. Bevor ich meiner destruktiven Phase zuviel Freiraum einräumen konnte, bemerkte ich auf meinem Terminal erneut ein rotes Lämpchen. Deck 363. Vor geschätzten 30 Jahren hätte ich mich ohne Zögern sofort auf den Weg gemacht. Hätte Zeugen befragt und Eindrücke gesammelte. Es schockierte mich, dass ich absolut keinen Drang danach verspürte, meinen ‚heimischen Kamin’ zu verlassen. Es ärgerte mich, dass Kirilenkowa ein Tempo an den Tag legte, bei dem ich nicht mehr mithalten konnte und die Wut kehrte zurück – stärker als zuvor. Mit der Beweglichkeit eines Hundertjährigen humpelte ich durchs Zimmer und versuchte mich abzureagieren, indem ich Tische umwarf und Padds gegen die Wand warf.
Dies war der absolute Tiefpunkt meines Lebens! Ich hockte in der hintersten Ecke meines Quartiers auf dem Boden, Tränen strömten mir übers Gesicht und mein Körper zitterte unkontrollierbar. Ich war nicht in der Lage, einen klaren Gedanken zu fassen und je tiefer sich diese Realität in meinem Gehirn einbrannte, umso unerträglicher wurde die Situation. Meine Atemzüge wurden kürzer, dafür umso hektischer und gleichzeitig hatte ich das Gefühl, nicht genügend Sauerstoff zu bekommen, was mich nur um so heftiger atmen lies. Panik stieg in mir auf. Das Zittern meiner Muskeln wurde stärker und mit ihm auch die Schmerzen in den Gelenken. Ich starrte auf meine Hand und erkannte den Phaser, konnte mich nicht daran erinnern, wo ich den her hatte (vermutlich hatte ihn die hübsche Bella aus der Sicherheit hier liegen lassen und während meiner Quartierumgestaltung war er mir in die Hände gefallen) und was ich damit eigentlich wollte. Aber je länger ich ihn in meinen von Gischt gezeichneten Händen betrachtete, umso angenehmer erschien mir dieser Ausweg zu sein. Ich hörte den Phaser nach mir rufen, mir die ewige Glückseligkeit anbieten und nur zu gern wollte ich ihm glauben. Ich drehte ihn in der Hand.
Nur am Rande nahm ich wahr, dass jemand meine ‚Türklingel’ betätigt hatte.
[NRPG: Gibt es wen, der ihn retten will?]