Personen: Svetlana Kirilenkova, Odria Tenara (erw.)
Thema: Alte Neuigkeiten
Wörter: 1.099
Nachdem der neue Wissenschaftler das Büro von Kirilenkova verlassen hatte, sah ich sie an.
„Komischer Kauz, oder?“, fragte ich.
„Das sagt der Richtige“, erwiderte sie, während sie ihre Sachen sortierte und hinter dem Schreibtisch hervorkam. Sie blieb vor mir stehen. Ich saß noch immer in meinem Stuhl und sie blickte mit einem Ausdruck im Gesicht, den ich nicht einordnen konnte (war es Mitleid oder war es Genervtheit) auf mich herab und hielt mir schließlich mit einem (definitiv) amüsierten Grinsen die Hand entgegen, als wollte sie mir aufhelfen. Um dem Ganzen noch eins drauf zu setzten, untermalte sie ihre ‚hilfsbereite’ Geste mit einem: „Ich hoffe, Sie haben sich ausreichend ausruhen könne. Ich werde jetzt mit Amyra Syce sprechen. Schaffen Sie es mitzukommen, oder möchten Sie noch etwas länger hier verweilen?“
„So sehr ich Ihr Büro auch mag“, grinste ich zurück und versuchte, mich von meinem Sitz zu erheben. „Aber ich habe genug gesehen.“ Mittlerweile hatte ich es – ohne ihre Hilfe – in eine aufrecht stehende Position geschafft. „Ich hoffe, Sie nehmen mit das nicht übel, aber ich finde Ihr Quartier etwas unpersönlich.“
Sie sah mich verständnislos an.
„Keine Nippes auf dem Schreibtisch, keine Fotos mit der Liebsten….“ Ich musterte sie, grinste und ging an ihr vorbei durch die Tür. Der Gesichtsausdruck, den sie zeigte, erfreute mich.
Auch wenn sie es nie hätte öffentlich zugeben wollen, ich merkte, dass sie ihre Geschwindigkeit extrem verlangsamt hatte und ich bildete mir ein, sie tat das wegen mir. Mit ihrer beeindruckenden Körpergröße war sie durchaus in der Lage, kräftig auszuschreiten und genau das tat sie nicht. Sie nahm also tatsächlich Rücksicht auf mich. Und so war ich gar nicht ausser Atem, als wir das Büro der CTO erreichten. Kirilenkova betätigte den Türsummer und wartete, bis sie ein entsprechendes ‚Herein’ erhielt.
„Commander“, nickte sie der Technikerin zu und nahm den von Syce angebotenen Platz. Ich blieb neben der Tür stehen. Zweimal an einem Tag zu versuchen, ohne Hilfe wieder von einem Stuhl hochzukommen, war eindeutig zu viel.
„Bericht!“, sagte Kirilenkova und ließ die Commander dabei nicht aus den Augen. Ich musterte sie genauso, versuchte hinter ihre Fassade zu blicken, denn ihr Gesichtausdruck war sonderbar leer. Sie zeigte weder Trauer, noch Anteilnahme, noch Mitleid oder Wut. Ich wusste nicht, wie es war, wenn man Kollegen verlor. Sicher, auf der Hope arbeiteten unzählige Techniker und es gab häufiger Unfälle, als man vermutete, aber es waren ihre Leute, die den Tod gefunden hatten. Auf die eine oder andere Weise war sie für diese Leute verantwortlich gewesen – oder würde sich verantwortlich fühlen.
„Wir haben die Schäden repariert“, sagte Syce und legte ein Padd auf den Tisch.
„Ich meinte etwas anderes“, fuhr Kirilenkova fort. „Wie haben Ihre Leute die Nachricht aufgenommen. Und vor allem: Wie geht es Ihnen?“
„Ma’am?“
Ich schüttelte in Unverständnis den Kopf. War sie wirklich so kaltherzig oder versuchte sie einfach, ihre wahren Gefühle hinter dieser Kaltschnäuzigkeit zu verstecken? Ich konnte mich nicht zusammenreißen und so stellte ich die nächste Frage: „Haben Sie Commander Advena und Ensign Bray auf dieses Schiff geschickt?“
Syce schaute (hilfesuchend?) zu Kirilenkova, als würde in deren Gesicht die Antwort stehen. Ich wusste, was dieser Blick bedeutete. Syce war sich nicht sicher, ob sie antworten durfte. Zu meiner größten Überraschung nickte Kirilenkova und gab somit das Signal, das Syce erlaubte, frei zu sprechen. Ich war mir sicher, dass mein Lieblingskäse bereits alle Hintergrundinformationen zu diesem Fall hatte. Kam sie mir etwa schon wieder entgegen? Ich nahm mir vor, mich später bei ihr dafür zu bedanken.
Syce straffte ihre Haltung, faltete die Hände auf dem Tisch und lehnte sich zurück.
„Nein, Mr. Sturm“, begann sie. „Ich habe Commander Advena und Ensign Bray nicht auf dieses Schiff geschickt.“ Sie wartete, schaute wieder Kirilenkova an und holte sich offenbar stumm die Bestätigung, dass sie fortfahren durfte.
„Lieutenant Hogan ist für Wartungsaufgaben von Schiffen im Dock zuständig.“
„Aber Sie geben doch die letzte Bestätigung für einen solchen Einsatz, oder etwa nicht?“
„Mr. Sturm.“ Irgendwie hatte sie einen selbstgefälligen Ton drauf. „Was glauben Sie, wie viele Techniker hier auf der Station Dienst tun?“
„58.350“, antwortete ich und korrigierte mich sogleich. „Nein. 58.348.“
Sie lächelte süffisant. „Bei einer solchen Anzahl ist es einfach nicht möglich, jeden einzelnen Einsatzbefehl gesondert abzuzeichnen. Ich bringe meinen Leuten etwas entgegen, was Sie bestimmt nicht kennen, Mr. Sturm. Vertrauen. Ich vertraue meinen Leuten. Und es kann immer etwas passieren. Eine Plasmaentladung, ein Kühlleck….jeder hier weiß, dass dieser Job auch gefährlich werden kann. Das wussten auch Lieutenant Commander Advena und Ensign Bray.“
„Was wollte Lieutenant Commander Advena überhaupt auf diesem Schiff? War sie dem Wartungsdienst zugeteilt?“
„Nein. Sie war im Zuge der Ausbildung einer Rekrutin auf diesem Schiff.“
„Darf ich fragen, wer diese Rekrutin ist?“
„Crewman Odria Tenara.“
Etwas in mir verkrampfte sich und ich wühlte in meinem –in letzter Zeit sehr - vergesslichen Gehirn. Lange musste ich nicht suchen und das Bild der kleinen, niedlichen Trill tauchte auf. Es kam mir fast vor, als wären schon Monate vergangen, seit ich mit ihr zu Mittag gegessen hatte und sie mir ihr Herz darüber ausgeschüttet hatte, dass sie Zweifel plagten. Zweifel, dass man sie hier nicht würde leiden können. Wie fühlte sie sich jetzt? Hatte sie Gelegenheit gehabt, sich mit Lt.Commander Advena auszusprechen? Wie hatte sie ihren Tod aufgenommen? Ich hatte das dringende Bedürfnis, nach ihr zu sehen. Offenbar war auch Kirilenkovas Maß an Selbstlosigkeit für den Moment erschöpft, denn sie schnappte sich das Padd auf dem Tisch und sah mich.
„Ich glaube, wir sind hier fertig!“, sagte sie in einem Tonfall, der keine Widerworte duldete und erhob sich. Sie nickte Syce noch einmal zu und verließ schnellen Schrittes das Büro der Cheftechnikerin. Ich ging ihr nach, fand sie auf dem Gang auf mich wartend.
„Sie hatten diese Informationen schon?“, stellte ich das Offensichtliche fest.
„Natürlich“, antwortete sie.
Ich wusste, dass es nur sehr wenige hier auf der Station gab, die gern mit mir redeten. Und sofern Svetlana nicht ihre geheime Abneigung gegen Commander Syce hatte ausleben wollen, konnte dies nur ein Geschenk ihrerseits an mich gewesen sein. Oder….?
„Wenn ich gemein wäre“, sagte ich wie beiläufig, während wir den Turbolift ansteuerten. „Würde ich sagen, Sie haben das Gespräch mit Syce nur ermöglicht, um von sich selbst abzulenken.“
„Wie meinen Sie das?“, fragte sie genau so beiläufig, ohne mich anzusehen.
„Ich arbeite an einem Portrait über Sie“, grinste ich sie an. „Sie werden wohl nicht umhin kommen, mir Ihre bessere Hälfte vorzustellen“
Obwohl ihr Gesichtsausdruck ein weiteres Mal unleserlich blieb, konnte ich mir lebhaft vorstellen, dass sie genau in diesem Moment wünschte, sie hätte den Phaser von mir nicht entgegengenommen, sondern abgewartet, dass ich ihn benutzte.