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Personen: alle auf der Brücke der Prophecy kurz vor ihrem Absturz (erwähnt)
=/\= New Hope - Deck 109 - Promenadendeck =/\=
Mit neuen Schuhen an den Füßen, die sich dank der hervorragenden Beratung in dem exklusiven Geschäft ein paar Schritte von hier entfernt perfekt an meine Füße schmiegten, saß ich entspannt im Café Arco und genoss das erste Eis seit Jahren. Bisher hatte ich mir aufgrund dieser verdammten Fitnesstests keines gegönnt, aber heute waren die Ergebnisse endlich eingetroffen und meine Punktzahl war seit dem letzten Jahr sogar noch etwas gestiegen. Zur Feier des Tages durfte ich mich also durchaus mit einer Kleinigkeit belohnen, während ich mir selbst vormachte, den schon lange geplanten Schuhkauf professionell zu analysieren. Denn schließlich gab es ja gute Gründe, das neuste Meisterwerk dieses Designers zu tragen, die weit über das schlichte und doch elegante Äußere hinausgingen. Sie waren nämlich auch bequem und eigneten sich leicht als Arbeitsschuhe, konnten aber per Befehl dazu gebracht werden, ihre Sohle noch am Fuß so zu verändern, dass dieser sich leicht anhob und auf einem aus dem Nichts erscheinenden Absatz gelagert wurde. In Wirklichkeit waren das aber bloße Ausreden, denn schwarze Stiefel für meinen Job hatte ich schon mehr als genug. Tief in mir drin hatte ich diese Schuhe einfach schön gefunden und musste sie haben, mehr nicht.
Zu diesem Eingeständnis war ich in meiner deutlich gehobenen Laune aber noch nicht ganz gekommen, als plötzlich ein großer Schatten auf meinen Tisch fiel, weil ein uniformierter Mann das Licht teilweise verdeckte. Er war nicht besonders groß, hatte aber breite Schultern und ein so kantig andorianisches Gesicht, dass er sicherlich in irgendeiner Garde diente. Entsprechend steif und höfisch waren auch seine Manieren, denn er räusperte sich zunächst um mich seiner Anwesenheit gewahr zu machen - was freilich unnötig war, da alleine seine Oberarme vermutlich eigene Monde hatten - und sagte dann: “Bitte entschuldigen Sie, Miss. Der Botschafter möchte Sie gerne zu einem Kaffee einladen.“
Mittlerweile war ich nun schon seit einigen Monaten auf dieser Station und was mir anfänglich vielleicht sogar geschmeichelt hätte, war mittlerweile nur noch nervig. Denn gemessen an der Gesamtbevölkerung dieses Riesendings war der Anteil an Diplomaten und Politikern immer noch extrem hoch. Und da trotz der großzügigen Quartiere in der sekundären Sektion bei Weitem nicht alle Abgesandten ihre Familien hatten überreden können, mit in diese entlegene Gegend zu ziehen, die ja nun auch nicht ganz ungefährlich war, langweilten sich die Damen und Herren nun. Da aber die Mitglieder der Flotte zumindest während des Dienstes absolut tabu waren, wenn man nicht einen Fauxpas der größeren Sorte begehen wollte, richtete sich die Aufmerksamkeit derer, die sich für wichtig genug hielten, dass ihre Einsamkeit irgendwie vorrangig zu bekämpfen war, auf Zivilisten und solche Truppenangehörige, die nicht unmittelbar als solche erkennbar waren.
“Bitte sagen Sie dem Botschafter…“, antwortete ich daher mit einem höflichen Lächeln und spulte den mittlerweile schon eingeübten Satz ab. “…dass ich mich sehr geehrt fühle. Ich bin aber leider im Dienst und verbringe nur meine Mittagspause hier. Ich kann das Angebot daher leider nicht annehmen.“ Der namenlose Andorianer verstand den versteckten Hinweis und nickte nur leicht, bevor er sich von meinem Tisch verabschiedete, ohne nach meinem Namen oder der Dienstnummer zu fragen. Es gab aufdringlichere Herrschaften und so hatte ich sogar noch ein weiteres Lächeln für seinen Chef übrig, nachdem ich mein Eis beendet hatte. Anschließend verließ ich aber wieder das Kaffee und machte mich auf den Weg zurück in mein Büro, wobei meine Gedanken noch einen Augenblick bei dem kleinen Zwischenfall hängen blieben. Denn selbst wenn die Zeit mir beigebracht hatte, mich an gelegentliche Annäherungsversuche zu gewöhnen, war ich immer noch nicht sicher, was ich darüber denken sollte.
=/\= New Hope - Deck 360 - Büro des SCIS =/\=
In meinem kleinen Abteil angekommen, startete ich zunächst meine Verbindung zum Zentralrechner und lies mir dann die von dem technischen Forensiker freigeschalteten Aufzeichnungen anzeigen. Der Computer projizierte sie zu diesem Zweck an eine der Wände und verwendete die holographischen Emitter, um die Metadaten der Bilder anzuzeigen. Insbesondere waren dabei der Zeitstempel sowie der Alarmzustand des Schiffes interessant, da sich die fragliche Szene direkt am Rande des Gefechts mit einem als feindlich klassifizierten Ziels zugetragen hatte. Der originale Ton der Geschehnisse war ebenfalls gerettet worden, auch wenn er an manchen Stellen von heftigen Erschütterungen oder ähnlichen Interferenzen komplett geblockt wurde, was kleinere Satzteile unverständlich machen konnte. Das Meiste war aber zu verstehen und so wanderte ich in meinem Raum auf und ab, während ich aufmerksam zuhörte. Dabei hatte ich zu Beginn meine Schuhe noch in ihrem schönen Modus gelassen, wechselte aber sehr bald auf die Einstellung ohne Absätze, um meinen Füßen eine Pause zu gönnen.
Diese Entscheidung sollte sich als besonders weitsichtig herausstellen als ich schließlich zu den wirklich wichtigen Stellen kam. Denn je länger ich mir die Aufzeichnung ansah, umso länger und ärgerlicher wurden die Schritte, mit denen ich den kleinen Raum durchmaß. “Dilettanten.“, murmelte ich und schimpfte ein paar noch unschönere Worte vor mich hin, wobei ich aufpassen musste, nicht in die alte Aversion gegen Offiziere aus meiner Zeit in der Sicherheit zurückzufallen. Mittlerweile war meine Ausbildung so weit gediehen, dass ich locker selbst als Lieutenant oder Lieutenant Commander eingestellt werden konnte und der Sonderrang als Special Agent war diesen auch in etwa gleichgestellt, aber wenn ich diesem Haufen dort zusah konnte ich mich nur glücklich schätzen, nicht Teil dieser Brückencrew zu sein. Soweit ich das nämlich beurteilen konnte, gab es dort unten nur sechs Männer, die wirklich alles richtig gemacht hatten: Fünf Marines und ein Chefwissenschaftler, der es bevorzugt hatte sich seinen Aufgaben zu widmen anstatt sich in private Konflikte einzumischen.
Darüber hinaus war jeder Kollege auf dieser Brücke dem zugegebener Maßen immensen Druck der zum Scheitern verurteilten Geheimmission erlegen: Commander Walker hatte Befehle gegeben, deren Erfüllung sie kaum von ihren Untergebenen erwarten konnte, ihre Untergebenen wiederum hatten sich zaghaft zwischen den Offizieren gewunden, anstatt sich des alten Sprichworts “Melden befreit“ zu erinnern und die Chefmedizinerin stand neben ihrer Verlobten auf der Brücke, während ihre Gefechtsstation von einem Junioroffizier bemannt wurde. Am Schlimmsten aber war Captain Kirilenkowa, die eigentlich der Fels in dieser schämenden Brandung hätte sein sollen. Stattdessen aber hatte sie die Nerven verloren und sich mühsam aus einem tiefen Tränental gezogen, nur um dann völlig ohne offensichtlichen Grund auf den Sicherheitsoffizier loszugehen, der sich gerade halbwegs mutig dafür entschieden hatte, ihr die Unsinnigkeit ihres Plans zu erläutern.
Obwohl mir also schon am Ende des ersten Durchgangs bereits klar war, dass die Vorwürfe der Sicherheitschefin zumindest größtenteils absolut gerechtfertigt waren, weil die Kommandantin einfach ihre Befugnisse überschritten hatte, sah ich mir die Vorfälle dennoch ein paar weitere Male an. Ich hatte vor, nicht nur dem JAS Corps einen Bericht zu schreiben, in dem es um die strafrechtlichen Belange dieser Szenen ging, sondern auch einen Hinweis an den disziplinarrechtlichen Vorgesetzten all dieser Leute, Commodore ch’Thane. Ihn interessierte mit Sicherheit brennend, welche Kapriolen auf Geheimmissionen von seinen Leuten geschlagen wurden und würde sich definitiv überlegen müssen, ob sein Auswahlprozess für Senioroffiziere noch tauglich war.
Um diesen Bericht aber fair abgeben zu können, musste ich auch die Dynamik der Beziehungen an Bord verstehen und so hatte ich noch einige Durchgänge vor mir, bevor ich endlich auch verstehen konnte, wie es zu dieser mangelnden Absprache kommen konnte. Denn der eigentliche Auslöser des gesamten Dramas war indirekt der wirre Befehl der Sicherheitschefin gewesen, Kirilenkowa nötigenfalls mit Gewalt zu evakuieren. Auch da stand mir noch eine Menge Arbeit bevor, wenn ich dem Leiter dieser Station detailliert Rede und Antwort stehen können wollte. Und was auch immer man sonst so über mich sagen mochte, so hatte noch niemals irgendwer behauptet, dass ich meine Arbeit nicht gründlich erledigte.