NH = MLog 02 = CrRec Anne Gordon = SD: 16189.2171 = Sec
Verfasst: Mo 23. Mär 2015, 21:46
Wörter: 1782
Personen: Thomas E. Roberts, Faedré (erwähnt)
NPCs: Alexander Gordon (erwähnt), John McBright
=/\= Starbase G-001 „New Hope” – primärer mittlerer Komplex – Deck 334 – Sicherheitsabteilung – Trainingsraum – Tag 11 – 0700 =/\=
Die Nacht war besser gewesen als die meisten. Wahrscheinlich war das nur daher gekommen, dass ich nach der langen, anstrengenden Reise besonders müde gewesen war, aber ich beschloss, es als gutes Omen zu sehen. Nach dem Aufstehen hatte ich noch dazu eine kurze Nachricht von Alexander auf meinem Terminal vorgefunden. Mein großer Bruder, mittlerweile stellvertretender Chefingenieur auf der USS Orleans – was hatte ich ihn damit aufgezogen, dass er als Engländer ausgerechnet auf einem Schiff diente, das den Namen einer französischen Stadt trug, denn zumindest in scherzhafter Form galt die alte Rivalität zwischen den beiden Nationen heute noch – hatte meinen ersten Arbeitstag bei der Sternenflotte nicht vergessen. Er wünschte mir Glück und zeigte sich nach wie vor überzeugt, dass meine Entscheidung, zur Sternenflotte zu gehen, die richtige gewesen war. Wie sehr ich hoffte, dass er recht hatte.
Zum Training allerdings kam ich zu spät, was allerdings nicht meine Schuld war, sondern daran lag, dass der CXO mich vorher noch hatte sprechen wollen. Das Gespräch war eher kurz gewesen, wobei ich mich des Eindrucks nicht erwehren konnte, dass er sich die ganze Zeit eine Meinung über mich zu bilden versuchte, aber dennoch stand der Rest der Kadetten und Crewmen schon in Trainingsklamotten im Trainingsraum der Sicherheit, als ich ankam. Aber da ich in Begleitung des Abteilungsleiters kam, war das weiter kein Problem. Schnell und mit möglichst wenig Aufhebens stellte ich mich zu den Anderen und harrte der Dinge, die da kommen würden.
Um mich herum standen diejenigen, mit denen ich zusammen trainieren würde. Größtenteils bestand die Gruppe aus Kadetten, fast ausnahmslos einige Jahre jünger als ich. Angesichts der Mischung aus Nervosität und freudiger Aufregung, die ich auf den meisten Gesichtern las, kam ich mir hundert Jahre alt vor. Ich schob den Gedanken beiseite. Meine Praxis-Erfahrung konnte mir hier nur nützen, und wahrscheinlich waren die meisten Kadetten nett. Vielleicht konnte ich dem einen oder anderen ein wenig helfen, sich schneller in der Praxis zurecht zu finden. Ich hatte immer gerne Leuten etwas beigebracht. Andererseits wusste ich natürlich auch nicht, wie es in der Sternenflotte zuging. Meinen Beruf verstand ich – zumindest hatte ich das immer angenommen, bis... nein, daran durfte ich jetzt nicht denken, ermahnte ich mich und schob den Gedanken entschlossen beiseite – aber die Vorschriften und militärische Disziplin der Sternenflotte waren mir fremd. Abgesehen von den Hemden mit unserem Firmenlogo war es fünf Jahre her, dass ich zuletzt eine Uniform getragen hatte. Ich war mit 18, direkt nach dem Schulabschluss, zur Armee gegangen und hatte diese nach den üblichen zwei Jahren verlassen, um meine Arbeit für Reliant Security zu beginnen. Es fühlte sich merkwürdig an, nun wieder uniformiert zu sein und militärisch zu grüßen, fast wie eine Reise in die Vergangenheit.
Viel Zeit für solche Betrachtungen hatte ich allerdings nicht, denn das angekündigte „kleine Training“ erwies sich als durchaus herausfordernd. Ich allerdings hatte den meisten meiner Mitstreiter einiges an Erfahrung voraus, und das machte sich bemerkbar. Als das Training zu Ende war, war ich müde, aber glücklicher, als ich seit langem gewesen war.
=/\= Starbase G-001 „New Hope” – primärer mittlerer Komplex – Deck 334 – Sicherheitsabteilung – Teamleiterbüros – Tag 19 – vormittags =/\=
Die letzten Tage waren so anstrengend, aber auch interessant gewesen, dass ich kaum glauben konnte, dass ich schon über eine Woche auf der Station war. Zwar hatte ich bislang noch keinen Einsatz gehabt, sondern nur trainiert, aber das Training war spannend und abwechslungsreich und ich hatte das Gefühl, viel dabei zu lernen. Auch mit den anderen Kadetten verstand ich mich ausgezeichnet. Tiefe Freundschaften hatte ich natürlich in der kurzen Zeit noch keine geknüpft, aber ich mochte die meisten anderen Team-Mitglieder und arbeitete gern mit ihnen zusammen.
Deswegen war ich erschrocken, vor allem aber verwirrt, als Lieutenant Roberts mich ins Teamleiterbüro zitierte. Ich überlegte, was ich falsch gemacht haben könnte. Mir fiel nichts ein. Die erste Übung des Vormittags war erfolgreich verlaufen, es hatte keine Unstimmigkeiten im Team gegeben, und von den unangenehmeren Auswüchsen meiner Erinnerungen an Sinus 4 war ich während meiner Dienstzeit auf der „New Hope“ bislang verschont geblieben. Was also warf Roberts mir vor?
Ich hatte mich trotzdem schnellstmöglich ins Büro aufgemacht. Unangenehmen Dingen sah ich lieber direkt ins Auge. Aus der Miene des Lieutenant konnte ich nichts lesen, als er so vor mir stand. „Haben Sie eine Ahnung, warum Sie hier sind?,“ fragte er in ruhigem Tonfall. „Um ehrlich zu sein, nein, Sir,“ erwiderte ich. Ich hatte die Erfahrung gemacht, dass Ehrlichkeit in solchen Situationen meistens die beste Idee war.
So wohl auch in diesem Fall, denn Roberts lächelte leicht. Seine nächsten Worte überraschten mich jedoch. „Nun, Crewman, sie haben in der letzten Woche ausgezeichnete Leistungen beim Training gezeigt. Da fand ich, es sei einmal an der Zeit, dass wir uns unterhalten.“ Ich konnte meine Verwirrung nicht ganz verbergen, spürte sogar, dass ich leicht rot wurde, was mir schon verdammt lange nicht mehr passiert war. „Danke, Sir,“ sagte ich. Mein Lächeln war echt, natürlich freute mich das, aber vor allem war ich verwirrt. Es war, als hätte ich vergessen, wie es sich anfühlt, etwas gern zu tun und gut darin zu sein. Dabei war das genau das Gefühl, was mir mein Beruf früher immer gegeben hatte.
Meine Verwirrung stieg noch bei Roberts' nächsten Worten. „Haben Sie schon darüber nachgedacht, wie Sie sich spezialisieren wollen, wenn Sie das Training abgeschlossen haben?,“ fragte er. Ehrlich gesagt hatte ich daran noch keinen Gedanken verschwendet. Karriere, das alles war so unglaublich weit weg erschienen. Ich hatte nur weg gewollt, heraus aus meinem Leben, neu anfangen. Weiter hatte ich nicht gedacht. Wortlos schüttelte ich den Kopf und befürchtete, dass Roberts mich nun für eine Idiotin hielt.
Falls er das tat, ließ er es sich aber zumindest nicht anmerken. „Haben Sie Interesse daran, eine Führungsposition zu übernehmen?,“ fragte er stattdessen. Ich spürte, wie ich zu schwitzen begann, wie mein Herz schneller schlug. Nein, wollte ich schon sagen, auf gar keinen Fall. Nie wieder möchte ich die Verantwortung für andere Menschen haben. Ich habe doch bewiesen, dass ich das nicht kann. Aber aus irgendeinem Grund schwieg ich. Vielleicht wollte ich vor meinem Vorgesetzten nicht schlecht dastehen. Oder vielleicht hatte ich auch einfach genug davon, dass dieser Anschlag permanent mein Leben bestimmte. Früher hätte ich sonstwas gegeben für eine solche Chance.
Der Lieutenant schien mein Schweigen für Verlegenheit zu halten. „Was halten Sie davon, wir probieren es einfach einmal aus? Ab sofort sind Sie eine der Truppleiterinnen für die Frischlinge. Ich werde alles notwendige veranlassen.“ Ich murmelte etwas, von dem ich hoffte, dass es einigermaßen eloquent und dankbar klang, bevor ich die Flucht aus dem Büro antrat.
=/\= Starbase G-001 „New Hope” – primärer mittlerer Komplex – Deck 99 – Tag 19 – mittags =/\=
Zeit zum Grübeln hatte ich allerdings nicht. Das wäre Grund zur Freude gewesen, wenn der Anlass nicht so verdammt ernst gewesen wäre. Noch am Mittag des selben Tages wurden mein Trupp und ich zu einem Vorfall gerufen, bei dem eine der Medizinerinnen offenbar schwer durch einen Messerstecher verletzt worden war.
Kurz nach Lieutenant Roberts trafen wir ein. Ich dachte jetzt an gar nichts, tat nur das, was der Auftrag erforderte, ganz automatisch. Als der Lieutenant mich anwies, die Umstehenden zu befragen, tat ich auch das. Ich gab den jungen Kadetten und Crewmen, von denen einige doch deutlich angespannt wirkten, ein paar knappe Befehle, und machte mich dann an die Befragung der Umstehenden. Einige von ihnen schienen unter Schock zu stehen, aber ich hatte gelernt, einfühlsam zu sein und häufig auch in solchen Situationen noch wertvolle Informationen zu bekommen. Alles, was ich für wichtig hielt, schrieb ich mir auf. So konnte ich es nicht im Eifer des Gefechts vergessen. Außerdem war das eine gute Ausgangsposition für meinen Bericht. Einsätze mussten immer gründlich dokumentiert werden, das war in der Sternenflotte sicher nicht anders als in einem privaten Unternehmen. Ich ging eher davon aus, dass die diesbezüglichen Vorschriften hier noch strenger waren.
An das Opfer des Angriffs oder die Gefühle ihrer Angehörigen dachte ich in diesem Moment nicht. Später, das wusste ich, würde mich das durchaus beschäftigen, aber jetzt zählte nur der Auftrag.
Als ich so viele Informationen gesammelt hatte, wie ich konnte, zog ich mich mit meinen Aufzeichnungen in die Sicherheitsabteilung zurück. Ich ließ den Computer rasch einige Analysen durchführen und hatte schon bald eine heiße Spur. Der Attentäter, den wir am Tatort bewusstlos aufgefunden und mittlerweile in die Arrestzelle verfrachtet hatten – ihn mussten wir auch noch verhören, hatten aber den Befehl erhalten, damit noch zu warten – hatte nicht allein gearbeitet. Es gab mindestens eine Kontaktperson an Bord. Bei dieser handelte es sich allem Anschein nach um einen jungen Crewman von Betazed, der bislang unauffällig in der Wissenschaftsabteilung Dienst getan hatte. Bei sorgfältigem Hinsehen stellte sich seine Akte allerdings als gefälscht heraus. Darin stand nämlich, dass er bereits seit fast einem Jahr auf der „New Hope“ Dienst tat – die Akte allerdings war, auch wenn das sorgfältig zu verschleiern versucht worden war, erst wenige Tage alt. Ich nahm an, dass der Crewman auch erst dann an Bord gekommen war. Nun war ich sicher, dass mit diesem Mann etwas nicht stimmte.
=/\= Starbase G-001 „New Hope” – primärer mittlerer Komplex – Deck 364 – Wissenschaftsabteilung – Tag 19 – nachmittags =/\=
Wenig später stürmten wir mit gezückten Waffen die Wissenschaftsabteilung. Wie vom Computer angegeben stand unser Crewman an einem der Terminals und führte irgendwelche Messungen durch. Mein ganzer Körper war angespannt, ich wartete nur darauf, dass er irgend etwas versuchen würde. Doch als der junge Mann aufblickte, war sein Blick ruhig, fast resigniert. Langsam hob er die Hände und ließ sich widerstandslos festnehmen.
Ich holte tief Luft, versuchte, die Nachwirkungen des Adrenalinrauschs unter Kontrolle zu bekommen, und sah mich in der Wissenschaftsabteilung um. Ich blickte in erschrockene, teils sogar feindselige Gesichter. „Crewman, was glauben Sie, was Sie da tun?,“ fragte einer der Wissenschaftler. „Meinen Job, Sir,“ erwiderte ich so ruhig wie möglich. „Doktor, wenn ich bitten darf. Doktor John McBright.“ „Jawohl, Sir – Doktor,“ erwiderte ich, um Haltung bemüht, „Dieser Mann steht im dringenden Verdacht, an einem Angriff auf eine unserer Medizinerinnen beteiligt gewesen zu sein. Deswegen mussten wir ihn unverzüglich festnehmen.“ McBright wirkte nicht überzeugt. „Das kann nicht sein. In meiner Abteilung kommt so etwas nicht vor. Fragen Sie mal bei den Technikern, die sind so inkompetent, da wundert mich gar nichts mehr,“ sagte er streitlustig. Hinter mir hörte ich ein nervöses Kichern. Zeit, etwas zu tun, bevor die Situation eskalierte. Ich wies mein Team an, den Festgenommenen abzuführen und in die Arrestzelle zu verfrachten. Anschließend sollten sie in der Sicherheitsabteilung auf weitere Befehle warten. Besser, ich klärte das mit dem Doktor allein. Das dürfte schon schwierig genug werden.
=tbc=
Personen: Thomas E. Roberts, Faedré (erwähnt)
NPCs: Alexander Gordon (erwähnt), John McBright
=/\= Starbase G-001 „New Hope” – primärer mittlerer Komplex – Deck 334 – Sicherheitsabteilung – Trainingsraum – Tag 11 – 0700 =/\=
Die Nacht war besser gewesen als die meisten. Wahrscheinlich war das nur daher gekommen, dass ich nach der langen, anstrengenden Reise besonders müde gewesen war, aber ich beschloss, es als gutes Omen zu sehen. Nach dem Aufstehen hatte ich noch dazu eine kurze Nachricht von Alexander auf meinem Terminal vorgefunden. Mein großer Bruder, mittlerweile stellvertretender Chefingenieur auf der USS Orleans – was hatte ich ihn damit aufgezogen, dass er als Engländer ausgerechnet auf einem Schiff diente, das den Namen einer französischen Stadt trug, denn zumindest in scherzhafter Form galt die alte Rivalität zwischen den beiden Nationen heute noch – hatte meinen ersten Arbeitstag bei der Sternenflotte nicht vergessen. Er wünschte mir Glück und zeigte sich nach wie vor überzeugt, dass meine Entscheidung, zur Sternenflotte zu gehen, die richtige gewesen war. Wie sehr ich hoffte, dass er recht hatte.
Zum Training allerdings kam ich zu spät, was allerdings nicht meine Schuld war, sondern daran lag, dass der CXO mich vorher noch hatte sprechen wollen. Das Gespräch war eher kurz gewesen, wobei ich mich des Eindrucks nicht erwehren konnte, dass er sich die ganze Zeit eine Meinung über mich zu bilden versuchte, aber dennoch stand der Rest der Kadetten und Crewmen schon in Trainingsklamotten im Trainingsraum der Sicherheit, als ich ankam. Aber da ich in Begleitung des Abteilungsleiters kam, war das weiter kein Problem. Schnell und mit möglichst wenig Aufhebens stellte ich mich zu den Anderen und harrte der Dinge, die da kommen würden.
Um mich herum standen diejenigen, mit denen ich zusammen trainieren würde. Größtenteils bestand die Gruppe aus Kadetten, fast ausnahmslos einige Jahre jünger als ich. Angesichts der Mischung aus Nervosität und freudiger Aufregung, die ich auf den meisten Gesichtern las, kam ich mir hundert Jahre alt vor. Ich schob den Gedanken beiseite. Meine Praxis-Erfahrung konnte mir hier nur nützen, und wahrscheinlich waren die meisten Kadetten nett. Vielleicht konnte ich dem einen oder anderen ein wenig helfen, sich schneller in der Praxis zurecht zu finden. Ich hatte immer gerne Leuten etwas beigebracht. Andererseits wusste ich natürlich auch nicht, wie es in der Sternenflotte zuging. Meinen Beruf verstand ich – zumindest hatte ich das immer angenommen, bis... nein, daran durfte ich jetzt nicht denken, ermahnte ich mich und schob den Gedanken entschlossen beiseite – aber die Vorschriften und militärische Disziplin der Sternenflotte waren mir fremd. Abgesehen von den Hemden mit unserem Firmenlogo war es fünf Jahre her, dass ich zuletzt eine Uniform getragen hatte. Ich war mit 18, direkt nach dem Schulabschluss, zur Armee gegangen und hatte diese nach den üblichen zwei Jahren verlassen, um meine Arbeit für Reliant Security zu beginnen. Es fühlte sich merkwürdig an, nun wieder uniformiert zu sein und militärisch zu grüßen, fast wie eine Reise in die Vergangenheit.
Viel Zeit für solche Betrachtungen hatte ich allerdings nicht, denn das angekündigte „kleine Training“ erwies sich als durchaus herausfordernd. Ich allerdings hatte den meisten meiner Mitstreiter einiges an Erfahrung voraus, und das machte sich bemerkbar. Als das Training zu Ende war, war ich müde, aber glücklicher, als ich seit langem gewesen war.
=/\= Starbase G-001 „New Hope” – primärer mittlerer Komplex – Deck 334 – Sicherheitsabteilung – Teamleiterbüros – Tag 19 – vormittags =/\=
Die letzten Tage waren so anstrengend, aber auch interessant gewesen, dass ich kaum glauben konnte, dass ich schon über eine Woche auf der Station war. Zwar hatte ich bislang noch keinen Einsatz gehabt, sondern nur trainiert, aber das Training war spannend und abwechslungsreich und ich hatte das Gefühl, viel dabei zu lernen. Auch mit den anderen Kadetten verstand ich mich ausgezeichnet. Tiefe Freundschaften hatte ich natürlich in der kurzen Zeit noch keine geknüpft, aber ich mochte die meisten anderen Team-Mitglieder und arbeitete gern mit ihnen zusammen.
Deswegen war ich erschrocken, vor allem aber verwirrt, als Lieutenant Roberts mich ins Teamleiterbüro zitierte. Ich überlegte, was ich falsch gemacht haben könnte. Mir fiel nichts ein. Die erste Übung des Vormittags war erfolgreich verlaufen, es hatte keine Unstimmigkeiten im Team gegeben, und von den unangenehmeren Auswüchsen meiner Erinnerungen an Sinus 4 war ich während meiner Dienstzeit auf der „New Hope“ bislang verschont geblieben. Was also warf Roberts mir vor?
Ich hatte mich trotzdem schnellstmöglich ins Büro aufgemacht. Unangenehmen Dingen sah ich lieber direkt ins Auge. Aus der Miene des Lieutenant konnte ich nichts lesen, als er so vor mir stand. „Haben Sie eine Ahnung, warum Sie hier sind?,“ fragte er in ruhigem Tonfall. „Um ehrlich zu sein, nein, Sir,“ erwiderte ich. Ich hatte die Erfahrung gemacht, dass Ehrlichkeit in solchen Situationen meistens die beste Idee war.
So wohl auch in diesem Fall, denn Roberts lächelte leicht. Seine nächsten Worte überraschten mich jedoch. „Nun, Crewman, sie haben in der letzten Woche ausgezeichnete Leistungen beim Training gezeigt. Da fand ich, es sei einmal an der Zeit, dass wir uns unterhalten.“ Ich konnte meine Verwirrung nicht ganz verbergen, spürte sogar, dass ich leicht rot wurde, was mir schon verdammt lange nicht mehr passiert war. „Danke, Sir,“ sagte ich. Mein Lächeln war echt, natürlich freute mich das, aber vor allem war ich verwirrt. Es war, als hätte ich vergessen, wie es sich anfühlt, etwas gern zu tun und gut darin zu sein. Dabei war das genau das Gefühl, was mir mein Beruf früher immer gegeben hatte.
Meine Verwirrung stieg noch bei Roberts' nächsten Worten. „Haben Sie schon darüber nachgedacht, wie Sie sich spezialisieren wollen, wenn Sie das Training abgeschlossen haben?,“ fragte er. Ehrlich gesagt hatte ich daran noch keinen Gedanken verschwendet. Karriere, das alles war so unglaublich weit weg erschienen. Ich hatte nur weg gewollt, heraus aus meinem Leben, neu anfangen. Weiter hatte ich nicht gedacht. Wortlos schüttelte ich den Kopf und befürchtete, dass Roberts mich nun für eine Idiotin hielt.
Falls er das tat, ließ er es sich aber zumindest nicht anmerken. „Haben Sie Interesse daran, eine Führungsposition zu übernehmen?,“ fragte er stattdessen. Ich spürte, wie ich zu schwitzen begann, wie mein Herz schneller schlug. Nein, wollte ich schon sagen, auf gar keinen Fall. Nie wieder möchte ich die Verantwortung für andere Menschen haben. Ich habe doch bewiesen, dass ich das nicht kann. Aber aus irgendeinem Grund schwieg ich. Vielleicht wollte ich vor meinem Vorgesetzten nicht schlecht dastehen. Oder vielleicht hatte ich auch einfach genug davon, dass dieser Anschlag permanent mein Leben bestimmte. Früher hätte ich sonstwas gegeben für eine solche Chance.
Der Lieutenant schien mein Schweigen für Verlegenheit zu halten. „Was halten Sie davon, wir probieren es einfach einmal aus? Ab sofort sind Sie eine der Truppleiterinnen für die Frischlinge. Ich werde alles notwendige veranlassen.“ Ich murmelte etwas, von dem ich hoffte, dass es einigermaßen eloquent und dankbar klang, bevor ich die Flucht aus dem Büro antrat.
=/\= Starbase G-001 „New Hope” – primärer mittlerer Komplex – Deck 99 – Tag 19 – mittags =/\=
Zeit zum Grübeln hatte ich allerdings nicht. Das wäre Grund zur Freude gewesen, wenn der Anlass nicht so verdammt ernst gewesen wäre. Noch am Mittag des selben Tages wurden mein Trupp und ich zu einem Vorfall gerufen, bei dem eine der Medizinerinnen offenbar schwer durch einen Messerstecher verletzt worden war.
Kurz nach Lieutenant Roberts trafen wir ein. Ich dachte jetzt an gar nichts, tat nur das, was der Auftrag erforderte, ganz automatisch. Als der Lieutenant mich anwies, die Umstehenden zu befragen, tat ich auch das. Ich gab den jungen Kadetten und Crewmen, von denen einige doch deutlich angespannt wirkten, ein paar knappe Befehle, und machte mich dann an die Befragung der Umstehenden. Einige von ihnen schienen unter Schock zu stehen, aber ich hatte gelernt, einfühlsam zu sein und häufig auch in solchen Situationen noch wertvolle Informationen zu bekommen. Alles, was ich für wichtig hielt, schrieb ich mir auf. So konnte ich es nicht im Eifer des Gefechts vergessen. Außerdem war das eine gute Ausgangsposition für meinen Bericht. Einsätze mussten immer gründlich dokumentiert werden, das war in der Sternenflotte sicher nicht anders als in einem privaten Unternehmen. Ich ging eher davon aus, dass die diesbezüglichen Vorschriften hier noch strenger waren.
An das Opfer des Angriffs oder die Gefühle ihrer Angehörigen dachte ich in diesem Moment nicht. Später, das wusste ich, würde mich das durchaus beschäftigen, aber jetzt zählte nur der Auftrag.
Als ich so viele Informationen gesammelt hatte, wie ich konnte, zog ich mich mit meinen Aufzeichnungen in die Sicherheitsabteilung zurück. Ich ließ den Computer rasch einige Analysen durchführen und hatte schon bald eine heiße Spur. Der Attentäter, den wir am Tatort bewusstlos aufgefunden und mittlerweile in die Arrestzelle verfrachtet hatten – ihn mussten wir auch noch verhören, hatten aber den Befehl erhalten, damit noch zu warten – hatte nicht allein gearbeitet. Es gab mindestens eine Kontaktperson an Bord. Bei dieser handelte es sich allem Anschein nach um einen jungen Crewman von Betazed, der bislang unauffällig in der Wissenschaftsabteilung Dienst getan hatte. Bei sorgfältigem Hinsehen stellte sich seine Akte allerdings als gefälscht heraus. Darin stand nämlich, dass er bereits seit fast einem Jahr auf der „New Hope“ Dienst tat – die Akte allerdings war, auch wenn das sorgfältig zu verschleiern versucht worden war, erst wenige Tage alt. Ich nahm an, dass der Crewman auch erst dann an Bord gekommen war. Nun war ich sicher, dass mit diesem Mann etwas nicht stimmte.
=/\= Starbase G-001 „New Hope” – primärer mittlerer Komplex – Deck 364 – Wissenschaftsabteilung – Tag 19 – nachmittags =/\=
Wenig später stürmten wir mit gezückten Waffen die Wissenschaftsabteilung. Wie vom Computer angegeben stand unser Crewman an einem der Terminals und führte irgendwelche Messungen durch. Mein ganzer Körper war angespannt, ich wartete nur darauf, dass er irgend etwas versuchen würde. Doch als der junge Mann aufblickte, war sein Blick ruhig, fast resigniert. Langsam hob er die Hände und ließ sich widerstandslos festnehmen.
Ich holte tief Luft, versuchte, die Nachwirkungen des Adrenalinrauschs unter Kontrolle zu bekommen, und sah mich in der Wissenschaftsabteilung um. Ich blickte in erschrockene, teils sogar feindselige Gesichter. „Crewman, was glauben Sie, was Sie da tun?,“ fragte einer der Wissenschaftler. „Meinen Job, Sir,“ erwiderte ich so ruhig wie möglich. „Doktor, wenn ich bitten darf. Doktor John McBright.“ „Jawohl, Sir – Doktor,“ erwiderte ich, um Haltung bemüht, „Dieser Mann steht im dringenden Verdacht, an einem Angriff auf eine unserer Medizinerinnen beteiligt gewesen zu sein. Deswegen mussten wir ihn unverzüglich festnehmen.“ McBright wirkte nicht überzeugt. „Das kann nicht sein. In meiner Abteilung kommt so etwas nicht vor. Fragen Sie mal bei den Technikern, die sind so inkompetent, da wundert mich gar nichts mehr,“ sagte er streitlustig. Hinter mir hörte ich ein nervöses Kichern. Zeit, etwas zu tun, bevor die Situation eskalierte. Ich wies mein Team an, den Festgenommenen abzuführen und in die Arrestzelle zu verfrachten. Anschließend sollten sie in der Sicherheitsabteilung auf weitere Befehle warten. Besser, ich klärte das mit dem Doktor allein. Das dürfte schon schwierig genug werden.
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