Wörter: 1226
Personen: /
NPC: Jade, Jeff
=/\= Erde – medizinisches Forschungszentrum Skagen – Dänemark / Cafeteria =/\=
Ich lehnte mich auf meinem Stuhl zurück und reckte mein Gesicht gen Himmel, um die warmen Sonnenstrahlen auf meiner Haut zu genießen. Dieses warme Kribbeln würde ich wahrlich vermissen, auch wenn es hier ansonsten derzeit gar nicht warm war. Aber es reichte aus, um mit einer warmen Jacke während der Mittagszeit seine Pause an der frischen Luft zu verbringen.
„Liv“, hörte ich die mir gut bekannte Stimme meiner Freundin Jade. Ich drehte mich um und lächelte ihr zu, während sie sich ihren Weg durch die Tische und Stühle bahnte. Als sie näher kam, erhob ich mich und wir umarmten uns zur Begrüßung. „Hey Jade, schön, dass es noch einmal geklappt hat.“ „Denkst du, ich lasse dich ziehen ohne mich von dir noch einmal zu verabschieden? Ich finde es blöd genug, dass du keine Abschiedsfeier machst nach der Zeit.“ „Du weißt, dass ich nicht so auf diesen Kram stehe... es nervt mich genug, dass hier in der Abteilung dieser Verabschiedungskram hoch gehalten wird...“ „Ja...ja... ich verstehe nur immer noch nicht, wieso du dich entschieden hast so weit weg zu gehen. Ich dachte, dir hätte es hier gut gefallen und über deinen Job hab ich dich auch nicht meckern hören.“
„Es ist ja auch nicht so, dass mir das hier alles nicht gefällt... aber für meine Verhältnisse bin ich schon verdammt lange hier und ich brauche einfach eine Veränderung.“
In diesem Moment wurden wir durch eine Bedienung unterbrochen, die an unseren Tisch herantrat. Während Jade einen Kaffee und ein Sandwich bestellte, entschied ich mich für einen Kräutertee und einen Salat. Eigentlich war ich nicht gerade als Gesundheitsapostel bekannt. Ärzte lebten ja oft anders als sie es ihren Patienten predigten...
Einen Moment schwiegen wir, bis die Bedienung kurze Zeit später unsere Bestellung an den Tisch brachte.
Etwas lustlos stocherte ich in dem Blattwerk herum, so rechten Appetit hatte ich nicht. Mir war es wichtig gewesen, Jade vor meiner Abreise noch einmal zu sehen. Aber zugleich verursachte dies auch Bauchschmerzen bei mir.
Ich kann nicht behaupten, dass ich kein emotionaler Mensch bin. Für meinen Geschmack gehen mir eigentlich viel zu viele Sachen an die Nieren. Aber ich zeigte nicht gerne Gefühle. Mir war es immer wohler, wenn mir andere nicht gleich in die Karten schauen konnten.
Vermutlich mit ein Grund dafür, warum ich große Verabschiedungen verabscheute. Obwohl ich sie weiß Gott gewöhnt war, setzten sie mir jedes Mal zu und ich wusste genau, dass ich irgendwann heulen würde. Daher ging ich lieber, bevor es soweit kam...
3 Jahre waren es nun, die ich an diesem Forschungszentrum verbracht hatte. Es waren interessante Zeiten gewesen, nette Kollegen – keine Frage. Aber in den vergangenen 12 Jahren hatte ich meine Stellung sicherlich an die 5 Mal verändert; genau wie meinen Wohnort. Irgendwann packte es mich einfach und ich brauchte eine Veränderung. Neue Umgebung, neue Herausforderungen. Hinterfragt hatte ich dies für mich noch nie. Zwar war ich der Meinung, dass ich durchaus selbstreflektiert war, trotzdem gab es Dinge, über die ich nachzudenken vermied. Dies gehörte dazu.
„Hat Jeff denn schon eine neue Stellung gefunden? Oder hat es doch geklappt, dass er von dort arbeiten kann?“ unterbrach Jade meinen Gedankengang. Meine Nase kräuselte sich leicht bei diesem Thema.
Jeff war seit 6 Jahren mein Lebensgefährte. Sein Beruf ermöglichte es ihm, dass er an so ziemlich jedem Ort tätig sein konnte und so war er mir in den letzten Jahren bedingungslos gefolgt. Er war sicherlich nicht immer begeistert, aber er zog es mit mir durch, was ich ihm hoch anrechnete.
Dieses Mal war einfach so vieles anders. Möglicherweise lag es daran, dass wir eine längere Zeit hier lebten und zur Abwechslung auch einmal auf einem Planeten. Die meiste Zeit hatten wir auf Raumschiffen oder -stationen verbracht.
Aber es war nicht der einzige... oder besser gesagt der wahre Grund. Ich dachte nicht gern an die Diskussionen der letzten Monate zurück.
„Jeff wird nicht mitkommen“, antwortete ich knapp, bemerkte wie meiner Freundin die Gesichtszüge entglitten und lenkte meinen Blick schnell auf einen unbestimmten Punkt in der Ferne. „Aber“, fing sie an zu stammeln, „ich verstehe nicht... er kam doch immer... hat er nichts gefunden?“
Meine Lippen pressten sich aufeinander. „Vielleicht hat er es einfach satt. Oder er hat mich satt.“
Ich atmete tief ein und aus. „Scheinbar haben sich unsere Interessen im Leben auseinandergelebt. Oder unsere Ansprüche... ach ich weiß doch auch nicht. Seit ein paar Monaten liegt er mir mit Themen in den Ohren, die vorher nie eine Rolle gespielt haben und auch nicht zur Debatte standen.“
Ich sah Jade an, dass sie nur so halb verstand, worum es ging. „Gehst du deswegen fort, Liv? Du kannst nicht immer weglaufen...“ „Ich laufe nicht weg!“ fuhr ich Jade stärker an, als es meine Absicht gewesen war.
„Du verstehst das nicht.... ich verstehe es ja selbst nicht“, versuchte ich einzulenken. „Aber es ist kein Weglaufen. Ich habe einfach das Gefühl, dass ich noch nicht das gefunden habe, wonach ich suche. Nenn es eine Bestimmung oder weiß Gott... Aber nein, um deine Frage zu beantworten... es hat mich sicherlich nicht zum Bleiben animiert. Aber Jeff hat mich vor die Wahl gestellt, dass wir hier bleiben oder dass es aus ist.“
Jade legte ihren Kopf schief. „Das scheint mir für ihn so untypisch... ihr passtet doch bisher perfekt zusammen....“ „Und jetzt tun wir es nicht mehr.... auf einmal kam er mir mit Heiraten und dass er gerne Vater werden würde. Obwohl er genau weiß, dass dieses Thema für mich derzeit nicht in Frage kommt. Ich weiß auch, dass ich Mitte 30 bin und langsam wissen sollte, was ich will und was nicht. Aber ich weiß es verdammt noch mal nicht. Derzeit jedenfalls ein klares Nein. Und das hat dann eben die Beziehung gekillt... wenn ihm so viel daran liegt, dann muss er eben nach einer Partnerin gucken, die seine Wünsche befriedigen kann.“
Zu meiner Verärgerung merkte ich, wie meine Sicht verdächtig verschwomm. Fest biss ich mir auf die Zunge, damit mich der körperliche Schmerz wieder erdete. Jade blickte mich einen Moment an, schwieg dann aber und biss in ihr Sandwich.
Diesen Zug hatte ich an ihr immer geschätzt. Sie wusste, wann sie mich bedrängen musste, damit ich mit der Sprache rausrückte. Sie wusste aber auch genau, wann sie mich besser in Ruhe lassen sollte. Daher lenkte sie unser Gespräch nun in unverfänglichere Gefilde.
=/\= 4 Stunden später =/\=
Nachdem die Verabschiedung von Jade und später meinen Kollegen hinter mir lag, ich meine letzten persönlichen Dinge aus meinem Büro geräumt hatte, kehrte ich ein letztes Mal in meine Wohnung zurück. Es war merkwürdig, hier nur noch Jeffs Sachen vorzufinden. Alles was mich ausmachte, war bereits verstaut und ich hatte nun nur noch eine letzte Tasche, die ich mit zum Shuttle nehmen musste.
Insgeheim hatte ich gehofft, dass wir uns noch einmal verabschieden würden. Es waren ambivalente Gefühle – das Bedürfnis ihn noch einmal zu sehen und zugleich wollte ich ihn auch nicht mehr sehen, ihn aus meinem Leben verbannen, so wie er mich mit seinem Ultimatum aus seinem gedrängt hatte.
Ein letztes Mal ging ich durch die Räume, bevor ich meine Tasche nahm und die Wohnung verließ, ohne mich noch einmal umzusehen.
Was nützte mir die Vergangenheit, wenn vor mir die Zukunft lag. Und zu dieser Zukunft auf einer Sternenbasis verdammt weit weg von hier, sollte mich nun ein Shuttletransport bringen.