Säulen – Log 22 – Ens Yu`She – Sec – SD:13200.2121

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Yu'She
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So 1. Apr 2012, 20:14

Säulen – Log 22 – Ens Yu`She – Sec – SD:13200.2121


Personen: Alexis, Thorn


Worte: 2060


~ Gebäudekomplex ~
-kurze Zeit später-


Kurz nachdem ich noch geglaubt hatte wir würden zur Schlachtbank geführt, kam ich mir erneut unglaublich blöd vor.
„Stolzhuf.“, zirpte die hagere Frau, die vor den Bänken stand. Mein Nebensitzer boxte mir schmerzlich in die Seite, als ich ihn ansah bedeutete er mir, dass ich aufstehen sollte. Also erhob ich mich, doch anscheinend zu spät, die Frau war eindeutig angesäuert. „Wenn du schon versuchst zu schwänzen, stell dich geschickter an. Da du der Ansicht bist bereits alles zu wissen, tritt vor.“, gehorsam ging ich durch die zwei Reihen, die vor mir standen. Der Universaltranslator funktionierte zum Glück, zumindest wusste ich sicher, dass er übersetzte. Wie es mit Sprechen aussah, würde sich gleich zeigen, auch wenn ich bisher noch kein Wort rausgebracht hatte. Früher oder später musste ich. „Worauf wartest du? Lösen, los.“, die grobe Aufforderung ließ mich zur Tafel sehen. Die Schriftzeichen kannte ich nicht. Aber passte das nicht ins Bild einer Schulschwänzerin? Schlimmer wäre es wohl, wenn ich die Aufgabe einfach lösen konnte. Einige Zeichen wiederholten sich, einige waren einzigartig, bei anderen vermutete ich, dass es sich um die Rechenzeichen handelte. Mir wurde in meiner Wolle reichlich warm. „Was ist los? Könnt ihr Untergrundschafe keine Rechnungen lösen?“, mein Blick haftete auf den Zeichen. Wenn dieses Dreieck ein Rechenzeichen war, war der kleine Strich das Ende der Rechnung. Es schien sich um eine simple Gleichung zu handeln, dass ich sie nicht lösen konnte trieb meinen Puls nach oben. „Hast du deine Zunge verschluckt? Nun sag schon.“, ich sah die Frau unsicher an. Wie sollte ich ihr erklären, dass ich die Zeichen nicht lesen konnte? Wie machten das die Schüler dieser Gesellschaft? Wenn sie etwas nicht wussten? „Lass dir das eine Lehre sein. Setz dich.“, die Klasse war betreten und sah weg als ich meinen Platz wieder einnahm.

Die Mathestunde war anstrengend, weil ich nur langsam begriff, welche Zeichen welche Bedeutung hatten. Zu allem Überfluss veränderte sich anscheinend die Bedeutung der Zeichen, je nachdem in welcher Kombination sie auftraten. Die anderen mieden mich, was mein Glück zu sein schien, denn so konnte Alexis mich in der Pause an den Zaun winken, ohne dass es jemandem auffiel.
„Was machst du hier?“, flüsterte sie. „Wieso bist du einfach verschwunden?“, es war ein kleiner Vorwurf in ihrer Stimme zu hören und es war mir peinlich.
„Ein Kerl hat mich einfach geschnappt.“, versuchte ich zu erklären.
„Welcher Kerl? Was ist das hier? Komm raus, wir haben zu tun.“
„Ich kann nicht.“
„Warum?“
„Das ist eine Schule. Ich wurde quasi….“, ich sah mich um, „…beim Schulschwänzen erwischt.“, Alexis‘ skeptischer Blick verwandelte sich in ein ungläubiges Gluggsen.
„Nicht dein Ernst.“, am liebsten wär ich im Erdboden versunken.
„Doch.“, presste ich heraus.
„Wie kann denn das sein?“, sie schien das alles sehr amüsant zu finden. Neugierig hakte sie die Vorderhufe in das Gatter ein, das den Schulhof umschloss.
„Anscheinend haben wir bei den optischen Anpassungen nicht bedacht, dass unser tatsächliches Alter hier irgendwo in den Jugendjahren angesiedelt ist. In diesem Kulturkreis bin ich…“, wieder dachte ich nach, Trill, wie alt wurden sie, bis zu welchem Alter besuchten sie die Schule? „…14. Vielleicht 15.“
„Das ist ein Problem. Wie lange sitzt du hier fest?“, den Stundenplan konnte ich natürlich nicht lesen, aber die anderen hatten gestöhnt, dass es heute noch drei Stunden wären.
„Etwa 135 Standardminuten.“, erklärte ich. „Aber es gibt ein weiteres Problem.“
„Welches?“, fragte Alexis lauernd. Als ich zur Seite sah und druckste legte sie den Huf auf meinen und forderte mich mit einem Blick auf zu sprechen.
„Weil ich angeblich versucht habe zu schwänzen will der Direktor dieser Schule….“, ich drehte das Handgelenk. Alexis unter drückte ein Lachen.
„Nein! Ach komm.“, ich presste die Schnute aufeinander und nickte. „Oh Yu`She! Das ist….“, sie fand gar keine Worte dafür.
„Peinlich.“, nuschelte ich. „Jetzt muss der Captain hier auftauchen und mit meinen Lehrern sprechen.“, Alexis hielt sich am Zaun fest vor Lachen. „Das ist nicht lustig.“, klagte ich. Mir war hundeelend in meinem Schafskostüm. Als sich Alexis beruhigt hatte räusperte sie sich.
„Lernst du wenigstens was?“, noch nieder geschlagener schüttelte ich den Kopf.
„Ich kann die Zeichen nicht lesen.“
„Damit hatten wir auch nicht gerechnet.“
„Rechnen ist schwierig, weil ich die Rechenzeichen nicht erkenne. Aber ich weiß schon mal, dass die Zahlen und Buchstaben die gleichen Symbole haben. Teilweise verändert sich die Bedeutung, je nach Kombination.“
„Oh weh. Sollten wir in die Verlegenheit geraten einen Wegweiser konsultieren zu müssen, wäre es hilfreich, wenn du die Zeichen interpretieren könntest.“, ich nickte.
„Soweit ich das mitbekommen habe, habe ich heute noch Geschichte, Religion und Sport.“
„Sport?“, ich nickte, während sich Alexis weiter amüsierte.
„Okay, da können wir dich irgendwie rausholen. Ein Attest oder so. Ich informiere den Captain. Funktioniert der Universaltranslator?“, diesmal nickte ich. „Sehr gut. Halt dich bedeckt. Keine Heldentaten.“, ich bestätigte es und hörte die Schulglocke. „Na dann viel Spaß und keine Schlägereien.“, feixte die Technikerin noch und mir war noch immer nicht zum Lachen zu Mute.

In Geschichte hatte ich offensichtlich Glück. Es wurden Referate vorgetragen und der Lehrer, dessen Markenzeichen es offensichtlich war, sich mit einem Bein auf den Schreibtisch zu setzen, die Sehhilfe abzunehmen und in einem Buch zu blättern, ging nicht auf meine Schwänzerkarriere ein. Er sah mich mit einem skeptischen Blick an, aber dann ging es weiter. Und das Glück war, dass ich kein Referat vortragen musste und die Vorträge wurden schriftlich ausgeteilt. Mit einer kurzen Tastenkombination ließ ich die Tonaufzeichnung des Trikorders anlaufen und las konzentriert mit.
Nach vier Vorträgen hatte ich ein Alphabet mit 37 Zeichen definieren können und hatte eine Vorstellung von Grammatik und Redewendungen. ‚Die Hosen ausklopfen‘ war eine Redewendung für gründliches Aufräumen, oder auch Vorbereiten für eine schwierige Aufgabe. ‚Wasserblau‘ schien ein Kompliment zu sein und ‚Wenns morgen regnet vielleicht‘ sagte man, wenn man etwas nicht glauben wollte oder für unwahrscheinlich befand.

Wesentlich interessanter jedoch war die Kombination aus Religion und Geschichte. Beide Fächer gingen fließend ineinander über, da die Strander anscheinend mehrere, spirituelle Gründe für die Dürre sahen. Wissenschaft war keine Option. Es war die Rede von einem Gott, dem die Raumfahrt missfallen hatte, von der großen Dürre, die angeblich in jeder heiligen Schrift zu finden sein sollte, wenn man sie nur richtig interpretierte und – mein persönlicher Favorit – eine mythische Gestalt, die sie ‚Martan-tok‘ nannten, der die Strander auf ihren alten Pfad zurück führen will und sie deswegen in den Untergrund treibt. Übersetzt hieß Martan-tok ‚Stabschwinger‘ und war wohl ein Hirtenequivalent. Die Vorstellung sich selbst als Herde zu sehen, die einen Hirten hat, der um seiner selbst willen seine Schafe quält war so absurd, dass ich sie mir besonders gut merken konnte. Interessant war auch die Vorstellung, die die Strander von sich selbst hatten: Die Oberweltstrander, die Geschorenen, die sich einfach nur „Nackt“ nannten, sahen sich selbst als die Retter der Gesellschaft im Untergrund. Wenn die Dürre eine Strafe eines Gottes war, durften sie sich ihr nicht entziehen. Sie mussten sie erdulden und dankbar dafür sein, dass er sie nicht direkt vernichtet hatte. Sie geißelten sich, um diesen Gott zufrieden zu stellen und erwarteten, dass sie nach der Dürre – ob sie hierbei den Tod meinten oder das tatsächliche Ende der Dürrezeit war mir nicht klar – von den Unterweltstrandern dafür belohnt würden. Aber diese Lehre zeichnete sich auch im Verhalten der Nackten gegenüber der Unterweltstrander ab. Sie behandelten sie, als stünden sie in ihrer Schuld. Herblassend und geringschätzig. Es entsprach nicht dem, was wir bisher über die Strander glaubten zu wissen. Als in der Pause ein Tumult auf dem Hof ausbrach, ging ich neugierig hin und sah, wie ein Nackter einen Untergrundstrander schlug. Jemand rempelte mich von hinten an und ich stolperte einen Schritt in den Kreis, der sich gebildet hatte, hinein. Der Schläger drehte sich zu mir um und musterte mich.
„Was willst du denn?!“, blökte er und ich versuchte einen Schritt zurück zu machen, doch die anderen versperrten mir den Weg. Also sah ich ihn nur an. „Willst du dich einmischen? Glaubst du ich schlag keine Mädchen?“, was sollte ich darauf antworten? Keine Ahnung, aber ich wollte mich nicht schlagen. Alexis hatte gesagt ich solle mich bedeckt halten. Doch der Kerl holte aus, woraufhin ich aus Reflex nach seinem Hufgelenk griff und seinen Schlag an mir vorbei führte, ihn aus der Balance zog und ihm den Arm auf den Rücken drehte, als er am Boden lag. Plötzlich wurde es laut um uns herum, die anderen schienen sich ebenfalls einmischen zu wollen und auf einmal stand ich mitten in einem großen Gerangel. Als ich dem Untergrundstrander aufhelfen wollte, wurde ich wie schon zuvor, am Arm gepackt und aus dem Tumult heraus gezogen, der Liegende gleich mit mir.

Zwei Minuten später fanden wir uns neben einander vor dem Rektorat auf einer kleinen Bank sitzend, die wohl absichtlich so unbequem gestaltet worden war.
„Das war echt nett von dir.“, nuschelte der neben mir und stoppte sein Nasenbluten mit einem Tuch. Ich hatte schon gar nicht mehr daran gedacht. Viel eher hatte ich panische Angst davor, dass Thorn bald auftauchen würde. Oh man. Er würde stocksauer sein. Was hatte ich mir nur gedacht? Wie sollte ich ihm das erklären?
„Kein Problem.“, nuschelte ich zurück.
„Wo hast du das gelernt?“, fragte der andere. Ich sah ihn fragend an. „Wir alle haben Privatunterricht und diese Pilgerschule ist ein Witz dagegen, aber ich habe noch nie erlebt, dass jemand von unten solche Moves drauf hat.“, nachdem ich nicht antwortete hielt er mir den Huf hin. „Hufson.“, ich nickte.
„Stolzhuf.“, ich hätte seine Geste wohl irgendwie erwidern sollen, doch ich wusste nicht wie. Er blinzelte irritiert. „Warum hat der Kerl dich verprügelt?“
„Das war Schwerhuf. Ich hab ihm ein paar Marken verkauft, aber er hat sich mit seinen dummen Freunden erwischen lassen und mächtig Ärger bekommen. Als wäre das meine Schuld.“
„Marken?“, Hufson hob den Kopf und musterte mich.
„Wo ist deine?“, ich sah an mir hinab, die Weste, der Lendenschurz, meine Tasche und der Trinkschlauch, ich wusste nicht, was er meinen könnte. „Du hast sie in dem Gerangel wohl verloren. Meld das einfach bei der Austauschbetreuung, sie gibt dir eine neue.“, ich nickte nur.
„Wofür braucht man die Marken?“, fragte ich dann doch.
„Du bist echt komisch, weißt du das? Kannst einen Kerl dessen Hörner doppelt so lang sind wie deine umlegen, weißt aber nicht was eine Marke ist und kommst mit einer Ungleichung nicht klar. Hast du überhaupt schon mal eine Schule besucht?“, ich schüttelte den Kopf.
„Stolzhuf unterrichtet mich. Ich komme so gut wie nie raus.“, log ich glatt und versuchte dabei eine Betonung zu finden, als handele es sich um eine unwesentlich ältere Verwandte.
„Versteh ich. Bei der Überwachung da unten ist es schwierig mit dem Schweif zu wedeln ohne verhaftet zu werden.“, erneut nickte ich einfach nur. „Was dir Stolzhuf gegeben hat, die Marke, ist kein hübscher Anstecker. Es handelt sich um einen Ausweis, der dich als Bewohner der Unterstadt ausweist.“
„Und du verkaufst sie hier?“
„Nur hier kann ich das. Hufson arbeitet bei der Druckerei und bringt mir Fehlprägungen mit. Mit ein bisschen Aufwand lassen sich aus den Fehlprägungen alltägliche Beschädigungen machen. Die richtige Software setzt Namen, Nummer, Wohnort und Beruf dazu.“, er zuckte mit einem Ohr. „Keine Wassergewinnung.“
„Hast du noch welche von den-“, doch Hufson unterbrach mich.
„Oh Schande.“, er nickte in eine Richtung, wo eine stämmige, füllige Stranderin und ein schlanker, hochgewachsener Strander den Gang entlang kamen. Hufsons Mutter und Thorn. Ich sprang sofort auf und verkniff es mir Haltung anzunehmen. Doch Thorn sah mich nur strafend an und ging direkt mit Hufsons Mutter in den Vorraum des Direktorats.
„Das erste Mal, dass er herkommen muss?“, fragte Hufson und als ich mich wieder gesetzt hatte nickte ich. Er lachte und legte den Arm um meine Schulter, was ich in Anbetracht der Hitze wirklich als unangenehm empfand. „Mach dir keine Sorgen. Wird schon nicht so tragisch. Und um deine Frage zu beantworten: Ja. Ich habe noch ein paar Marken. Hast du Freunde, die du gern mit runter nehmen würdest?“, noch ein Grund diese Nähe zu tolerieren: Ich nickte, presste die Lippen aufeinander. „Was hast du zum Tauschen?“, nachdem ich den ganzen Tag vor unlösbaren Aufgaben gestanden hatte, fiel es mir nicht schwer jetzt so zu tun als hätte ich keine Ahnung, was Marken wert sein könnten.

Ich wollte dass er so schnell wie möglich aus dem Büro kam und ihm doch nie wieder in die Augen sehen müssen.
Y

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