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Personen: Alle im Außenteam
=/\= Kylata - Basis des Außenteams - Tag 4, morgens =/\=
Während im ganzen Lager, das immer noch gut versteckt hinter den Tarngeneratoren am Höhleneingang lag, rege Betriebsamkeit herrschte, saßen meine Leute im Grunde gelangweilt herum. Sie würden in wenigen Minuten die Wache übernehmen und dann auf eine leere Höhle aufpassen, da alle anderen Mitglieder des Außenteams in die Stadt kommandiert worden waren. Dort wollte der Commander trotz der potentiellen Gefahr, dass wir dank der Gefangenname der restlichen Crew bereits aufgeflogen waren, Kontakt zur Untergrundbewegung der Einheimischen aufnehmen, um diese als neue Schachfiguren in seinen Plan einzubinden. Das war im Grunde typisch für sein gesamtes Verhalten während dieser Mission, doch war ich zum ersten Mal geneigt, ihm zuzustimmen.
Mein Trupp allerdings sah das ein wenig anders und so drifteten die Gespräche in der kleinen Pause schnell in Spekulationen darüber ab, was der Mann in der schwarzen Uniform diesmal wieder vorhatte. Insbesondere Rodriguez, der ihm bereits zuvor keine Höchstnoten gegeben hatte, meldete seine Bedenken über die Mission an. “Das ist totaler Mist, Sarge.“, meckerte er schließlich auch in meine Richtung. “Dieser ganze Undercover-Müll wird doch eh nichts bringen. Eine ordentliche Packung Sprengstoff an den richtigen Stellen und wir sind da rein und mit unseren Kameraden wieder raus, bevor diese Kazon überhaupt gemerkt haben, was abgeht.“ Ich konnte sehen, dass auch der sehr besonnene und stets schweigsame Vexx diese Meinung mit einem langsamen Nicken unterstütze, doch Baker und Tigan zeigten Zweifel.
Noch bevor ich etwas dazu sagen konnte, äußerte unsere Pilotin diese auch, indem sie einen scharfen Pfiff losließ und spöttisch in die Richtung ihres Kameraden warf: “Sieh mal einer an. Du kannst also ein paar Hundert Kazon mit einer Hand voll Boomex beseitigen, hm?“ “So hab ich das nicht gesagt.“, lenkte der Experte für den großen Knall sofort etwas ein. “Aber dass wir untätig herumsitzen sollen, während der Rest des Außenteams möglicherweise auch noch gefangen genommen wird, ist blödsinnig.“ Ich vermutete, dass ihm bei dieser Variante eher die Tatsache sauer aufstieß, dass im Falle des Erfolgs mal wieder die Sternenflotte den Erfolg einheimsen würde, aber derartige Anschuldigungen blieben im Corps unausgesprochen.
Stattdessen machte ich nur eine beschwichtigende Geste und erklärte: “So blöd ist der Plan gar nicht. Der Commander geht nur ein Risiko ein, das für die Rettung der Kameraden aber möglicherweise nötig ist.“ Damit hatte ich natürlich alle Blicke auf mich gezogen und so sprach ich umgehend weiter: “Ein Frontalangriff ist ohne massive Verluste nicht machbar. Kim und ich haben die Pläne gesehen: Unsere Leute werden in mindestens drei verschiedenen Bereichen gehalten, möglicherweise mehr. Für jeden einzelnen dieser Bereiche bräuchte man einen ganzen Zug Marines, ganz zu schweigen von der restlichen Anlage, in der Gott weiß was vorgeht.“ Diesmal war es Private Baker, die zustimmend nickte und mit etwas sarkastischem Unterton hinzufügte: “Aber wir haben doch fast ein Dutzend Soldaten von der Flotte da. Das wäre ein Kinderspiel!“
“Schon gut, schon gut.“, ergab sich nun auch Javier und hielt seine Hände als bedrohte ihn jemand mit der Waffe. “Ich glaube euch ja, dass wir die Kavallerie brauchen.“ Ich musste unwillkürlich grinsen bei diesem irdischen Sprichwort, dass sich trotz der absoluten Überholung von Kriegsführung zu Pferde irgendwie gehalten hatte. Ob der Bolianer und der Trill diese Metapher überhaupt vernünftig übersetzt bekamen? Oder erhielten sie nur den Sinn, ohne das schöne Bild über die sandige Ebene von Kylata reitender Horden? Während ich noch darüber nachdachte, diese Feinheiten der Kommunikation innerhalb der Föderation einmal nachschlagen zu müssen, sprach der junge Mexikaner bereits weiter. “Ich bezweifle ja nur, dass diese Eingeborenen sich in dieser Rolle eignen.“
“Tja.“, gab ich zurück und zuckte mit den Schultern. “Das ist eben das Risiko, von dem ich sprach. Aber eine echte Alternative haben wir nicht, also ist das Vorgehen des Commanders das einzig richtige.“ Das Nicken von Baker und Tigan bestätigte mir, dass ich nicht Chinesisch gesprochen hatte. Dennoch schien Rodriguez noch nicht verstanden zu haben, denn er fragte mit immer noch dem gleichen Elan zurück: “Wieso das denn, Sarge? Wir sind hier gut versteckt, die Gefangenen bleiben unten am Leben und die Kaylas gehen uns nix an. Warten wir doch einfach auf die Flotte!“ Ich hatte bereits damit gerechnet, dass jemand diesen Ausweg auf den Tisch bringen würde. Dass es aber einer meiner Männer war, beschämte mich ein wenig. Denn der Plan war nicht nur feige, sondern auch noch dumm. Niemand konnte wissen, ob überhaupt ein Hilfegesuch der Prophecy abgesetzt worden war - und selbst wenn: “Weil die Flotte verschissene zwei Wochen weg ist.“
Diese letzten Worte, eher geknurrt als wirklich gesprochen, waren aus dem Mund von Vexx gesprochen, was ihm sofort die Aufmerksamkeit seiner Kameraden einbrachte. Wenn der schweigsame Bolianer einmal den Mund öffnete, hatte er für gewöhnlich Recht. Diesmal aber war es mehr als das: Er hatte das einzig wahre, das diskussionsbeendende Argument ausgesprochen. Wir saßen hier schlicht und ergreifend ohne Aussicht auf jedwede Hilfe fest und konnten uns den Luxus des Abwartens nicht erlauben. In Ermangelung an Optionen war die dumme Idee des Geheimdienstlers daher immer noch der beste Weg. Wir konnten nur hoffen, dass die noch freien Crewmitglieder nicht ebenfalls entdeckt wurden, und uns auf die Stunde X vorbereiten, in der wir hoffentlich mit einheimischer Hilfe gegen den Gegner vorgehen konnten.
=/\= Kylata - Basis des Außenteams - Tag 4, mittags =/\=
“Sarge?“ Nach drei Stunden beinahe vollkommener Ruhe, die ich für ein kleines Schläfchen und die erneute Analyse der taktischen Daten genutzt hatte, war es beinahe wohltuend wieder eine Stimme zu hören. Ich war mit drei Brüdern aufgewachsen und es hatte mich gleich aus dem Elternhaus zu den Marines gezogen, die stille Kontemplation meiner selbst kannte ich daher nur aus den Geschichten anderer Soldaten. “Ja?“, fragte ich daher nur kurz und lies unerwähnt, dass ich eigentlich noch eine ganze Weile hätte dösen können, wenn es nach meinem Körper gegangen wäre. Aber der Wille dominierte die Physis, das wusste jeder im Corps haargenau, also setzte ich mich auf und sah Private Baker am Höhleneingang stehen.
“Ich bin auf ein Problem gestoßen.“, erklärte sie ohne Umschweife und deutete auf das Terminal, an dem sie mit den Daten herumspielte, die uns von den Kazon unfreiwillig zur Verfügung gestellt wurden. Sie kannte sich selbst gut genug aus, um einigermaßen unentdeckt zu bleiben, und hatte sich außerdem noch etwas Hilfe von den Technikern geholt, weswegen ich nicht glaubte, dass aus dieser Richtung eine Gefahr drohen konnte. Also musste der Hund irgendwo in den Informationen selbst begraben sein. Ich erhob mich also von meiner improvisierten Liege und blickte selbst auf den Bildschirm, nur um danach ein leises “Scheiße!“ auszustoßen. Kim allerdings hatte es gehört, grinste mich schief an und murmelte: “Das hab ich auch gesagt.“
Das Display zeigte klar und deutlich, dass unser Auftrag im Verlaufe des Tages tatsächlich noch schwieriger geworden war als wir ohnehin schon alle annahmen. Im Gegensatz zu den Nachtquartieren der gefangenen Crew, die sich auf drei Trakte beschränkt hatten, waren die Aufenthaltsorte unserer Kameraden bei Tag erheblich weiter verstreut. Während einige relativ isoliert gehalten wurden - vermutlich, um sie entweder zu foltern oder sie für eine solche Behandlung vorzubereiten - lagerten andere in relativ großen Gruppen zusammen. Eine Befreiung jedes einzelnen Soldaten war schier unmöglich, eine Rettung nur mit Kooperation der Gefangenen selbst möglich. Doch immerhin gab es auch einen kleinen Lichtblick, denn die Befehle der Kazon zeigten auch, dass man den Medizinern einen winzigen Spielraum gegeben hatte, den sie zur Behandlung von Freund und Feind nutzten. Das war zwar sicherlich ein hehres Ziel im Lichte des hippokratischen Eids, doch schwebte mir ein ganz anderer Nutzen dieser gewissen Freiheit vor. Und wenn ich Verreuil richtig einschätzte, erkannte auch er den strategischen Nutzen von Spitzeln innerhalb der sprichwörtlichen Mauern.