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=^= OPS =^=
Hätte die Cheftechnikerin mich gesehen, hätte sie meinen verwirrten Gesichtsausdruck sicherlich bemerkt. Doch so musste sie auf meine Antwort warten, um zu verstehen, dass ich nicht verstanden hatte: „Was meinen Sie, sollen jetzt alle Bewohner auf die linke Seite des Schiffs gehen?“
„Eigentlich die rechte, aber im Prinzip ja!“ kam die mehr als überraschende Antwort.
„Und was genau soll das bringen?“ Mir war klar, dass man beim Hover-Skifahren durch zusätzliche Belastung einer Körperseite in die Gegenrichtung lenkte; Shuttle-Antriebe glichen Ungleichmäßigkeiten in der Gewichtsverteilung durch entsprechende Leistungskorrekturen aus; aber dieses Objekt hier war nur durch seine Trägheit in Bewegung gesetzt worden – und einem solch in Bewegung gesetzten Objekt war es nach dem In-Bewegung-Setzen egal, wo das Gewicht lag.
„Die Verlagerung wirkt sich auf das magnetische Feld aus. Die Abstoßung wird stärker und dürfte somit die Base etwas mehr beschleunigen, aber auch uns ein paar Hundertstel Grad von unserem derzeitigen Kurs abbringen.“
So klang das Ganze schon plausibler. Und auch wenn es nur eine minimale Abweichung war, so konnte sie dazu beitragen. Ganz nebenbei hatten wir nichts zu verlieren, wenn wir es wagten. Wenns nicht funktionierte, war das Ergebnis dasselbe. „Versuchen Sie es, Commander!“ Denn ob die Fremden dabei mitspielten, war noch ein ganz andere Frage.
[NRPG: Dann mach mal, Val

Inzwischen hatte der Traktorstrahl die Horizon erreicht. Es war ein faszinierendes Schauspiel auf dem Schirm. Die kleine Asgard hatte einen Frachter mittels Traktorstrahl in Bewegung versetzt und schob ihn nun vor sich her. Ein Teil des Strahls wurde über den Deflektor des Transporters weitergeleitet und hatte das nächste Schiff erfasst. Dieses das nächste in der Reihe und so weiter. Es war womöglich nur eine optische Täuschung oder gar Einbildung, aber die Leuchtintensität der Traktorstrahlen schien von Stufe zu Stufe stärker zu sein.
Bedrohlich tönte auf einmal die Stimme Richards aus dem Lautsprecher. „Asgard an Horizon! Sie bringen nicht genügend Schub!“
Mein Blick ging zu Kendric, der die Angaben des Androiden mit einem Nicken bestätigte. Ich drehte mich wieder zum Hauptschirm, wollte etwas sagen, doch Kirilenkova war schneller: „Ich sehe es auf meiner Anzeige, Lieutenant. Geben Sie mir einen Moment!“
Aus dem Moment wurden einige bange Sekunden. Die Horizon war das letzte Sternenflotten-Schiff in der Reihe, danach kamen nur noch die beiden Fremden-Schiffe – wobei das natürlich die schwersten Brocken waren. Wir wussten, dass ihre Schiffe über Deflektoren verfügten, da jedes raumfähige Vehikel so etwas besitzen musste. Aber ob sie die Traktorenergie so steigern konnten, und vor allem, ob die Deflektoren es aushalten konnten, so dass sie die Starbase in Bewegung setzen konnten, wussten wir nicht. „Lieutenant T’Rorik sagt, die Triebwerke reagieren etwas schwerfällig.“ Das kam nur bedingt überraschend, schließlich hing die Horizon in einem Transporterstrahl fest. „Er meint aber, dass wir trotzdem noch rechtzeitig den nötigen Schub aufgebaut haben.“
„Das sehe ich genauso!“ bestätigte der Captain der Asgard, womit wir vermutlich die zwei besten Berechnungen zugrunde liegen hatten: die eines Androiden und die eines Vulkaniers. Da gab es keinen Raum für Vermutungen und Schätzungen – etwas, was ich in diesem Moment sehr schätzte und ich mir eine weitere Zustimmung von Kendric nicht mehr einholte.
Nichtsdestotrotz konnten wir uns keine weiteren Verzögerungen leisten, es sei denn... „Gibt es trotzdem eine Möglichkeit, den benötigten Schub schneller aufzubauen?“
„Lieutenant T’Rorik schüttelt den Kopf, Sir“ kam die Antwort von Svetlana nach einigen Momenten.
„Wir werden es schaffen, Captain.“ War Richards jetzt unter die Counselor gegangen, dass er versuchte, mich mit dieser Aussage zu beruhigen? „Alle Berechnungen sind positiv.“
Das mochte sein, dennoch gingen diese Berechnungen sicherlich nicht von weiteren Verzögerungen aus. „Ich hoffe, dass Sie recht haben, Mr Richards“
„Wir bewegen uns jetzt auf das Weltenschiff zu. Schub stabilisiert sich. Viel Glück an alle.“
Warum das so war, erklärte Kendric mit seiner Aussage: „Wir kommen in den Wirkungsbereich der Massenanziehung. Ich registriere eine minimale Beschleunigung der Station.“
Das war zwar gewollt, war aber nun erstmal in die falsche Richtung, nämlich auf das Kolonieschiff hinzu.
„Mrs. Doran, Ihr Einsatz!“ sprach ich in die offene Komm-Leitung zum Maschinenraum.
„Aye, Sir. Schilde werden aktiviert... Angleichung an die Frequenz des Weltenschiffs... magnetisches Feld aufgebaut...“ gab sie die Schritte des Prozederes nach und nach von sich.
Mein Blick ging zu Kendric, der jedoch über seinen Anzeigen hing und dies nicht bemerkte. Dennoch antwortete er, da er wohl davon ausging, dass ich einen Bericht erwartete: „Beschleunigung nimmt zu, Kursabweichung von zwei Grad.“
„Traktorstrahl auf Rescue 1 ausgerichtet“, verkündete derweil Kirilenkova und ich sah wieder zum Schirm. Es war ein erstaunliches Schauspiel, wie die Horizon das erste der beiden Schiffe „an die Kette legte“. Niemals hätte die Horizon dies allein bewerkstelligen können, aber der Domino- mit Kaskaden-Effekt funktionierte.
„Schilde werden neu ausgerichtet“, plärrte Doran wieder dazwischen, „um eine optimale Abstoßrichtung zu erzeugen.“
Richards kündigte in der Zwischenzeit den nächsten Dominostein an. „Rescue 1, erhöhen Sie den Schub und leiten Sie den Traktorstrahl an Rescue 2 weiter!“
Dann war es soweit. Der Moment, wo der Hund das Wasser ließ – in Sams Fall hoffte ich nur sprichwörtlich, da sie immer noch in meinem Büro war. „Rescue 2, Schub erhöhen und die Starbase mit dem Traktorstrahl erfassen!“
Zeigte sich auf dem Schirm bisher eine Seitenansicht, wechselte sie nun auf unseren POV. Lediglich das zweite Fremden-Schiff war zu sehen, verdeckte die anderen Schiffe, die sich dahinter befanden. Ein schwache blauer Schimmer umgab es, doch dieser verschwand, als ein gleißender Energiestrahl auf uns zu schoss und den ganzen Sichtbereich in ein blaues Flimmern tauchte.
„Traktorstrahl iniitiert“, meldete Ricarda, die auf der letzten Einheit Position bezogen hatte.
„Asgard an alle Schiffe: Schub stetig erhöhen.“ Dann ließ er sich zu einer menschlichen Floskel verleiten: „Schieben wir das Baby beiseite!“
[NRPG: Schiebung!

=^= kurz darauf =^=
„Kontakt in einer Minute!“ - „Mehr Energie auf die Deflektoren!“ - „Das wird nicht reichen!“ - „Evakuierung der betroffenen Sektionen einleiten!“ - „Unser Deflektor ist schon am Limit!“ Wild durcheinander erreichten die Anweisungen und Anmerkungen die Zuhörer, so dass es schwierig war, sie zu verstehen oder gar zu erkennen, von wem sie kamen.
Auf dem Schirm zeigte sich das Weltenschiff in seinen gigantischen Ausmaßen. Hätte es an diesen Stellen Fenster gegeben, hätten wir den Lebewesen dahinter vermutlich zuwinken können und sie hätten es bemerkt.
„Auf Aufprall vorbereiten!“ rief ich in den Äther, den ich dafür kurzfristig auf stationsweit umgestellt hatte.
Dann schüttelte es die Station durch. Man konnte förmlich hören, wie sich Metall unter hohem Druck verbog, Atmosphäre entwich, Energieleitungen zerbröselten. Etliche Sekunden hielt das Beben an. Immer häufiger begann das Licht zu flackern und sekundenweise auszufallen. Längst waren die roten Leuchtstoffpaneelen angesprungen und deuteten auf Gefahr hin...
=^= eine Stunde später =^=
Die Rotation hatte aufgehört. Die Station stand wieder still. Zwar nicht mehr exakt an den ursprünglichen Koordinaten, aber immerhin im selben Sektor. „Traktorstrahlen deaktivieren“, oblag es mir, den letzten Befehl der Ereigniskette zu geben. „Roten Alarm beenden!“
Ich stand auf, ging zu Kendric an die wissenschaftliche Konsole. „Bericht!“
„Die Sektionen 51 bis 54 auf den Decks 200 bis 230 sind stark beschädigt worden.“ Das war nicht verwunderlich. Das Kolonieschiff war an diesen Stellen mit der Station zusammengestoßen und vorbei geschrammt. „Es gibt Bericht von mehreren Verletzten, aber offenbar keine Toten.“
Ich schloss für einen Moment die Augen und atmete erleichtert durch.
Nachdem ich sie wieder geöffnet hatte, fragte ich weiter: „Status der Schiffe?“
„Ein paar durchgebrannte EPS-Leitungen und Energierelais. Der Deflektor der Horizon ist stark in Mitleidenschaft gezogen worden. Auch hier mehrere Verletzte, aber nichts Ernstes.“
„Das Kolonie-Schiff?“
„Ich konnte keine Schäden ausmachen, allerdings treiben sie immer noch, wenn auch auf einem etwas anderes Kurs.“
Ich nickte und ging zurück zu meinem Sessel, wobei ich meinen Kommunikator aktivierte: „Captain Katché an alle Schiffe! Wie es scheint, sind wir mit einem blauen Auge davon gekommen, daher gilt Ihnen mein Dank und das der gesamten Besatzung. Commander Valeris?“
„Ja, Captain?“ kam es von der Frau prompt zurück.
„Sie und Ihr Team sollten zurück auf die Station kommen.“ Denn ich hatte vor dem Antippen des ersten Domino-Steins von erhöhten Strahlungswerten innerhalb des Maschinenraums des Kolonieschiffs gehört, die nicht gerade positiv auf die Leute dort wirkte.
„Wir haben den Antrieb aber noch nicht repariert.“
„Das können andere machen. Und außerdem“, ich schaute mir den derzeitigen Kurs des Kolonieschiffs an, „haben wir jetzt ein wenig mehr Zeit dafür.“
=^= eine Stunde später =^=
Alle Schiffe hatten wieder angedockt. Müde saß ich im Sessel und blickte starr auf den Schirm.
Ich hörte entfernt, wie sich die Turbolifttüren öffneten. Wenige Sekunden später ließ sich die XO in den Sessel neben mir fallen.
Dann trat Richards in mein Blickfeld und postierte sich genau vor uns. „Captain, Commander“, nickte er uns zu, „meinen Aufzeichnungen zufolge hat keiner von Ihnen seit mehr als 36 Stunden mehr geschlafen. Laut Protokoll bin ich damit befähigt, Ihnen zu befehlen, sich auf Ihr Quartier zu begeben. Ansonsten sehe ich mich gezwungen, Sie vom Dienst zu suspendieren.“
„Gilt diese Regelung auch für Androiden?“ fragte Svetlana schwach.
„Negativ, Commander. Ich bestätige, dass ich ebenfalls seit mehr als 36 Stunden... wie sagen Sie...? auf den Beinen bin, aber meine Energiereserven reichen noch für knappe zwölf Stunden.“
„Ich nehme an, es hat keinen Zweck, mit Ihnen darüber zu diskutieren!?“ hakte ich nach. Nicht, dass ich es überhaupt vorhatte, dennoch tat ich es, weil ich einfach nicht aufstehen wollte.
„Nein, Sir. Das Protokoll ist eindeutig, und Mr. Pearton ist bereits von mir unterrichtet worden.“
Ich drehte meinen Kopf zur XO. „Wenn das so ist...“ Ich raffte mich auf. „Sie haben die OPS, Mr. Richards.“ Langsam schleppte ich mich zum Turbolift, wartete darauf, dass eine Kabine eintraf und sich die Türen öffneten. Dann trat ich mit Svetlana hinein und gab die Zieldecks ein.
Die Türen schlossen sich. „Das war gute Arbeit, Commander!“