Personen: Ricarda, Hernandez
Wörter: 1.135
Ich hustete und Tränen brannten in meinen Augen. Dies war einfach keine Arbeitsumgebung. Selbst der Maquis hatte besser funktioniert, als diese ganze Spezies. Auch, wenn er lediglich aus einem Haufen Söldner und den Angehörigen unterschiedlichster Rasse bestanden hatte, konnte ich mich nicht daran erinnern, dass wir einmal soweit waren, dass wir nicht mehr weiter wussten. Diese Rasse hier griff auf den gleichen Genpool zurück (das nahm ich mal so an, auch wenn die Größenunterschiede der Bewohner dieses Schiffes enorm waren), sie schleppten nicht nur ihre gesamte Geschichte, sondern ihre ganze Heimatwelt mit sich rum und sie waren ganz offenbar nicht in der Lage....
„Was soll’s“, murmelte ich und hustete wieder. Offenbar vergass ich bei diesem Anfall zu atmen, denn plötzlich begann sich der gesamte Raum zu drehen. Ich schloss die Augen. Ich hasste Karusell fahren. Unbeholfen tastete ich anch einer Gelegenheit, mich festzuhalten und erwischte unglücklicherweise den Mantel meines ausserirdischen Begleiters.
„Nicht gut geht Sie?“, fragte er und sah mich an.
„Geht gleich wieder“, erwiderte ich und wartete, in der Hoffnung, der Schwindelanfall würde bald vorüber gehen.
„Nicht gewöhnt Sie, andere Luft zu atmen?“
Das war nicht wirklich mein Problem. Ich tendierte eher dazu, anzunehmen, dass dies mit unserem speziellen Aufenthaltsort zu tun hatte. Kiri war bereits gegangen, Miguel und seine Flamme steckten in Ganzkörpergummi und ich vertraute mal, dass das ausreichend sein würde und um Ricarda musste ich mich vermutlich die wenigsten Sorgen machen. Alle anderen hatten lediglich das Äquivalent eines Raumanzuges, gedacht für die Tarnung.
Ich atmete noch einmal kräftig durch und ließ schließlich den Mantel meines Reiseführers los. Ricarda stand mir am nächsten und so sehr, dass ich zu Soul aufschließen konnte, vertraute ich meinen Beinen noch nicht wirklich.
„Lieutenant?“ Irgendwie klang meine Stimme raurig. Die Androidin drehte sich zu mir um.
„Ich befürchte, dass dies kein geeigneter Aufenthaltsort für das Aussenteam ist“, begann ich, ohne ins Detail zu gehen. „Bringen Sie alle, ausser Hernandez und Salvation hier raus. Die Anzüge schützen nicht ausreichend.“
Sie nickte.
„Bemerken Sie Anzeichen von Funktionsstörungen?“, fragte ich weiter.
„Negativ.“
„Lassen Sie eine Diagnose laufen, wenn Sie die Zeit dafür finden, und wenn ich etwas Ungewöhnliches zeigt, egal, was es ist, verlassen Sie diesen Bereich.“
Wieder nickte sie und ging Richtung Soul davon.
„Brauchen Hilfe Sie?“, wurde ich erneut gefragt. „Vielleicht essen möchten Sie.“
Ohne, dass ich es gewollt hätte oder kontrolieren konnte, musste ich lachen, was erneut einen Hustenreiz auslöste.
„Nein. Dass ist wirklich überhaupt nicht meine Intention.“ Ich ging zu einem der Kühltanks und deutete auf das leere Gefäß.
„Können Sie das voll machen?“, fragte ich und er breitete die Hände aus in einer Geste der Demut, dass er diesem Wunsch entsprechen würde. Doch ausser der Geste passierte nichts weiter, so dass ich ihn verduzt anschaute.
„Was ist los?“
„Warten können wir, bis der Weg frei wieder.“
„Was meinen Sie damit?“
„Kleine Hindernisse liegen im Weg unseren. Abwarten sollten wir, bis passiert das Hindernis.“
„Sie sprechen von der Station?“
Wieder diese Geste mit den ausgebreiteten Händen. Irgendwie kam mir die menschlich vor, vielleicht hatte er sie diese bei einem unserer Leute abgeguckt.
„Aber Sie haben um unsere Hilfe gebeten!“
„Richtig ist das! Und reparieren den Antrieb werden Sie. Aber nicht notwendig, dass tun gleich Sie. Warten können Sie. Hindernis vielleicht weitere kleinere Schäden bringt. Reparieren danach alles Sie.“
Ich glaubte, mich verhört zu haben. Es brauchte alles an Akademietraining, um nicht die Selbstbeherrschung zu verlieren. Vielleicht hatte ich ihn nur falsch verstanden und er hatte mir etwas ganz anderes sagen wollen. Vielleicht zog ich fälschlicherweise den Schluss, dass dieser Rasse nicht daran gelegen war, der Station auszuweichen. Sie brauchten jemanden, der den Antrieb reparierte, aber nicht, weil sie eine Kollision mit der Station vermeiden wollten.
Ich presste die Lippen aufeinander und überlegte mir meine weiteren Worte. Die Fremden befanden sich nicht im Irrtum, dass der Station bei einem Zusammenstoss weitaus mehr passieren würde, als ihrem Kolonieschiff. Doch die Fremden hatten einen enormen Verlust an technischem Personal erlitten. Und da es für mich die einzige Option war, würde ich bluffen.
„Gut“, sagte ich so überzeugend klingend wie möglich. „Warten wir.“ Demonstrativ verschränkte ich die Hände vor der Brust und schwieg. Als ich fand, dass genug Zeit vergangen war, fuhr ich im Plauderton fort. „Ich hoffe, Sie verfügen noch über andere Schildsysteme, als die, die Sie im Einsatz hatten.“
„Was meinen Sie?“
„Ich meine, dass das Hindernis, aus welches Sie zusteuern, über ein Verteidigungssystem verfügt, welches sich im Notfall nicht ausschalten läßt. Es sorgt dafür, dass bei einer Kollision mit der Station, ein Selbstzerstörungssystem aktiviert wird, damit Technik und Informationen nicht in falsche Hände fällt.“
„Nicht die Wahrheit sprechen Sie. Ich nicht glauben Sie.“
Ich hoffte auf die Lücken in der Kommunikation und darauf, dass einige Worte, die ich sage kein entsprechendes Äquivalent in der fremden Sprache hatten.
„Okay. In einfachen Worten: Im Inneren des Hindernis, auf das Ihr Schiff zusteuerte, findet sich eine extrem hochexplosive Trikobaltsubstanz. Im Prinzip wird bei Kollision eine Bombe gezündet. Die kritische Masse führt dann zu einer Kettenreaktion, ähnlich derjenigen umfallender Dominosteine. Die Kettenreaktion löst dann prompt eine große thermonukleare Partikelsuperreaktion aus. Und schon haben Sie Ihre 10-Exacochranen-Explosion!“
„Auch sterben werden Sie“, sagte der Fremde und ich konnte deutlich sprüren, dass er mir meine Scharade abzunehmen schien.
Ich zuckte mit den Schultern. „Wir haben noch genug Zeit, die Leute von der Station zu evakuieren.“
„Die Vertreter Ihrer Rasse auf dem Schiff hier sterben werden“, versuchte er es weiter.
Es wäre eindrucksvoller gewesen, wenn ich mich hätte zu ihm herabbeugen können, aber er überragte mich um einiges. Also versuchte ich ihn so eindringlich wie möglich anzusehen.
„Vielleicht sterben wir, aber unsere Spezies wird weiterleben. Wir sind nicht nur auf der Station oder diesem Schiff. Vertreter unserer Rassen befinden sich an vielen Orten des Universums. Wir werden vielleicht sterben. Aber wir werden nicht aussterben. Können Sie das auch von sich sagen?“
Ich hoffte, diese Äußerung würde Erfolg haben, auch, wenn er sich nicht direkt einstellte. Um ihm die Zeit zum Nachdenken und vielleicht zum Kontaktausnehmen mit Vertretern seiner Rasse zu lassen, schlenderte ich betont lässig davon. Ich konnte nur hoffen, dass sie uns unterstützen würden, in der Zwischenzeit würde ich soviel alleine tun, wie wir in der Lage waren.
„Hernandez!“
„Ja Ma’am?“
„Was machen die Schilde?“
„In Arbeit.“
Ich zweifelte daran. Irgendwie schien das wie Lila (der letzte Versuch). Alles, was wir zu erreichen hoffen konnten, war, dass die Station auf diese Art und Weise aus dem Weg geschoben wurde. Ich glaubte nicht daran, dass wir in der Lage waren, das Kolonieschiff zu stoppen, allenfalls verlangsamen. Aber wenigsten ließ uns diese Variante die Möglichkeit, heil aus der Sache herauszukommen. Und vielleicht funktionierte die Schildtheorie zusammen mit der Dominotheorie, so dass wir die Station dominoeffektisch aus dem Weg schieben und, sollte das letzte Quäntchen noch fehlen, und schildisch wegschieben lassen konnten.
Wieder musste ich husten.