NH – Cmdr Svetlana F. Kirilenkova – DXO – RPG 11 Log 12 – 14‘257.0200
Personen: Harley H. Kristoffson
Wörter: 1‘117
Titel: Fieberwahn
=A= G-001 New Hope – Deck 349 – Krankenstation =A=
Der Schmerz war nicht zu übersehen. Ich hatte Harley verletzt und nun starrte mich dieser mir so bekannte Schmerz aus ihren Augen an. Genau denselben Schmerz hatte ich verspürt, als ich die aufgezeichnete Nachricht gelesen hatte, die mir Saeihr von Nadja überbracht hatte, als sie auf die New Hope gekommen war. Ein Schmerz, der nur durch Enttäuschung entstehen konnte. Nadja hatte mich enttäuscht und nun hatte ich Harley enttäuscht. Genau deshalb hatte ich es ihr nicht früher gesagt. Ich hatte nicht gewusst, wie ich diese Enttäuschung hätte verhindern oder wenigstens abmildern können. Wahrscheinlich, wenn ich es ihr sofort gesagt hätte, statt hinterrücks zu Quingon gehen, wie ich es getan hatte. Aber dafür war es nun zu spät.
Das Problem war, dass ich gerade jetzt auf Harleys Hilfe und guten Willen angewiesen war. Ich konnte nicht nur hier auf dem Biobett sitzen und mich dem Fieberwahn hingeben, welcher mit meiner Heilung der vorzeitigen Alterung einherging. Sicherheitsteams waren auf den Schiffen des Dominion. Wir hatten einen Wissenschaftler an Bord, der mit seinen Experimenten nicht den Zweck verfolgte, den er uns angegeben hatte. Die Offiziere, welche die Beweise hierfür verschlüsselt hatten, waren verschwunden. Und ich hatte mich mit meinen privaten Problemen in eine Situation manövriert, in welcher ich nicht helfen konnte. Harley würde meiner Bitte garantiert nicht nachkommen. Ich erinnerte mich zu gut an das fiese Aufblitzen in ihren Augen, als sie mir das rigelianische Fieber gespritzt hatte. Sie hatte sich erfreut, dass ich bald Schmerzen erleiden würde und damals war sie nur sauer, weil ich zu Quingon gegangen war. Inzwischen kannte sie auch das Wieso.
„Harley, ich muss arbeiten können. Wenn wir etwas falsch machen, könnte die Situation mit dem Dominion und den Jem’Hadar an Bord eskalieren. Kannst du mir ein Schmerzmittel gegen den Fieberwahn verabreichen und dafür sorgen, dass ich eine Konsole zum Arbeiten erhalte?“
„Tut mir leid, aber du musst durch den Fieberwahn. Ansonsten ist die Heilung nicht garantiert“, erwiderte Harley kühl.
„Ich weiss, du bist wütend auf mich, Harley, und du hast auch alles Recht dazu. Aber das ist jetzt nicht der richtige Zeitpunkt, es mir heimzuzahlen.“ Ich musste mich auf das Biobett setzen. Ich merkte schon, wie das Fieber langsam ausbrach. Meine Beine trugen mich nicht mehr und ich begann zu schwitzen. „Sobald ich gesund bin, mache ich es wieder gut. Versprochen!“
„So einfach ist das nicht.“
Ich wollte seufzen, vergass aber kurz den Grund und dann war der Moment vorbei. Ich hatte andere Sorgen als zu seufzen, denn es viel mir immer schwerer, mich zu konzentrieren. Auch meine Sicht war getrübt und ich war nicht sicher, ob ich jetzt Harley doppelt sah oder schon halluzinierte und auch Nadja sah.
„Du kannst deine Wut an mir auslassen, aber wenn du mich jetzt bestrafst, leidet auch die Station. Lass mich nicht auf meinen Rang pochen und es dir befehlen.“
„Du kannst es nicht befehlen! In medizinischen Belangen habe ich das letzte Wort und ich entscheide, dass Sie die Ruhe für Ihre Genesung brauchen, Commander!“
Mit diesen Worten drehte sich Harley um und liess mich hinter dem Kraftfeld auf dem Biobett sitzen. Meine Harley-Rufe hätte ich gerade so gut im All abgeben können. Auch dort hätte niemand auf sie reagiert, wie jetzt hier auf der Krankenstation. Aber nicht nur deswegen verstummte meine Rufe so schnell. Ich driftete auch immer mehr ab. Ich musste mich hinlegen und schon kurz darauf verschwamm die Wirklichkeit, der Fieberwahn und die Fieberträume begannen…
=A= irgendwo in meinem Kopf =A=
Die Bilder wechselten schneller als ich sie wirklich verarbeiten konnte. Da waren immer wieder verschiedene Orte. Es waren um die zehn, die sich immer wieder abwechselten. Erst als ich sie bereits etwa ein Dutzend Mal gesehen hatte, realisierte ich, dass zu diesen Orten auch Personen gehörten. Personen aus meiner Vergangen, aber auch aus meiner Gegenwart, vertreten durch ihren Kopf, der irgendwie in der Szenerie hing.
Die Bilder wurden zu Beginn nur von einem ohrenbetäubenden Lärm begleitet. Dieser Lärm schwächte sich dann etwas ab und wandelte sich zu einem Rauschen. Aus dem Rauschen wurde schon bald ein Stimmengewirr, als wäre ich zur Hauptankunftszeit am Ankunftsterminal für Personentransporte der Station. Der Geräuschpegel blieb bei diesem Gewirr und langsam erkannte ich einzelne Stimmen heraus. Es waren mir bekannte Stimmen. Die Stimmen der Personen, die ich immer wieder sah. Langsam begann sich alles herauszukristallisieren. Wer wo war und was sagte.
Eine Person war Harley. Ihr Kopf erschien in dieser Höhle auf dem Planeten im Beta-Quadranten, als ich eine schwere Kopfverletzung erlitten hatte. Ihre Stimme rief immer wieder: „Wieso vertraust du mir nicht? Wieso bist du nicht zu mir gekommen? Stösst dich meine chaotische Natur so stark ab?“
Die nächste Person war Nadja. Ihr Kopf erschien in meinem Zimmer in New Berlin. Den Büchern über James T. Kirk zu urteilen, die auf dem Bett herumlagen, war es der Abend, als ich sie küsste und sie danach einfach abhaute und für eine lange Zeit aus meinem Leben verschwand. „Wieso musstest du alte Wunden aufreissen? Konntest du mich nicht einfach vergessen? Vor allem wenn du dann doch nicht bleibst, weil du die Kopie von mir bevorzugst? Ist es einfach die Kopie zu lieben?“
Auf Nadja folgte ein Mann und versetzte mir einen üblen Tiefschlag. Den schlimmsten, aber bei Weitem nicht der Einzige. Es war Professor Umbridge. Das Schwein von Cambridge sah ich in dessen Büro, in welchem er beinahe über mich hergefallen wäre. „Ihrer Doktorarbeit kann es nur nützen. Nun zieren Sie sich doch nicht. Meine Erfahrungen werden sie vor Verzückung kreischen lassen.“
Es folgten fünf weitere Männer. Alle waren ehemalige Lebenspartner von mir oder kurze Liebhaber, von welchen ich mir mehr erhofft hatte. Micheal, Novak und Bornik waren Lebenspartner sowie Turner und der Vulkanier Adorak, die Liebhaber. Adorak musste sich von der Logik losgelöst haben. Anders konnte ich es mir nicht erklären. Denn man konnte jemand nur so stark verletzten, wie er mich verletzt hatte, wenn man Freude dabei empfand. Aber ich habe es nie rausgefunden. Es war auch egal. Alle fünf hatten mich verletzt und alle fünf rissen diese Wunden mit ihren Worten, begleitet von einem diebischen Grinsen wieder auf. Auch die Orte waren mit diesen Wunden verbunden.
Den Abschluss machten Vanessa und Michelle. Wie Nadja und Harley bombardierten sie mich mit Vorwürfen. Vorwürfe die mich als schlechte Freundin, Kollegin oder Sexualpartnerin darstellten.
Auch jetzt, als ich die Bilder und Worte identifiziert hatten, liefen sie in einer Endlosschlaufe weiter. Immer wieder wechselten sich die Personen und ihre Orte ab. Sagten, was sie zu sagen hatten, und liessen dann die nächste Person mit deren Worten folgen. Sie malträtierten mich mit Vorwürfen und negativen Erinnerungen, die mich beinahe zerstört hätten. Irgendwann hielt ich es nicht mehr aus:
„WAS WOLLT IHR VON MIR?“