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Personen: alle im Außenteam, Suravi
=/\= Kylata - Basis des Außenteams - Tag 4, abends =/\=
Ein für uns Marines relativ ereignisloser Tag, den wir hauptsächlich dazu genutzt hatten, Informationen aus dem Netzwerk der Kazon zu ziehen und uns für nächtliche Aktivitäten auszuruhen, ging gerade zur Neige als plötzlich der Rest des Außenteams vor der Höhle auftauchte. Doch bereits aus der Ferne konnte ich erkennen, dass zwei Personen zu viel in der Gruppe waren und so befahl ich absolute Wachsamkeit für meinen Trupp. Es sah Verreuil zwar ähnlich, Überraschungsgäste nicht anzukündigen, doch für den Fall dass es sich um Spione der Kazon handelte, war ich auf der Hut. Wie sich sehr bald herausstellen sollte, handelte es sich jedoch um die Anführer eines beinahe planetenweiten Widerstands gegen die ungeliebten Besatzer, die bereits einen rudimentären Plan mit unserem Commander ausgeheckt hatten. Um diesen in Ruhe näher ausarbeiten zu können, hatte man die beiden wohl an den einzigen Ort gebracht, der garantiert nicht von den Kazon überrascht werden konnte.
Viel bekam ich von der eigentlichen Besprechung, die direkt im Anschluss in leisem Ton an einer Konsole mit der Karte von Ogacik stattfand, nicht wirklich. Zumindest eins der Ergebnisse schien mich aber zu betreffen, denn der Geheimdienstler rief mich direkt im Anschluss zu sich und erklärte mir die weitere Vorgehensweise, soweit sie mich betraf. Und in Anbetracht der Umstände handelte es sich dabei um eine verhältnismäßig einfache Aufgabe: Tauschen Sie den gefangenen Bürgermeister der Stadt unauffällig gegen ein Double des Widerstands aus und bringen Sie das Original zur Besprechung zur Basis! Der Chefwissenschaftler der Prophecy sollte sogar eine detaillierte Karte mit geheimen Wegen, deren die Kazon nicht gewahr waren, zur Verfügung stellen. Zusammen mit Master Chief Agarthon und den anderen Männern aus der Sicherheitsabteilung würde das beinahe schon ein Kinderspiel werden - wenn man einmal von den wahnwitzigen Konsequenzen eines Scheiterns absah.
Doch je länger Verreuil sprach, umso klarer wurde mir nicht nur unser Auftrag, sondern auch der gesamte Plan. In diesem war die Befreiungsaktion nur ein Puzzleteil, wenn auch ein nicht ganz unbedeutendes. Offenbar hatte der Commander nämlich den Gedanken, den ich gegenüber Rodriguez bereits ausgedrückt hatte, um einige Ecken weiter gedacht und setzte nun diese Gruppierung der Kyalas effektiv gegen die Kazon ein. Allerdings hatte er dabei, soweit ich das seinen Ausführungen entnehmen konnte, an ein kleines Detail nicht gedacht: Selbst wenn wir in der Lage waren, sämtliche Kommunikationseinrichtungen zeitgleich zu sprengen und im gleichen Moment außerdem einen Aufstand anzuzetteln, so hatten wir nach wie vor das Problem der Schiffe im Orbit.
Obwohl es nicht meine Aufgabe war, diese Art von strategischen Überlegungen anzustellen, nahm ich es mir daher heraus, den Commander respektvoll darauf hinzuweisen. “Keine Sorge.“, sagte dieser jedoch mit einem leichten Grinsen, das nicht wirklich amüsiert wirkte. “Nach ihrem Sieg hat sich die Verstärkung wieder zurückgezogen. Momentan befinden sich nur noch drei Schiffe in diesem System.“ Ich nickte zum Zeichen, dass ich diese gute Nachricht verstanden hatte, musste aber leider in einem Punkt hartnäckig bleiben: “Dennoch steht das Wurmloch jederzeit offen, Sir. Der Feind kann jederzeit Verstärkung anfordern.“
Diesmal konnte ich sehen, dass ich einen wunden Punkt getroffen hatte. Ich kannte den Mann vom Geheimdienst mittlerweile gut genug, dass ich seine Abneigung gegen unfertige Pläne erahnen konnte. Doch ganz ohne Ziel und Richtung operierte er natürlich auch in diesem Fall nicht, weswegen er mir versicherte: “An diesem Problem werde ich in den nächsten Stunden mit Lieutenant Jasa arbeiten. Ich hoffe, wir werden eine Lösung haben bis Sie uns den Bürgermeister bringen.“ “Ich verstehe, Sir.“, antwortete ich. Auch wenn das keine wirkliche Erklärung war, machte es doch deutlich, dass die Diskussion beendet war und die Zeit der Tat gekommen war. “Wenn das dann alles war…“, fügte ich deswegen sogleich hinzu. “…werde ich mit den Vorbereitungen der Extraktion beginnen.“
=/\= Kylata - unterirdischer Geheimgang - in der Nacht von Tag 4 auf Tag 5 =/\=
Keine zwei Stunden später fand ich mich bereits gemeinsam mit einem Trupp aus Sicherheitskräften und Marines in einem stinkenden und viel zu engen Gang irgendwo tief unter der Basis der Kazon wieder. Begleitet wurden wir dabei von einem Kämpfer des Widerstands, der sich in einer meiner Ansicht nach heldenhaften Tat dazu entschlossen hatte, den Platz des Bürgermeisters einzunehmen. Er sah dem Mann angeblich zumindest entfernt ähnlich, was angesichts der Missachtung der Kazon gegenüber ihren Gefangenen hoffentlich ausreichen würde. Außerdem verfügte der Mann über ein erstaunliches Gedächtnis, was die Schemata der versteckten Wege unterhalb der Stadt anging, weshalb er außerdem als unser Führer agierte. Dass ich trotzdem dann und wann einen Blick auf meinen Tricorder warf, um unsere Position mit der geplanten Route abzugleichen, basierte weniger auf mangelndem Vertrauen als auf der routinemäßigen Einstellung, dass man sich niemals vollkommen auf etwas verlassen konnte, wenn man es nicht selbst tat.
Als wir aber schließlich ohne weitere Zwischenfälle den Ausstiegspunkt direkt unterhalb der falschen Toilette erreicht hatten, konnte ich diese Vorsichtsmaßnahme endgültig einstellen. Der engagierte Widerstandskämpfer schien ebenso zielstrebig zu sein wie jeder gute Marine, was mich angesichts seiner zivilen Erziehung beeindruckte. Offenbar wuchsen auch manche Kyalas in Zeiten der Not über sich hinaus und zeigten Stärken, die nicht einmal sie selbst in sich vermutet hätten. Einer von diesen Helden der Not war scheinbar unser Double, der ohne zu zögern das vereinbarte Signal an Lieutenant Suravi gab. Diese befand sich um diese Zeit natürlich in ihrem Schlafraum, war aber aufgrund des bereits abgesprochenen Plans natürlich wach geblieben. Entsprechend schnell ertönte ihre geflüsterte Antwort: “Wir sind bereit. Warten Sie!“
So kurz diese Aussage auch gewesen war, enthielt sie doch alles notwendige: Einerseits teilte sie uns mit, dass alles wie geplant verlief und der Bürgermeister irgendwie vor Anbruch der Nachtruhe auf die Krankenstation gebracht worden war, und andererseits erklärte sie uns auch, dass die Luke zu eben jenem Bereich in wenigen Augenblicken von oben geöffnet werden würde. Und tatsächlich dauerte es auch weniger als eine Minute bis schließlich ein fahles Licht durch eine Öffnung in der Decke dran und das Gesicht einer jungen Frau darin erschien, die sagte: “Der Adler ist bereit, das Nest zu verlassen.“
“Gut.“, gab ich zurück und musste ob der Veralberung unserer Neigung zu codierten Funksprüchen trotz verschlüsselter Frequenzen trotz der angespannten Situation grinsen. “Das hier ist unser Kuckucksei.“ Ich deutete auf den mutigen Schauspieler, dem Baker und Rodriguez bereits eine Leiter aus ihren Händen und Schultern stellten, damit dieser in die Nasszelle der improvisierten Krankenstation hinauf klettern konnte. Kaum hatte er diesen Kraftakt hinter sich, sah ich ihn auch schon am Rand des Lochs einen Mann umarmen, der verblüffende Ähnlichkeit mit ihm hatte, und leise Worte in dessen Ohr flüstern. Vermutlich handelte es sich um eine Aufmunterung oder irgendeine Art der Ermutigung, von der jedoch niemand etwas hören konnte. Dann endlich, nach einer gefühlten Ewigkeit der Intimität zwischen den beiden Männern, lösten sich die beiden voneinander und der echte Bürgermeister stieg leise durch das Loch zu uns herab, während sein Double gemeinsam mit Lieutenant Suravi das Loch über uns verschloss.
Zufrieden darüber, dass dieser Teil des Plans hervorragend funktioniert hatte, wollte ich gerade das Kommando zum Rückweg geben, als der Anführer dieser Stadt plötzlich vor mir stand und mich umarmte. “Vielen Dank, Sternenflotte.“, sagte er dabei und drückte mich als wäre ich sein Sohn. “Sie können vermutlich nicht ermessen, was ihr Einsatz für mein Volk bedeutet.“ Ich konnte sehr genau ermessen, was dieser Einsatz für unsere Leute bedeuten würde, aber auf Anweisung des Geheimdienstlers behielt ich diese Wahrheit für mich. Stattdessen löste ich mich peinlich berührt aus seiner Umarmung, die mir aus gleich zwei Gründen unangenehm war: Einerseits kannte ich den Mann ja gar nicht und fühlte mich nicht gerade dazu gedrängt, ihn irgendwie als Freund oder Mitglied der Familie anzusehen - und andererseits hatte er mich “Sternenflotte“ genannt. Ein verzeihlicher Fehler, wenn man seinen Standpunkt betrachtete, aber nichts was ihm eine herzliche Umarmung verdiente.
“Wir haben es noch nicht geschafft.“, murmelte ich daher lediglich und schickte mit einer Geste zwei meiner Männer vor, um unseren Rückweg entsprechend zu decken. Der Kyala allerdings blickte mich entgeistert an, offenbar unfähig zu verstehen, wie jemand eine für ihn so herzensgute Tat vollbringen und sich dennoch so abweisend geben konnte. Ganz offensichtlich hatte er noch nicht mit dem Geheimdienst zu tun gehabt, denn gegen den waren wir Marines geradezu harmoniesüchtig. Doch woher sollte der Fremde aus einer Welt, die erst kürzlich von all dieser Technologie überschwemmt worden war, das wissen? Ich bemühte mich daher um einen möglichst freundlichen und doch eindringlichen Ton, als ich hinzufügte: “Wir müssen Sie hier sicher raus bringen, ohne das die Kazon etwas merken. Für Dank bleibt genug Zeit, sollten wir das schaffen.“
Das schließlich brachte ihn dazu, anerkennend zu nicken, auch wenn ich immer noch diesen abschätzenden Blick erkennen konnte, mit dem er wohl zu erkennen versuchte, was für ein Typ ich war. Doch mir war schon Schlimmeres entgegengeworfen worden, also konzentrierte ich mich wieder ausschließlich auf den Erfolg der Mission. Für den VIP in unserem Team hatte ich den Master Chief verantwortlich gemacht, da er aus seinem enormen Erfahrungsschatz in der Sicherheit und den Marines schöpfen konnte und so als Bodyguard und Babysitter hervorragend geeignet war. Ich dagegen übernahm die zweite Reihe hinter Vexx und Simmons, deren gute Augen sie für die Vorhut qualifizierten.
Wir waren jedoch keine zehn Minuten unterwegs, als ich am äußersten Rand meines Sichtfeldes plötzlich die beiden Kundschafter stehen bleiben und die Hand zur Faust geballt heben sah. Das war ein eindeutiges Zeichen für “Stopp!“ und entsprechend brachte ich den ganzen Zug zum Halten. Was gab es da vorne, dass uns aufhalten mochte? Hatten die Kazon etwa die geheimen Gänge entdeckt und untersuchten sie jetzt? Wenn das der Fall war, konnte unser ganzer Plan ins Wanken geraten oder gar in wenigen Sekunden scheitern. Ich konnte nur hoffen und beten, solange die beiden Kameraden in die Dunkelheit spähten, um mir eine hilfreiche Rückmeldung zu geben.
Es kam mir daher wie eine Ewigkeit vor bis endlich die Entwarnung kam. Zwar wusste ich jetzt noch immer nicht, worum es sich genau handelte, aber die Geste des Private war eindeutig “interessantes Objekt“ und nicht etwa “Gegner“ oder “nicht identifizierte Person“ gewesen. Ich erlaubte mir, einen winzigen Seufzer der Erleichtung auszustoßen, und winkte dann mein Team voran. Ich war gespannt, auf was die beiden Adleraugen gestoßen waren, dass sie für so wichtig hielten, dass selbst unsere Rettungsmission warten konnte.